Kategorie: Buchbesprechungen

Swedish Machines, Simon Stålenhag

Simon Stålenhag ist für mich ein Künstler und Autor, den man entweder total liebt oder mit dem man nicht viel anfangen kann. Ich bin ein bekennender Fan seiner illustrierten Romane und habe nicht nur jeden einzelnen seiner Romane gelesen, sondern habe mir auch seine Illustrationen als wunderbare Metalldrucke angeschafft. Diese zieren meine Wände und ich kann mich einfach nicht sattsehen an den Motiven.

Swedish Machines ist nun der fünfte Band seiner Dystropien, die in Schweden spielen. Skrupellose Waffentests haben einen Teil der Insel Åkerö zum Sperrgebiet erklärt. Natürlich ist das Gebiet Svartlöten ein magischer Anziehungspunkt für Teenager, auch wenn viele Menschen krank wurden nach der Umweltkatastrophe. Die beiden Kindheitsfreunde Valter und Linus haben sich schon immer für das Gebiet interessiert, vor allem weil Valters Vater durch das Phänomen in Svartlöten verrückt wurde. So beschließen die beiden Freunde, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen und tief ins Sperrgebiet zu fahren.

Wie immer geht es in der Geschichte nur zweitrangig um die Dystropie. Nie werden in den Büchern die Geheimnisse der Maschinen und der Sperrgebiete bis ins Kleinste gelöst. Denn im Vordergrund stehen bei Simon Stålenhag Menschen, die in diesen zerstörten Landschaften aufwachsen und leben. Und bei ihnen geht es um Themen, die es schon immer gab. Die Entdeckung der Sexualität, der Liebe und des Erwachsenwerdens. Es sind großartige Geschichten mit noch besseren Illustrationen. Ein moderner H.P.Lovecraft, dessen „kosmischer Horror“ bei Simon Stålenhag zum „menschlichen, ganz normalen Horror“ werden. Was Banksy unter den Streetart- Künstlern ist, ist Stålenhag unter den Illustratoren und Autoren seines Genres. Weiterlesen

Kathrin Hartmann: Die Welt gewinnen

„Die Welt gewinnen“ ist ein interessantes, lesenswertes und vor allem sehr persönliches Buch der Autorin Kathrin Hartmann. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass Hartmann die Ich-Erzähler- Rolle übernimmt und der Eindruck entsteht, dass ich in ihrem Tagebuch lese. Man spürt, dass ihr das Thema, das sie seit vielen Jahren begleitet, am Herzen liegt. Anders als in ihren vorangegangenen Veröffentlichungen legt sie im aktuellen Buch weniger den Finger in die Wunde, sondern zeigt auf, wie erfolgreich Privatinitiativen sein können. Es wird denjenigen eine Stimme verliehen, die nicht dank ihrer Prominenz, ihres Wohlstandes oder ihrer Macht sich leicht Gehör verschaffen können. Es geht um Menschen, die Weiterlesen

Tilmann Lahme: Thomas Mann – Ein Leben

592 Seiten oder laut meiner Digitalwaage 911 g Geschichte. Die Geschichte eines Mannes, einer Familie, die sehr eng mit der deutschen Vor- und Nachkriegsgeschichte verbunden ist, denn obschon Literaturnobel-Preisträger und davon gibt es immerhin nur 10 deutsche Schriftsteller: innen, musste Thomas Mann 1933 die Gelegenheit während einer Vortragsreise nutzen und ins Schweizer Exil gehen, galt er als einer der schärfsten Kritiker Hitlers. Von dort wanderte die Familie 1938 in die USA aus. Der New York Times sagte Mann am 22. Februar 1938: „Es [das Exil] ist schwer zu ertragen. Aber was es leichter macht, ist die Vergegenwärtigung der vergifteten Atmosphäre, die in Deutschland herrscht. Das macht es leichter, weil man in Wirklichkeit nichts verliert. Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir. Ich lebe im Kontakt mit der Welt und ich betrachte mich selbst nicht als gefallenen Menschen.“ Weiterlesen

Mord und Gelächter, Tony Hillerman, Serie Navajo-Police, Leaphorn und Chee ermitteln

Lieutenant Leaphorn und Officer Jimmy Chee ermitteln gemeinsam an mehreren Fällen. Ein Lehrer und richtig guter Mensch wurde in seinem Werkraum erschlagen und ein Teenager, der vierzehnjährige Delmar, halb Navajo, halb Tano wird vermisst. Außerdem ein tödlichen Unfall mit Fahrerflucht, dessen Aufklärung Chee seine Sergeantstreifen ermöglichen soll. Da Leaphorn jedoch in ein paar Tagen mit seiner neuen Flamme Louisa nach China fliegen will, bleibt wohl alles an Jimmy hängen. Man hat nur zwei Hände denkt Chee und konzentriert er sich auf den verschwundenen Jungen. Die einflussreiche Großmutter ist ein Mitglied des Stammesrates und sie will den Jungen unbedingt finden. So fährt Chee erst einmal nach Tano, wo Delmars Mutter lebt und weil dort gerade die Festlichkeiten des Kachina-Tanzes gefeiert werden. Etwas, das Chee sehr gerne der jungen hübschen Anwältin Janet zeigen möchte. Immerhin kann er dabei nach dem Tano-Jungen Ausschau halten. Während der Zeremonie, erblickt er Delmar, doch dann kommt es zu Irritationen beim Publikum und plötzlich ist einer der heiligen Clowntänzer, ein Koshare, ebenfalls tot.

Wer etwas für die Kultur der amerikanischen Indianer übrig hat, sich für ihren Glauben und ihre Lebensweisen in den Reservaten interessiert, ist bei der Serie nicht nur richtig. Man fühlt sich als Leser regelrecht wohl in den Geschichten. Gerne begleitet man Joe Leaphorn auf seinen endlosen Fahrten, durch die weite Black-Mesa und für die Länge einer dieser Romane, kann man die Welt vielleicht als Navajo-Indianer begreifen. Großartige Bücher einer fantastischen Serie mit noch besseren Geschichten.

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Chris Warnat, Fünfzehn Sekunden, Eine Entscheidung verändert dein Leben, Thriller

Ein Unfall unverschuldet und doch belastet es dich. Wie verändert sich dein Leben, auch wenn du unverschuldet einen Unfall verursacht hast mit Personenschaden oder sogar Todesfolge? Wie gehst du damit um? Einfach weiter so oder bekommst du die Situation nicht aus dem Kopf? Kannst du schlafen oder reißen dich die Alpträume jede Nacht aus dem Schlaf? Wie sehen dich Familie, Freunde und Kollegen? Bekommst du Zuspruch oder wirst du gemieden? Man tuschelt über dich oder mobbt dich sogar. Du konntest doch gar nichts dafür. Das hatte die Polizei doch auch bestätigt. Wir sind im Anfang von Chris Warnats  Debütroman „Fünfzehn Sekunden“. Ein mehr als gelungener Auftakt, den man sehr gut nachvollziehen kann. Jeden kann es treffen. Doch hofft man bei jeder Autofahrt, dass einem so etwas nie passiert.

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Frühstück am Rande der Apokalypse, Wladimir Kaminer

Seit seinem berühmten Debüt mit ›Russendisko‹, habe ich immer wieder Wladimir Kaminers Bücher gelesen und mir auch Lesungen angehört. Immer hat er es geschafft mich zum lauten Lachen zu bringen oder wenigstens zu einem ausgiebigen Schmunzeln bei seine hervorragenden Texten. Sein neustes Werk, ›Frühstück am Rande der Apokalypse‹, beschäftigt sich fast ausschließlich mit dem Russland/Ukraine Krieg. Dabei schafft es Kaminer, trotzdem er Russe ist, Stellung zu beziehen, ohne Stellung zu beziehen. Hört sich verrückt an, ist aber so. Alle bekommen ihr Fett weg und das zu recht. Dennoch hat auch Kaminer etwas von seiner Leichtigkeit verloren. Wen wundert es? Eigentlich niemand. Hier und da fallen ernste Worte, die auch genauso gemeint sind. Gut so, denn er kennt seine Landsleute und auch die Ukrainer, aber vor allem das russische System viel besser als einige von uns.

Was mich gefreut hat, weil auch ich die Russen ein bisschen kenne, da ich dort einmal vier Jahre gelebt und arbeitet habe, war, dass er die Nöte des russischen Volks ebenso aufzeigt, ihre Toten ebenso betrauert, wie die des ukrainischen Volks. Wohl eines seiner ernsthafteren Bücher, wenn auch der eine oder andere Lacher gelungen ist. Darum kann ich den Autor nur anfeuern: Herr Kaminer lassen Sie sich nie von irgendjemand den Mund verbieten!

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Philippinum Marburg: 2125 Die Zukunt der Menschheit

 

2125 Die Zukunft der Menschheit, ein spannendes Gedankenspiel – eine interessante Aufgabe für die Schülerinnen und Schüler des Marburger Gymnasiums „Philippinum“. Die Idee zu diesem Schreibprojekt hatte der Verleger Markus Karsten vom Westend Verlag. Und auch wenn er sich lange gedulden musste, bis es zur Umsetzung der Idee kam, hielt er an der Idee fest, holte Frank Scholze, Generaldirektor der Deutschen Nationalbibliothek und Christian Steiner, Studienrat am Philippinum mit ins Boot und ermöglichte damit das vorliegende Buch.

Das bis zum Schluss geheim gehaltene Thema sollte in zweieinhalb Stunden umgesetzt werden. Das Ergebnis, die Weiterlesen

Cinema Love, Jiaming Tang

Definitiv hinterlässt das Buch etwas beim Leser und man denkt doch noch einmal darüber nach, obwohl man es eigentlich nicht möchte. Es ist kein leichter Stoff, sondern die Geschichte von vier Menschen, die ein völlig unerfülltes und belangloses Leben führen mussten. Zwei von ihnen, weil sie schwule Männer sind und das in China der Achtziger nicht nur ein Tabu ist, sondern tödliche Folgen haben kann. Und zwei Frauen, die als Ehefrauen der sogenannten Sissys ein Leben in Kauf nehmen mussten, das voller verletztem Stolz, schlechtem Gewissen und unerfüllter Liebe ist. Selbst, als sie nach Amerika immigrieren, ändert sich nichts daran. Erst am Ende ihres verbrauchten Lebens stellen die beiden Frauen sich ihren Lebenslügen, eine zerbricht daran, die andere findet einen eigenartigen Frieden.

Es hilft bestimmt, wenn man die chinesische Mentalität und Kultur ein wenig kennt. Denn sonst wird es schwer, einige der Reaktionen und Taten zu verstehen. Dennoch hat mich das Buch gefesselt und hätte von etwas mehr Licht in der Dunkelheit der Geschichte bestimmt profitiert. Ein Autor, von dem wir bestimmt noch hören werden.

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Angelo Coassin, Kochen wie ein echter Italiener, verblüffend einfache und garantiert echte Lieblingsrezepte

Angelo Coassin ist ein ausgebildeter Koch und Tänzer. Kurz vor Corona wagt er den Schritt nach London zu gehen, um dort eine Karriere als Tänzer anzustreben. Doch dann der Schlag: Corona – Nichts geht mehr. Verbannt an seine Wohnung, keine Reiseerlaubnis, besinnt sich Angelo auf seine zweite Ausbildung – Koch! Er entwickelt einen Blog. Natürlich mit italienischer Küche. In kurzer Zeit hatte er viele Follower. Nicht nur weil seine Rezepte einfach und genial sind, sicherlich auch, weil er das ital-ienische Flair mit rüberbringt. Er zelebriert seine Gerichte im 50ziger Jahre Stil im Feinrippunterhemd, tanzend mit guter Musik im Hintergrund vor. Der Zuschauer wird von seiner Fröhlichkeit animiert mit- und nachzumachen.

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Bill François: Die unwahrscheinliche Süße der Erdbeeren

Zugegeben, es war nicht Liebe auf den ersten Blick zwischen dem neuen Buch „Die unwahrscheinliche Süße der Erdbeeren“ von Bill François und mir. Nach gut 30 Seiten war ich bereit zu kapitulieren und legte mein Exemplar zur Seite. Am nächsten Morgen fragte mich mein Mann beim morgendlichen Hundespaziergang, ob ich wüsste, ob Hunde Farben erkennen könnten. Und wie aus der Pistole geschossen antwortete ich ihm, dass ich gerade gestern darüber gelesen hätte. Die menschliche Farbwahrnehmung hat sich erst dadurch entwickelt, dass die Pflanzen unterschiedlich farbige Blüten produzierten aus denen Früchte wurden. Als Folge hat die Evolution unserer Weiterlesen