Jemand wie Shane Martin, der seine Frau und seine fünf Kinder bekocht und bebackt, hat eine gute Vorstellung davon, womit man seine Mitmenschen – und sich selbst – verwöhnen und erfreuen kann. Das spiegelt sich eindeutig in der Rezeptauswahl für das gerade eben im Südwest Verlag erschienene Backbuch „Vegan Brot & Brötchen Backen“ des erfolgreichen Food-Bloggers wider. Denn: gesunde, umweltverträgliche und nachhaltige Ernährung schließt Genuss nicht aus! Mir gefällt die entspannte Art und Herangehensweise des Autors. Nicht wissenschaftlich-akademisch, mehr Probieren geht über Studieren und so möchte Martin dazu inspirieren „Experimente zu wagen und das Brotbackabenteuer selbst zu gestalten“. Die Weiterlesen
Kategorie: Buchbesprechungen
Hika Harada: Das kleine Antiquariat von Tante Sango-San
Fast auf den Tag genau vor 2 Jahren erschien das erste Buch von Hika Harada auf Deutsch: 3000 Yen fürs Glück, eine Familiengeschichte und eine Geschichte über das Sparen, mittlerweile ein Nr. 1 Bestseller in Japan, erfolgreich verfilmt und von mir an dieser Stelle besprochen. Und nun „Das kleine Antiquariat von Tante Sango-San“. Wieder eine Familiengeschichte, wieder geht es unter anderem auch ums Sparen, vielmehr um FIRE – Financial Independence, Retire Early, also finanzielle Unabhängigkeit und frühzeitige Rente, im besten Fall mit 30. Nach wenigen Seiten erkläre ich meinem Mann, dass ich ihm unbedingt etwas vorlesen müsse, weil die Sprache so schön ist. Bald teilt er meine Begeisterung und es geht uns wie der Protagonistin Mikiki, die sagt „…und als ich neulich auf dieses Paradebeispiel stieß, wollte ich erst mal nur überfliegen, Sanuki no Suke (japanischer Autor aus der Heian Zeit, 794 -1192) jedoch schilderte alles mit solch eindringlichen Worten, dass ich am Ende ganz darin versank“. Weiterlesen
Haus der Geister, Frank Goldammer
Für mich ist es mein erster Goldammer Krimi. Aber mein Kollege Stephan Schwammel hat alle Romane der Max Heller Serie besprochen. Auch hatten wir auf der Frankfurter Buchmesse ein schönes Interview mit diesem so durch und durch sympathischen und geerdeten Autor gemacht.
In seiner neuen Serie ist Gustav Heller, Max Großvater, Rittmeister, Kriminalrat und die Romane spielen noch vor dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1881. Noch reitet man als Kriminaler auf seinem Pferd durch das nächtliche Dresden. Noch sind Séancen eine Art gesellschaftliche Unterhaltung, ein Prickeln, das man sich in gehobenen Kreisen gönnt. Denn Geistererscheinungen sorgen für einen unterhaltsamen Abend. Wenn jedoch bei solchen Gruselabenden Gäste einen Herzinfarkt bekommen oder sich noch in der gleichen Nacht in besagte Villa erhängen, dann wird es ein Fall für die Königlich-Sächsische Polizei. Ausgerechnet Kriminalrat Heller, der durch und durch Realist ist und an all solchen Hokuspokus nicht glaubt, soll den Fall aufklären. Kurzerhand nimmt er selbst an einer dieser Séancen teil, und Glaube hin oder her, ein Geist gibt ihm den entscheidenden Hinweis.
So genial die Max Heller Serie ist, so brillant ist auch die Serie um Gustav Heller die im neunzehnten Jahrhundert spielt. Frank Goldammer trifft nicht nur den Ton der Zeit, er erschafft auch wieder einen sympathischen Polizisten mit Ecken und Kanten. Es macht einfach Spaß zusammen mit Gustav Heller zu ermitteln. Weiterlesen
Yulin Kuang: How To End A Love Story
Ein Debütroman – in diesem Fall ein young-adult-Debütroman – ist für alle Beteiligten eine aufregende Angelegenheit. Ich frage mich dann immer, ob der oder die Schreibende vielleicht eine Entdeckung ist, die mich in den nächsten Jahren literarisch begleiten wird. Bereits die Aufmachung von Yulin Kuangs Erstlingswerk ist aufwendig und gelungen. Die Messlatte liegt hoch. Und so beginnt Kuang ihre Geschichte mit einem unerwarteten Paukenschlag, nämlich mit der Beerdigung von Helens, unsere Protagonistin, Schwester Michelle. Also nicht nur eine Liebesgeschichte, nicht nur die Geschichte von Helen und Grant (unser Protagonist), nicht nur ein Blick durch die rosa Brille. Davon ist Kuangs Geschichte weit entfernt, dafür aber ganz dicht am richtigen Leben. Intuitiv weiß die Autorin wieviel sie den Lesenden zumuten Weiterlesen
Zwei Leben in Deutschland, Hans Rosenthal, Autobiografie
Ich gehöre noch zu der Generation, die Samstagabend als Kind mit meiner Oma vor dem Fernseher ›Dalli Dalli‹ gesehen haben. Und wenn immer die Kandidaten besonders gut waren, sprang der kleine sympathische Showmaster in die Luft und rief: Das war spitze! Die Zeiten der Spiel- und bunten Unterhaltungsshows sind lange vorbei, ihre Stars sind gestorben, genau wie meine Oma.
Zum hundertsten Geburtstag von Hans Rosenthal, der leider schon 1987 verstarb, brachte der Quadriga Verlag seine 1980 erschienene Autobiografie erneut heraus. Da war es ein Muss für mich, über die zwei Leben des Entertainers und der noch so viel mehr war, zu lesen. Und es hat mich umgehauen, denn ich wusste bis dato nichts von dem anderen Leben, das Hansi, wie er genannt wurde, in Deutschland hatte. Hans Rosenthal war als jüdischer Junge und Jugendlicher bitter von den Schergen der Nationalsozialisten verfolgt worden. Er war jedoch immer zur rechten Zeit nicht am falschen Ort gewesen und entging so mindestens drei Mal der Deportation in ein Konzentrationslager. Aber es war wahrscheinlich nicht nur pures Glück. Durch seine flinke und fröhliche Art, durch die dem späteren Showmaster ebenfalls die Herzen zuflogen, fanden sich immer wieder Menschen, die ihn versteckten und ihre kargen Lebensmittel mit dem jüdischen Jungen teilten. So blieb Hansi am Leben, während sein zehnjähriger kleiner Bruder die Todesreise in ein Lager antreten musste.
Eine sehr bewegende Autobiografie, über die Zerstörung einer Familie, Schicksalsschläge und den Nazi-Terror an den Juden. Aber auch über den starken Lebenswillen, der Hans Rosenthal in der damaligen Ostzone erst beim Berliner Rundfunk prägte und später bei Rias Berlin, der von den Amerikaner gegründet wurden, erfolgreich werden ließ. Die Geschichte eines Menschen, für den Aufgeben selbst in den schlimmsten Zeiten keine Alternative war.
Briefe von morgen, die wir gern gestern schon gelesen hätten, Timur Vermes
Ach, wenn es nur nicht so ein realistisches Orakeln wäre, dass Timur Vermes uns in seinen Briefen von morgen präsentiert. Es ist pure Satire, die beißt und brennt, vor allem, wenn die Zeiten genau in diese Richtung zeigen. Als Erstes wird uns ein Brief an den neuen Bundeskanzler Herrn Merz präsentiert, den er aber erst zur nächsten Wahl lesen soll, wenn Herr Merz schon lange aus dem politischen Geschäft gedrängt wurde und er der AFD die Wege zur Macht geebnet hat. Das ist allerdings so bitter, dass mir der Lacher im Hals stecken blieb. Ganz anders der Brief einer Dame an ihre Versicherung, mit der Bitte die Kosten für einen zerschlagenen Pflegeroboter zu übernehmen. Auf dem Weg zu Vernichtung dieses Teils kann man wirklich in sich hineinkichern. Gut gefallen hat mir auch ein Brief von besorgten Eltern an die Direktorin eines Gymnasiums. Klein Meghan aus der 4b, wird nämlich ständig benachteiligt. Oder man füllt das Formular BBbyDesin aus, um sein Wunschkind schon vor der Geburt zu kreieren.
Ein genialer Querschnitt von KI über Politik, die Unterhaltungsindustrie und auch die Religion bekommt ihr Fett ab. Manchmal bleibt einem die Luft weg, denn einiges ist mehr als vorstellbar. Dennoch nennt man so etwas noch gute Satire. Nur schade, dass kein Brief in die USA verschickt wurde, doch wahrscheinlich kamen dem Autor bei dem Gedanken selbst die Tränen. Sehr lesenswert, wenn Sie den Zeitgeist mit Humor nehmen können.
SinArty (Satyajit Sinari): Porträt zeichnen – leicht gemacht
Ich bin zu folgenden Erkenntnissen gekommen: Erstens: Der Mut stellt sich die Wege kürzer vor! Soviel ist mir klargeworden, nachdem ich – der Anweisung des Autos folgend, um den „größten Gewinn“ zu erzielen – das Buch durchgeblättert und mich damit vertraut gemacht habe. Und zweitens sollte man sich nicht von dem Porträt (Abb. Seite 4), welches der 7-jährige Künstler Satyajit Sinari von seiner Großmutter zeichnete, entmutigen lassen. Nun, Weiterlesen
Sascha Stemberg, Stemberg Das Kochbuch,Tradition trifft Moderne
Bei uns ist Ramba-Zamba! Das kann Sascha Stemberg mit Stolz und großem Selbstbewusstsein sagen. Ein Landgasthaus mit einem Stern vom
Michelin ausgezeichnet. Gekonnt gekochte traditionelle Gerichte, modern interpretiert, ohne
die Wurzeln des Ursprunggerichtes zu verlassen. Dem Gast zur Freude, weil es einfach schmeckt. Da konnten die Tester von Michelin und Gault Millau gar nicht anders als mindestens einen Stern und 17 Punkte zu vergeben. Sascha Stemberg hat die Auszeichnungen zu Recht erstanden. Nach der Novelle Cuisine, die Neue Deutsche Küche, dann die vielen neuen kreativen jungen Köche, die in den Sternetempeln gelernt haben, hatte man sich plötzlich auf alte Gerichte besonnen. Dann gab es wieder Linsen, Blutwurst und
Kalbsbäckchen. Für mich war das nach der Kreativen-Zeit die Rückbesinnung auf den guten
Geschmack. Leider kam dann aus Spanien die Molekularküche zu uns. Alles wurde
auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. Die Medien stürzten sich drauf und
Sternetempel haben es kopiert und Teile beibehalten. Jeder Teller ist heute ein optisches
Kunstwerk. Nur schmeckt man die Minizutaten noch raus? Leider war die Rückbesinnung auf
alte Zutaten nach kurzer Zeit wieder weg. Nicht im Stemberg. Trotz einem Stern, eine Oase,
wo die Tradition mit der Moderne kombiniert wird. Wie hat es Walter Stemberg, der Vater
von Sascha, bezeichnet: „Zwei Küchen an einem Herd!“. Sascha sagt: Das ist keine
Marketingstrategie, das ist unsere DNA. Hier leben zwei unterschiedliche Welten – das
Gasthaus mit Schnitzel oder Blutwurst und einem Gourmetrestaurant mit Carabinero, Trüffel
oder Kaviar – oder auch kombiniert! Sascha Sternbergs kompromissloser Qualitätsanspruch
ergibt die gekonnte Kunst zum guten Geschmack, von alt zu modern auf den Tisch zu bringen. Aber lesen sie selbst. Gönnen sie sich dieses Buch und lesen von der Geschichte der
Sternbergs, die in vierter Generation das Gasthaus führen bis hin zur Auszeichnung als bestes
Gasthaus in NRW, der Huldigung an Walter Stemberg zum Gastronomen des Jahres 2020 und
der Sterneauszeichnung. Und lassen sie sich von den über 80 ausgesuchten Rezepten
verführen. Denn nicht jeder hat die Möglichkeit zu Stembergs zu fahren, zumal das Lokal
über Monate ausgebucht ist. Gut, dass es jetzt dieses Buch gibt.
Das ist Glück, Niall Williams
Dies Buch ist wie ein kleiner, gemütlicher und liebenswürdiger Kurzurlaub im letzten Winkel von Irland. Das Dörfchen Faha dürfen wir, wie unsichtbare Voyeure kennenlernen. Es ist Noes Erzählung, die uns Leser mitten in dieses Idyll katapultiert. Noe noch keine zwanzig Jahre alt verbringt einige Zeit in den siebziger Jahren dort bei seinen Großeltern. Der Tod seiner geliebten Mutter hatte ihn nach der Schule ins Priesteramt getrieben. Doch plötzlich ging ihm der Glaube verloren und er muss sich eine Auszeit nehmen, um alles zu überdenken. Obwohl Ganga, der Großvater und Doady, seine Oma, jeden Sonntag wie alle Bewohner Fahas in die Kirche gehen, machen die beiden dem Jungen keinen Druck. Sie setzten eher auf Zeit und das ihr Noe schon die richtige Lösung findet. Außerdem ist es das Jahrzehnt, in dem endlich die Elektrizität auch die letzten Dörfer Irlands erreichen soll. Mit den Masten und Bauarbeitern kommt auch Christy. Ein welterfahrener, älterer Mann, der für das Stromunternehmen arbeitet. Er richtet sich zur Untermiete bei Noes Großeltern ein. Und mit diesem Mann kommt nicht nur eine ganz neue Welt zu Noe, er lernt die Liebe kennen und versteht zum ersten Mal, was Glück bedeutet. Und dass es etwas Magisches ist, das mit Christy ins Dorf kommt, merkt jeder einzelne seiner Dorfbewohner. Denn es hört plötzlich auf zu regnen!
Es ist eine Geschichte die zu Herzen geht, die innere Uhr etwas langsamer ticken lässt und sich voller Humor und Liebenswürdigkeit einem an die Seele schmiegt. Eine Geschichte die nicht viel berichtet, nur das Wichtigste, was man im Leben erfahren kann. Sie sollten dieses Buch nicht verpassen. So verzückt von einem Buch war ich das letzte Mal bei der Bücherdiebin von Markus Zusak. Weiterlesen
Graphic Novel: Thomas Mann 1949
Am 6. Juni 2025 würde Thomas Mann 150 Jahre alt werden. Er war einer der größten deutschen Autoren des Zwanzigsten Jahrhunderts und erhielt 1929 für sein Werk ›Die Buddenbrooks‹ den Literaturnobelpreis. Aber bereits 1933 nach Machtergreifung der Nationalsozialisten musste er während einer Reise emigrieren. Nach verschiedenen Zwischenstationen kam Thomas Mann mit seiner Familie, noch bevor die Nazis ihn in Schutzhaft nehmen konnten in die USA. 1949 kehrt Thomas Mann für eine Reise und um den Goethe Preis entgegen zu nehmen, ins zerbombte Nachkriegsdeutschland zurück. Diese Reise durch Deutschland und nicht durch Zonen, wie Thomas Mann es nannte, ist in dieser Graphic Novel sehr beeindruckend beschrieben. Denn die Illustrationen sowie der Text erfassen den richtigen Ton, wie auch die Stimmung. Denn man weiß aus Manns Tagebucheinträgen und den Reiseberichten, dass es für ihn und seine Frau Katia keine einfache Reise war. Ich habe mich gefragt, was würde Thomas Mann wohl über das heutige Deutschland aber auch über die heutige USA denken?
Die Graphic Novel ist sehr gelungen, sowohl die künstlerische Gestaltung als auch die Texte. Und zum 150 Geburtstag eine Ehrung an den großen deutschen Schriftsteller als auch eine Mahnung die dunkelsten Jahre Deutschlands nie wieder heraufzubeschwören.