Uwe Fleckner: Im Schatten der Blauen Pferde | Interview: Fünf Fragen an den Autor

Nun, wenn ein Professor für Kunstgeschichte, studierter Philosoph und Germanist wie Uwe Fleckner sich in die Höhle des Löwen begibt und sein Romandebüt vorlegt, darf man gespannt sein. Und ich wurde nicht enttäuscht! Liebhaber der deutschen Sprache, der Kunstgeschichte und Geschichtsinteressierte wie auch Kalifornien Fans kommen voll auf ihre Kosten. Dabei ist der Roman spannend wie ein Krimi. Zugegeben, das Lesevergnügen will verdient sein. Fleckners Geschichte fordert volle Konzentration und aufmerksames Lesen. Der Autor lässt seinen Protagonisten, Maximilian, genannt Max, Kisch, Kunsthistoriker, Besessener, beziehungstechnischer Looser, den nur die Suche nach dem „Turm der blauen Pferde“ und anderen im Nationalsozialismus verschwundenen Bildern, einigermaßen auf Spur hält, in der ersten Person erzählen. Fleckner beherrscht die Kunst des bildhaften Erzählens und trifft dabei jeweils den richtigen Ton: Sei es in den Rückblenden, wenn er vom Besuch des Direktors der Berliner Nationalgalerie, Ludwig Justi bei Franz Marcs Witwe, Maria, erzählt oder wenn sich der Sammler Gottlieb Friedrich Reber und der Kunsthistoriker Carl Einstein austauschen. Oder in der Gegenwart, als sich Max von einem Taxi in eine heruntergekommene Gegend hinter dem Airport von Santa Monica fahren lässt, um dort bei Rent-a-wreck ein Auto zu mieten oder Kisch mit anderen bedeutenden Kunsthistorikern aus aller Welt im Pink Palace, Los Angeles, in dem das Getty Research Center seine Besucher unterbringt, beim Sun Downer Smalltalk macht. Ich sitze mit in dem 71er blauen Mustang, wenn Max durch LA cruised und höre seine Musik. Und ich verbringe zahllose Stunden mit ihm in der Bibliothek und hoffe mit ihm auf einen – auf den entscheidenden – Hinweis, der ihn zu Marcs verschollenem Meisterwerk führt und Max einen Platz in der Hall of Fame sichern würde. Fleckner stellt Max die Kollegin Jessika Steiner vom Getty Research Institute zur Seite, die ihn in jeder Hinsicht beeindruckt und ihn bei seiner Recherche unterstützt. Und ganz nebenbei sorgt sie dafür, dass durch seinen Kopf immer dann die Feen und Wichtel herumgeistern, wenn er an sie denkt. Beide erleben ein aufregendes „Spiel aus Nähe und Distanz“.

„Im Schatten der blauen Pferde“ ist ein Roman, keine Fantasy Story und deshalb führen die Erkenntnisse und Wendungen auf den verschiedenen Ebenen zu einem überaus befriedigenden Ende.

Foto: Bernd Borchardt

Uwe Fleckner, geboren 1961 in Dortmund, hat Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik in Bochum und Hamburg studiert. Seit 2004 ist er Professor für Kunstgeschichte an der Universität Hamburg, Leiter der von ihm gegründeten Forschungsstelle »Entartete Kunst« in Hamburg sowie einer der Direktoren des dortigen Warburg-Hauses. Fleckner ist Autor zahlreicher Buch- und Aufsatzpublikationen, unter anderem zur »entarteten« Kunst, zur Kunst der Moderne und zur politischen Ikonografie sowie Mitherausgeber der Gesammelten Werke Carl Einsteins und Aby Warburgs. Mit »Im Schatten der blauen Pferde« legt er sein Romandebüt vor.

Maximilian Kisch ist ein Besessener. Schon sein halbes Leben jagt der Kunsthistoriker vergeblich ein verschwundenes Gemälde des Blaue-Reiter-Malers Franz Marc. Dessen Spuren verloren sich nach der Münchner Ausstellung »Entartete Kunst« in der privaten Sammlung Hermann Görings. Seitdem rätselt die Kunstwelt über den Verbleib. Ein letztes Mal will Max im Getty Center in Los Angeles Nachlässe auf neue Hinweise durchforsten – und macht, unterstützt von seiner Kollegin Jessica Steiner, tatsächlich einen erstaunlichen Fund. In ebenso spannenden wie historisch belegten Rückblenden erzählt Uwe Fleckner die Geschichte des berühmten Gemäldes: von seiner Entstehung, seinen Sammlern, einer trickreichen Entführung und einem ungeheuren Verdacht.

C.Bertelsmann Verlag – gebunden – 368 Seiten – 25,00 € – ISBN 978-3-5701-0474-3

Fünf Fragen an den Autor, gestellt von Angela Perez

Lieber Herr Fleckner,

herzlichen Glückwunsch zu Ihrem ersten Roman. Nach zahlreicher Fachliteratur aus Ihrer Feder haben Sie sich nun auf das glatte Eis der Unterhaltung begeben. Leser: innen sind neugierige, wissbegierige Menschen und deshalb würde es mich sehr freuen, wenn Sie Antworten auf meine 5 folgenden Fragen haben.

Wie geht es Ihnen jetzt, wo das Buch auf dem Markt ist, und worin besteht der Unterschied zwischen einer Romanveröffentlichung und einer Fach- und Sachbuchveröffentlichung? Wie ist die Resonanz bei Kolleg: innen und Studierenden?

Obwohl ich ja schon eine ganze Reihe von Büchern veröffentlicht habe, ist es diesmal doch ein besonderes Glücksgefühl. Als Kunsthistoriker konnte – und kann – ich mich auf meine Erfahrungen verlassen. Als literarischer Debütant ist das ganz anders. Da hoffe ich natürlich auf den Zuspruch der Leserinnen und Leser, und ganz beglückt muss ich feststellen, dass der Roman sehr intensiv gelesen wird. Das Echo der ersten Leser ist großartig, verstanden wird, auch von meinen Kollegen, dass es sich hier wirklich um ein erzählerisches Werk handelt und nicht um ein Fachbuch. Die kunstvolle Verflechtung der Zeitebenen wird sehr geschätzt, das Buch wird vor allem als Liebes- und Amerikaroman gefeiert, ganz so wie ich es beabsichtigt habe.

Die Figur des Max Kisch ist so gelungen und realistisch, dass man sich fragt, wieviel Uwe Fleckner steckt in Kisch oder gibt es eine andere reale Person, die dem Protagonisten zugrunde liegt?

In Max Kisch steckt gar nicht so viel von mir, wie man vielleicht annehmen könnte. Natürlich profitiert die Figur von meinen beruflichen Erfahrungen, auch von meinen Erlebnissen, vor allem in Los Angeles. Außerdem habe ich, unter anderem Namen, einen kleinen Cameo-Auftritt im Roman, da dürfen die Leser gern rätseln, um wen es sich da wohl handeln mag… Und in die Kolleginnen und Kollegen, denen Max während seiner Suche begegnet, sind natürlich auch Aspekte realer Figuren eingeflossen, Fragmente eher, einzelne, meist überspitzte Charakterzüge.

Kennen Sie die Angst vor der ersten Seite?

Nein, überhaupt nicht. Ich würde da eher vom Glück der ersten Seite sprechen, wenn endlich ein neuer Text begonnen werden kann. Das gilt für alle meine Bücher und Aufsätze. Schreiben ist etwas, das mir tatsächlich lebenswichtig ist, auch wenn sich das, ich weiß, sehr kitschig anhört…

Eine Geschichte begleitet den Autor über eine gewisse Zeit: Idee, Recherche, Schreiben, Veröffentlichung, Bewerbung, Lesungen… Haben Sie ein Ritual diese Phase abzuschließen, sozusagen das Buch ins Regal zu stellen?

Eigentlich nicht, denn es sind immer einige Texte, die mehr oder weniger gleichzeitig entstehen. Das fertige Objekt dann in den Händen zu halten, ist aber immer noch ein beglückender Augenblick, meist lese ich dann den Text noch einmal und wundere mich oft selbst, dass ich das schreiben konnte. Beim Roman war das ein ganz besonderer Moment, denn sehr viele Jahre habe ich über ihn nachgedacht, habe lange recherchiert und geschrieben. Dass da auf einmal wirklich ein Roman vor mir liegt, war fast unfassbar…

Nach dem Buch ist vor dem Buch. Gibt es bereits Ideen für eine neue Geschichte?

Oh ja, der nächste Roman ist schon zu etwa einem Drittel geschrieben. Das Thema aber verrate ich noch nicht.

Vielen Dank.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert