Alle Artikel von Elke Rossmann

Film: Freibad, Doris Dörrie, DVD und Blu-ray

Freibad ist ein mittelmäßiger Klamauk, denn sehr viel mehr kann man beim besten Willen nicht in dem Film hineininterpretieren. Bestimmt hatte die Drehbuchautorin und Regisseurin Höheres geplant, doch der Anspruch ging unterwegs etwas verloren. Was eigentlich schade ist, denn das Thema ist super und hätte viel mehr hergeben können. Es hätte eine Satire oder eine zynische Erzählung aus unserer  „Woke-Zeit“ werden können. In der das Wort „Woke“, eigentlich ein Ausdruck, der für das Bewusstsein gegen Rassismus und mangelnder sozialen Gerechtigkeit steht, sich langsam schon zu einem Negativum entwickelt hat. So spult sich ein manchmal witziger Film, der durch seine Schauspieler und nicht unbedingt durch seine Handlung wirkt vor unseren Augen ab. Das einzige Frauenbad Deutschlands wird zur Drehscheibe der Kulturen und vielem mehr. Frauen, die unterschiedlicher  Kultur, Hautfarbe, Geschlechtsidentitäten und vor allem Meinungen sind. Richtig interessant ist es, das sich alle dort im Frauenfreibad über den Nächsten aufregen und manchmal zu Separatitinnen werden. Doch separiert man sie, passt das dann auch nicht.

Dieser Film von Doris Dörrie hat mich nicht überzeugt, aber er ist ein gutes Thema für Diskussionen mit Freunden. Daher sehen Sie ihn sich ruhig an. Er wird bestimmt einen interessanten Diskurs anregen, denn um ihn einfach von der Hand zu weisen, dafür ist er zu brisant. So kam der Film bei den Besprechungen der FAZ und Süddeutschen auch erstaunlich gut davon. Bei beiden Zeitungen hatte ich den Eindruck es war zwar kein Verriss, aber auch ein eher zögerliches Lob, das man zwischen den vielen Zeilen suchen musste.

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Die zweite Entdeckung der Welt, Bettina Schary

Ich hatte schon vorher diese Art Cartoons oder gezeichneten und getexteten Geschichten (Graphic Novels) berühmter Menschen gesehen. Doch ich muss sagen, bisher hat mir noch kein Buch dieses Genre so gut gefallen wie „Die zweite Entdeckung der Welt“ von Bettina Schary. Das hat zwei Gründe. In ihrer Zeichentechnik nutzt sie mal Schwarz-Weiß-Zeichnungen, mal Farbe, mal einen Stil, der an die japanischen Mangas erinnert und dann wieder einen Comic-Stil, der den französischen Abenteuern von Tintin oder Tim und Struppi, wie sie bei uns bekannt sind, ähnelt. Das macht dieses Buch visuell wunderbar interessant. Der zweite Grund ist ihre teilweise Adaption der Geschichte mit heutiger Technik. So nutzen Humboldt und sein Gefährte Smartphones, haben einen Block, der von ihren Fans verfolgt wird und sie fotografieren und telefonieren natürlich. Langsam, runzeln Sie jetzt nicht gleich die Stirn, es ist so geschickt eingebaut, dass es dieser Lebensgeschichte, die ja Mitte des achtzehnten Jahrhunderts anfängt, nichts Verfälschendes anhaftet. Im Gegenteil, mein Interesse für Humboldt war geweckt. Denn ich hatte außer bei dem Buch von Daniel Kehlmann, Die  Vermessung der Welt, nie wirklich Begegnungen, geschweige denn ein Faible für Humboldt. Ganz hervorragend finde ich auch, dass in dieser Graphic Novel die vermutete Homosexualität Alexander von Humboldts ganz natürlich mit eingebaut ist.

Wenn Geschichte so verlockend illustriert und beschrieben wird, dann kann sich jung wie alt daran begeistern und eine Menge lernen. Bravo Frau Schary, ich hoffe, wir sehen noch mehr Lebensgeschichten dieses Genre von Ihnen!

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Der Paria, Anthony Ryan, Auftakt einer Fantasy-Trilogy

Der Paria ist ein 716 Seiten starkes mitreißendes Abenteuer. Jede Seite habe ich genossen und mir am Ende weitere 700 Seiten gewünscht. Anthony Ryan ist ein Virtuose, wenn es darum geht, seine Leser in den Bann zu schlagen. Er entführt uns in eine Art mittelalterliche Welt mit Gesetzeslosen à la Robin Hood, Herzögen und Rittern wie in der Avalon/Arthus-Erzählung und mystischen Völkern mit übernatürlichen Kräften, wie in der viertausend Seiten Dämonensaga, Das Lied der Dunkelheit von Peter van Brett.

Der Lebensgeschichte von Alwyn zu folgen, der als Kind eines Hurenhauses im Wald ausgesetzt wurde und von dem berühmten Deckin, Anführer der größten Räuberbande gefunden wird, ist nicht eine Sekunde langatmig. Dafür sind die Abenteuer, die das kluge Kind Alwyn erlebt und die ihn zu einem verdammt mutigen jungen Mann machen, zu spannend. Mein erstes aber bestimmt nicht letztes Buch von Anthony Ryan, der ein wahrer Meister des Abenteuer- und Fantasiegenres ist. Die Vorfreude auf Band II dieser Trilogie ist bei mir bereits sehr groß!

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Der Geräuschehändler, Kathrin Rohmann, Jule Wellerdiek

Dieses Kinderbuch ist auf jeden Fall ein ideales Vorlesebuch für die Kleinen ab fünf Jahren. Denn Sie ahnen es schon, Geräusche, die man bei diesem Händler kaufen kann, sind wunderbar beim Vorlesen nachzumachen. Und ich kann mir vorstellen, das macht nicht nur Ihrem Kind Spaß. Außerdem ist es eine entzückende Geschichte mit liebevollen und sehr fröhlichen Illustrationen. Als Gutenachtgeschichte ist „Der Geräuschehändler“ geradezu ideal, um den Kleinen wunderbare Träume zu bescheren.

Wieder einmal ein Kinderbuch aus dem Hause Knesebeck, das für Kinder und Eltern die wahre Freude ist.

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Der Mondmann – Blutiges Eis, Fynn Haskin

Der Mondmann ist mein erster Grönland-Thriller. Man weiß ja mittlerweile, dass the meisten eiskalten Thriller aus dem hohen Norden, die Leser vor Spannung gehörig ins Schwitzen bringen. Doch in kältere Gegenden, als zu den Samen war ich geografisch bei Krimis nie gekommen. Umso interessanter war es einen Thriller zu lesen, bei dem es um die Inuit geht, dem Volk die seit viertausend Jahren in Grönland leben. Der Mondmann ist ein sehr spannender Thriller ohne Längen. Es geht Schlag auf Schlag, nachdem die Hauptprotagonisten erst einmal eingeführt sind. Die Morde, die an den indigenen Einwohnern einer kleinen Eisfjord-Bucht-Siedlung in Grönland geschehen sind grausam und auf eine Weise absurd. Schnell geht das Gerücht um, dass ein mystisches Monster der Inuit wieder sein Unwesen treibt. Der mehr oder weniger strafversetzte Profiler Jens Lerby hält das ganze erst einmal für einen Witz, doch das ändert sich rapide, als er die Wesensart der Inuit zu verstehen beginnt. Pally, die Enkelin des ansässigen Schamanen wird ihm eine Partnerin, um den brutalen Mörder zu stellen.

Ein rasanter Thriller, bei dem man die Wesensart und Geschichte der Inuit kennenlernt. Hochinteressant, unterhaltsam und topaktuell! Denn die Gier nach dem schnellen Geld macht auch nicht vor Grönland halt. Ich persönlich freue mich auf die nächste Begegnung mit Lerby und Pally! Weiterlesen

Springstorm, Blühender Verrat, Marie Graßhoff, Jugendbuch ab 14

Es ist eine neue, eine andere und auch gefährlichere Welt in der Cora aufwachsen muss. Vor Jahrzenten öffnete sich in der Nähe des Mondes ein schwarzes Loch und es gelangte außerirdisches Material (Quellfragmente) auf die Erde. Dies hatte bittere Folgen. Viele Menschen starben durch die Strahlung, einige waren immun und es gab die, die durch den Kontakt außergewöhnliche Fähigkeiten entwickelten. Wie es immer mit der Angst vor fremden Dingen ist, man versucht sie zu bekämpfen, anstatt zu verstehen. Die Großstädte fallen, weil das Militär der Menschen gegen die Cosmics, den immunen, befähigten Wesen kämpft. So verliert auch Cora ihre Eltern bei der Zerstörung von Peking. Als endlich eine Art Frieden geschlossen wird und man versucht miteinander zu leben, hat Cora mit ihren vierzehn bereits sieben Jahre einer brutalen und immer wieder todbringenden Kindheit hinter sich. Obwohl sie eine Immune ist, hat sich bei ihr nie eine Fähigkeit entwickelt, dennoch ist es ihr größter Traum, auf die Universität der Cosmics zu gehen. Dort wo Geist und Körper perfekt vorbereitet werden, um der Erde zu helfen. Eines Tages öffnet die Hochschule ihre Pforte für Menschen. Überlebst du den Test, kannst du Student werden, lautet die Parole und Cora versucht es.

Ein Fantasiejugendbuch, das sich durch eine sehr detaillierte Erschaffung einer völlig neuen Welt hervortut. Einer brandgefährlichen Welt, die mit ihren Quellwäldern aber wunderschön ist. Etwas von Harry Potter, etwas von den Tributen von Panem und hier und da Scholomance. Definitiv ein Konzept das funktioniert und ein perfektes Jugend-Fantasie-Buch abgibt. Ich bin gespannt sehr gespannt auf den nächsten Band dieses Zweiteilers.

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Tausche zwei Hitler gegen eine Marilyn, Adam Andrusier

Adam Andrusier erzählt die Geschichte seines Aufwachsens in seiner Londoner Familie. In den achtziger Jahren wird er, genannt Doobs, als jüngerer Sohn einer jüdischen Familie geboren. Und dann erfährt man von seinen entrückten, manchmal verrückten Vater mit sehr eigenartigen Hobbys, wie zum Beispiel der Liebe zum israelischen Volkstanz. Einer schweigsamen, unglücklichen Mutter ohne Lebenslust, die in ihrer Ehe völlig fehl am Platz ist. Den Großeltern, die vor den Nazis aus den Tschechischen Gebieten flohen und alle  ihre Verwandten im KZ verloren und Oma Lilly, dem Schrecken aller Söhne und Ehemänner. Doobs sitzt zwischen allen Stühlen, begreift das Leben durch die Autogrammkarten, die er sammelt und betrachtet dabei seine irrwitzige Familie. Er beschreibt sie mit einer fast liebevollen Selbstironie, sodass man manchmal vergisst, wie anstrengend und einengend solche ein Familiendrama sein kann.

Ein komödiantisches Drama oder eine dramatische  Komödie? Auf jeden Fall ist das Buch urkomisch, voller Selbstironie und mit einem scharfen Blick auf fanatische Sammler, abgezockte Händler, ungeeignete Väter, kraftlose Mütter und dem ganz normalen Wahnsinn einer Familie. Um es mit Ephraim Kishon zu sagen: „Humor ist einer ernste Sache.“

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Kälte, Tom Rob Smith

Tom Rob Smith, der mit Kind 44, Kolyma und Agent 6 drei erstklassige russische Thriller der Stalinzeit hingelegt hat und zum internationalen Bestsellerautor aufstieg, wagt sich mit »Kälte« an einen Endzeitroman mit Sci-Fi-Charakter heran. Ich war erst skeptisch, doch Smith ist einfach ein genialer Erzähler und damit auch genreübergreifend in seinem Schreibstil authentisch und fesselnd. Mich hat das Buch sehr stark an »Der Schwarm« von Frank Schätzing aus dem Jahr 2004 erinnert. Und viele wissen noch, dass »Der Schwarm« einigen Menschen das Leben rettete, als Schätzings Vision eines Tsunamis dann im Dezember 2004 Thailand und Indonesien überrollte. So hoffe ich, dass Tom Rob Smith Roman »Kälte« uns nicht im realen Leben mit Außerirdischen konfrontiert, die uns dreißig Tage geben, um die Antarktis zu erreichen.

Ich war bereits bei den ersten Worten der Geschichte gefesselt. Eine einleuchtende gute Erzählung, die nur am Ende ein wenig zu schnell abgehandelt wurde. Dort hätten weitere hundert Seiten dem Roman gutgetan. Es sei denn, der Autor plant einen zweiten Band. Alles möglich, denn die Antarktis ist groß, kalt und hat noch viel zu bieten!

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Hühner, alles zur artgerechten Haltung, Pflege und Nachzucht, Jacob Eggenhofer

Ich habe ein Reihenhaus und einen entsprechend kleinen Garten hinterm Haus. Hühner? Wie komme ich eigentlich darauf? Doch schon beim letzten Wanderurlaub im Salzkammergut, blickte ich sehnsüchtig auf die kleinen Zwerghühner, die der Almbauer dort hielt. Und dann fiel mir auf der letzten Buchmesse dieses wunderbare, so motivierende Buch mit dem Titel „Hühner“ in die Hand. Man merkt einfach die Leidenschaft des Autors für die gefiederten Freunde. Es ist wirklich das große ABC der Hühner für den Garten. Und so habe ich mich anstecken lassen und fange gerade an zu recherchieren, ob ich es wagen soll. Immerhin mit einer Nachbarin habe ich schon gesprochen und die war hellauf begeistert. Sie liebe Hühner und ihr Hund wird sich schon daran gewöhnen. Und frische Eier überzeugen vielleicht den anderen Nachbarn.

Kein Wunder, dass dieses Sachbuch über Hühner den dritten Platz des deutschen Gartenbuchpreises gemacht hat. Geballtes Wissen über die geflügelten Schönheiten mit Tipps und Tricks und einer Menge toller Fotografien. Vorsicht mit dem Buch, sonst geht es Ihnen wie mir, ich gehe demnächst zum Geflügelzuchtverein und sehe mir mal meine zukünftigen Hühnchen an.

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Rotwild, Maria Grund, Thrillerserie Teil II

Rotwild ist der zweite Band um die Polizistinnen Sanna und Eir, die auf einer Insel an der schwedischen Küste ermitteln. Das Debüt Fuchsmädchen wurde wohlverdient gelobt und führte uns bereits in die hochinteressanten, wenn auch schwierigen Charaktere der beiden Ermittlerinnen ein. Rotwild hat mir noch einen Tick besser gefallen als der erste Band, denn er beschäftigt sich mit der Verrohung der Menschen in Zeiten, in denen viele die Hoffnung auf Frieden in der Welt verloren glauben. Daher schafft die Autorin auch einen politischen Hintergrund, der eher fiktiv ist und nicht klar geschildert. Sie spricht immer wieder von den Aufständen der Bürger auf dem Kontinent, von brennenden Häusern, bezieht sich aber nicht explizit auf den Russland-Ukraine-Krieg. Jedoch ist der Hintergrund, der zum Verfalls menschlicher Moral und gesellschaftlichen Miteinanders notwendigerweise führt, beschrieben, um die Geschichte verständlich zu machen. Denn wer könnte sonst die Motive der mordenden, kaltschnäuzigen Gruppierungen nachvollziehen, hinter denen Eir und Sanna dieses Mal her sind. Und zu guter Letzt ist da auch noch die nicht ganz geklärte Geschichte von Jack Abrahamsson, dem psychopathischen jugendlichen Mörder vom ersten Band.

Ich habe einige Rezensionen gelesen und war erstaunt, dass Rotwild nicht so viel Anklang bekam wie Fuchsmädchen. Ich sehe es genau anders herum. Rotwild übertrifft seinen Vorgänger um Längen. Wo Fuchsmädchen ein reiner Thriller war, ist Rotwild viel mehr. Es ist immer noch ein super Thriller, aber auch eine Sozialstudie darüber, wie verängstigte Erwachsene und verrohte Jugendliche eine Gesellschaft ins Chaos stürzen können.  Weiterlesen