Schlagwort: Roman

Herausgeber: Margaret Atwood & Douglas Preston: Vierzehn Tage

Man nehme eine Idee, zwei namhafte Initiatoren und sechsunddreißig Autoren, die die Idee umsetzen. Douglas Preston zeichnet verantwortlich für die lebendige, etwas vorhersehbare Rahmenhandlung und erzählt sie in der Person der Hausmeisterin Yessenia Grigorescu, einer Frau, der das Leben viele Zitronen geschenkt hat, die dennoch aufrecht steht, widerstandsfähig und stark ist. Jeden Abend kommen die Bewohner um 19.00 Uhr auf dem Dach des Wohngebäudes zusammen. Die einzige Möglichkeit während des Lockdowns in der Lower East Side von New York frische Luft zu schnappen und dem medizinischen Personal zu applaudieren.  Anschließend werden Geschichten erzählt. Und damit kommen wir zu der Besonderheit oder dem Neuen dieses Weiterlesen

Hika Harada: Das kleine Antiquariat von Tante Sango-San

Fast auf den Tag genau vor 2 Jahren erschien das erste Buch von Hika Harada auf Deutsch: 3000 Yen fürs Glück, eine Familiengeschichte und eine Geschichte über das Sparen, mittlerweile ein Nr. 1 Bestseller in Japan, erfolgreich verfilmt und von mir an dieser Stelle besprochen. Und nun „Das kleine Antiquariat von Tante Sango-San“. Wieder eine Familiengeschichte, wieder geht es unter anderem auch ums Sparen, vielmehr um FIRE – Financial Independence, Retire Early, also finanzielle Unabhängigkeit und frühzeitige Rente, im besten Fall mit 30. Nach wenigen Seiten erkläre ich meinem Mann, dass ich ihm unbedingt etwas vorlesen müsse, weil die Sprache so schön ist. Bald teilt er meine Begeisterung und es geht uns wie der Protagonistin Mikiki, die sagt „…und als ich neulich auf dieses Paradebeispiel stieß, wollte ich erst mal nur überfliegen, Sanuki no Suke (japanischer Autor aus der Heian Zeit, 794 -1192) jedoch schilderte alles mit solch eindringlichen Worten, dass ich am Ende ganz darin versank“. Weiterlesen

Dirk Bernemann: Kalk

Es ist das erste Mal, dass sich Dirk Bernemanns und meine Wege kreuzen. Kaum zu glauben, gehört Bernemann doch zu den ungeheuer fleißigen Schreibern, die immer was zu sagen haben. Seit 2005 hat er immerhin 19 Romane und Kurzgeschichtenbände veröffentlicht. Und nun „Kalk“. „Stefan Kalk“. Kalk für den „in die Enge getriebenen alten weißen Mann“ oder doch eher Kalk, wie ein sehr wichtiges Salz, durch dessen unterschiedliche Verarbeitung, wie etwa Brennen oder Löschen, ein Kalkkreislauf entsteht durch den Kalk in jede gewünschte Form gebracht werden kann.

Also „Kalk“. Auf den ersten Blick ein sehr durchschnittlicher Mann im zweiten Lebensdrittel, dem selten ein zweiter Blick vergönnt ist. Aber das ist die Oberfläche. Wird daran gekratzt, und hört man Kalk zu, überrascht Weiterlesen

Sabine Bode: Ich will aber Agnetha sein!

Licht aus – Spot an! Die Show beginnt und ich sitze gefühlt in der ersten Reihe. Die Komikerin und Bestsellerautorin hält, was Sabine Bode verspricht. Man merkt, Bode ist ein „alter Hase“. Das Timing – das bekannter Weise darüber entscheidet, ob ein Gag reüssiert oder floppt – stimmt. Wer vermag schon zu sagen, ob bereits alles über diese vier Schweden geschrieben ist. Solange ihre Musik erklingt und die Menschen, mittlerweile die dritte Generation, dazu mit dem Fuß wippen oder gar Tanzen, werden Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid die Fantasie der Menschen beflügeln. Und das tun sie immerhin seit einem halben Jahrhundert! Ich denke, dass jede nächste Generation einen anderen Ansatz hat und andere Aspekte in den Mittelpunkt ihrer Weiterlesen

Mattias Edvardsson: Dunkelkaltes Schweigen

Matthias Edvardssons Geschichte beginnt mit dem Mord an der Jugendlichen Amanda. 21 Zeilen, mehr gesteht er der Tat nicht zu. Anhand von Rückblicken, Ausblicken und Ereignissen in der Gegenwart legt Edvardsson das Motiv für den Schuss auf das Mädchen nachvollziehbar frei, wobei sich bald herauskristallisiert, dass es sich nicht um ein Eifersuchtsdrama zwischen zwei Liebenden handelt, sondern Motiv und Täter wo anders zu finden sind. Und so, wie es zwei Menschen braucht, ein Kind zu zeugen, aber ein ganzes Dorf, um das Kind groß zu ziehen, braucht es mehr als einen Menschen, um einen anderen zu vernichten. Nichts und niemand scheint zu sein, was er oder sie vorgibt zu sein. Aber alle in der Kleinstadt Trelleborg wissen Bescheid. Der Weiterlesen

Uwe Fleckner: Im Schatten der Blauen Pferde | Interview: Fünf Fragen an den Autor

Nun, wenn ein Professor für Kunstgeschichte, studierter Philosoph und Germanist wie Uwe Fleckner sich in die Höhle des Löwen begibt und sein Romandebüt vorlegt, darf man gespannt sein. Und ich wurde nicht enttäuscht! Liebhaber der deutschen Sprache, der Kunstgeschichte und Geschichtsinteressierte wie auch Kalifornien Fans kommen voll auf ihre Kosten. Dabei ist der Roman spannend wie ein Krimi. Zugegeben, das Lesevergnügen will verdient sein. Fleckners Geschichte fordert volle Konzentration und aufmerksames Lesen. Der Autor lässt seinen Protagonisten, Maximilian, genannt Max, Kisch, Kunsthistoriker, Besessener, beziehungstechnischer Looser, den nur die Suche nach dem „Turm der blauen Pferde“ und anderen im Nationalsozialismus verschwundenen Bildern, einigermaßen auf Spur hält, in der ersten Person erzählen. Fleckner Weiterlesen

Janne Mommsen: Die Weihnachtsliste

Mommsens charmante Weihnachtsgeschichte führt die Leserschaft nach Friedrichstadt. Tatsächlich bin ich vor Jahren – ganz kurz – und ohne um die Besonderheit und die Bedeutung dieses Ortes zu wissen, in Friedrichstadt gewesen. Schade! Vielleicht hätte ich mit etwas Glück den magischen Spielzeugladen von Onkel Hein entdeckt. Aber zur Sache, bzw. zum Buch: Großonkel Hein hinterlässt sein Haus samt Spielzeugladen seinem vagabundierenden Großneffen Ben. Schon auf dem Sprung nach Singapur muss Ben vor der Abreise die Angelegenheiten seines Großonkels regeln. Das Inventar verkaufen, einen Interessenten für das Haus finden und – den traditionellen Weihnachtsbasar zu Gunsten eines afrikanischen Waisenhauses am 4. Advent für die Weiterlesen

Giuliano da Empoli: Der Magier im Kreml

Das vorliegende Werk ist ein Roman, das wichtig ist, um die gegenwärtige Weltlage richtig einordnen zu können. Es ist ein Versuch mi den Mitteln der Belletristik politische Entwicklungen zu erklären die uns, so meinen einige politische Beobachter, an den Rand des dritten Weltkriegs bringen. Wieder einmal ist ein Herrscher, diesmal der Herrscher im Kreml, der Zar, an der Festigung seiner Macht interessiert und übernimmt althergebrachte Mechanismen um seine Macht zu sichern. Um diese Mechanismen in den geschichtlichen Kontext stellen zu können muss man sich intensiv mit politischen Verhältnissen auseinandergesetzt haben und diese intensiv verfolgen. Das macht der Autor auf unterschiedlichste Weisen. Während der Lektüre dieses Roman wird dem/der Leser*in einiges in diesem Konflikt deutlich und versetzt ihn in die Lage Handlungsweisen zu abstrahieren. In Frankreich der #1 Bestseller und vielfach ausgezeichnet: «Der Magier im Kreml» von Giuliano da Empoli, ist ein auf realen Personen und wahren Begebenheiten basierender Roman. Weiterlesen

Gloria Naylor: Die Frauen von Brewster Place

 

Mit ihrem Debütroman »Die Frauen von Brewster Place« legte Gloria Naylor vor 40 Jahren den Grundstein für ihre äußerst steile Karriere und inspirierte Oprah Winfrey eine erfolgreiche Miniserie basierend auf dem Buch zu produzieren, in dessen Zentrum sieben schwarze Frauen stehen. Jede Geschichte in Die Frauen von Brewster Place für sich genommen ist fesselnd und obwohl jede Geschichte nur tangential mit jeder anderen Geschichte verbunden ist, bietet die Autorin eine Gesamteinheit, die den Roman trägt. Und zwar nicht in herkömmlicher linearer Struktur, sondern unter Verwendung von mehreren Miniplots, die das Leben der einzelnen Protagonistinnen beleuchten und der Autorin ermöglichen, sich auf die Charaktere zu fokussieren. Und es gelingt Naylor ihre Figuren überzeugend zu entwickeln. Jede Frau wird mit ihrer eigenen einzigartigen Persönlichkeit präsentiert, die fein ausgearbeitet ist, so dass sie sowohl einprägsam als auch kraftvoll daherkommt. Weiterlesen

Marianne Cronin: Die hundert Jahre von Lenni und Margot

Ich finde Geschichten über unwahrscheinliche Freundschaften spannend, jedoch so etwas Berührendes, wie diese emotional aufgeladene Geschichte über den Teenager Lenni und die achtzigjährige Margot sucht ihresgleichen. Mit 17 bzw. 83 (eine kombinierte Lebenszeit von 100 Jahren) sollten sie wenig gemeinsam haben. Schließlich wurden sie  in verschiedene Welten, verschiedene Epochen hineingeboren. Margot kann auf ein langes und reiches Leben blicken, während Lennis zu Ende geht, bevor es kaum begonnen hat. Und doch verbindet diese beiden Frauen mehr als der gemeinsame Aufenthalt auf einer Palliativstation: Die Feier des Lebens. Und so ist die Geschichte der beiden Frauen angefüllt mit Licht und Farbe, Weisheit und Witz, Anmut, Humor und Hoffnung. Es ist kaum zu glauben, dass es Marianne Cronins Romandebüt ist. Eine starke Leistung. Die Geschichte lebt von den beiden liebenswerten Charakteren. Lenni: lebhaft, respektlos, mutig und sterbend, eine alte Seele mit fragilen, jungen Schultern. Margot: eine Überlebende mit lebenslangem Bedauern und einem speziellen Sinn für Humor. Die beiden sind verwandte Seelen und fühlen sich zueinander hingezogen. Durch ihre Freundschaft und die Stunden, die sie für ihr gemeinsames Krankenhauskunstprojekt verbringen, kann Margot ihr Leben noch einmal erleben und neu bewerten, während Lenni mittelbar ein Leben führen kann, eine Erfahrung, die sie nie besitzen wird. Die Symbiose ist einfach, dennoch schmerzhaft schön. »Wir können ebenso wenig nicht wissen, warum du stirbst, wie wir wissen können, warum du lebst. Das Leben und das Sterben sind große Geheimnisse, und man kann beides nicht verstehen, solange man es nicht selbst erlebt hat.« Weiterlesen