Tom Rob Smith, der mit Kind 44, Kolyma und Agent 6 drei erstklassige russische Thriller der Stalinzeit hingelegt hat und zum internationalen Bestsellerautor aufstieg, wagt sich mit »Kälte« an einen Endzeitroman mit Sci-Fi-Charakter heran. Ich war erst skeptisch, doch Smith ist einfach ein genialer Erzähler und damit auch genreübergreifend in seinem Schreibstil authentisch und fesselnd. Mich hat das Buch sehr stark an »Der Schwarm« von Frank Schätzing aus dem Jahr 2004 erinnert. Und viele wissen noch, dass »Der Schwarm« einigen Menschen das Leben rettete, als Schätzings Vision eines Tsunamis dann im Dezember 2004 Thailand und Indonesien überrollte. So hoffe ich, dass Tom Rob Smith Roman »Kälte« uns nicht im realen Leben mit Außerirdischen konfrontiert, die uns dreißig Tage geben, um die Antarktis zu erreichen.
Ich war bereits bei den ersten Worten der Geschichte gefesselt. Eine einleuchtende gute Erzählung, die nur am Ende ein wenig zu schnell abgehandelt wurde. Dort hätten weitere hundert Seiten dem Roman gutgetan. Es sei denn, der Autor plant einen zweiten Band. Alles möglich, denn die Antarktis ist groß, kalt und hat noch viel zu bieten!
Autorenfoto: Copyright ® James Hopkirk
Tom Rob Smith wurde 1979 als Sohn einer schwedischen Mutter und eines englischen Vaters in London geboren, wo er auch heute noch lebt. Er studierte in Cambridge und Italien und arbeitete anschließend als Drehbuchautor. Mit seinem Debüt »Kind 44« gelang Tom Rob Smith auf Anhieb ein internationaler Bestseller. Der in der Stalin-Ära angesiedelte Thriller basiert auf dem wahren Fall des Serienkillers Andrej Chikatilo und wurde u. a. mit dem »Steel Dagger« ausgezeichnet, für den »Man Booker Prize« nominiert und bisher in dreißig Sprachen übersetzt. Nach »Kind 44« und »Kolyma« schloss der Autor seine Trilogie um den Geheimdienstoffizier Leo Demidow mit dem Roman „Agent 6“ ab.
Liza, ihre jüngere Schwester und die Eltern sind eine typische amerikanische Familie der gehobenen Klasse. Erfolgreich und gut situiert studiert Liza Medizin. Während ihrer großen Europareise passiert dann das Unbegreifliche. Raumschiffe erscheinen nicht nur über Lissabon, sondern überall auf der Welt und verbreiten nur eine Botschaft: Ihr habt dreißig Tage um die Antarktis zu erreichen. Die Menschen reagieren ungläubig, panisch, rücksichtslos und die meisten sind einfach verloren. Ausgerechnet Atto, der Sohn eines portugiesischen Fischers rettet die vier Amerikaner, weil er sich in Liza verliebt hat. Mit dem kleinen Fischerboot der Familie beginnt die Fahrt ins tödliche Eis. Der Kampf um auf einen größeren Tanker zu kommen ist unmenschlich und brutal wird die Familie auseinandergerissen. Doch für welch einen Preis? Als Liza und Atto wahrhaft das Festland der Antarktis erreichen, werden sie Zeugen des größten Massenmords der Geschichte. Alle Menschen, die nicht mit beiden Beinen in der Antarktis stehen, verglimmen zu Staub und Asche. Wenige Tausend haben es geschafft in die menschenfeindlichste Gegend der Erde und sie müssen akzeptieren, es gibt kein zurück. Eis, Kälte und Dunkelheit bestimmen ihr neues Leben.
Doch die menschliche Rasse hat es in ihren Genen. Sie strebt immer nach Anpassung und Überleben, ohne Rücksicht auf Verluste. So wird versucht kälteresistente Wesen gentechnisch zu züchten, die in der Lage sind, den Menschen im ewigen Eis zu helfen und zu dienen. Ein Experiment, das zwangsläufig schief gehen muss und bei dem man sich eigentlich hätte fragen müssen, ob nicht genau dieses Verhalten die Menschheit zur Strafe in die Antarktis gebracht hat.
Guter Sci-Fi mit Nuancen von Fantasie und Abenteuer, der sich hochspannend liest.
Kälte, Tom Rob Smith, Heyne, gebundenes Buch, 464 Seiten, ISBN: 978-3-453-27413-6, Euro 22,00. Erschienen 12.04.2023. Aus dem Englischen von Michael Pfingstl.