Der Paria, Anthony Ryan, Auftakt einer Fantasy-Trilogy

Der Paria ist ein 716 Seiten starkes mitreißendes Abenteuer. Jede Seite habe ich genossen und mir am Ende weitere 700 Seiten gewünscht. Anthony Ryan ist ein Virtuose, wenn es darum geht, seine Leser in den Bann zu schlagen. Er entführt uns in eine Art mittelalterliche Welt mit Gesetzeslosen à la Robin Hood, Herzögen und Rittern wie in der Avalon/Arthus-Erzählung und mystischen Völkern mit übernatürlichen Kräften, wie in der viertausend Seiten Dämonensaga, Das Lied der Dunkelheit von Peter van Brett.

Der Lebensgeschichte von Alwyn zu folgen, der als Kind eines Hurenhauses im Wald ausgesetzt wurde und von dem berühmten Deckin, Anführer der größten Räuberbande gefunden wird, ist nicht eine Sekunde langatmig. Dafür sind die Abenteuer, die das kluge Kind Alwyn erlebt und die ihn zu einem verdammt mutigen jungen Mann machen, zu spannend. Mein erstes aber bestimmt nicht letztes Buch von Anthony Ryan, der ein wahrer Meister des Abenteuer- und Fantasiegenres ist. Die Vorfreude auf Band II dieser Trilogie ist bei mir bereits sehr groß!

Autorenfoto: Copyright ® Ellie Grace Photography

Anthony Ryan ist New York Times-Bestsellerautor. Aus seiner Feder stammen die Rabenschatten-Romane: »Das Lied des Blutes«, »Der Herr des Turmes« und »Die Königin der Flammen«. Außerdem verfasste er die Draconis Memoria-Serie. Anthony Ryan lebt in London, wo er an seinem nächsten Buch arbeitet.

Tyrannische Könige, gierige Herzöge und der pure Überlebenskampf der Bauern und Bettler, machen Alwyns Kindheit zu einem tödlichen Unterfangen. Auch wenn er unter den Gesetzlosen im Wald der Shavine-Marschen eine Art Familie gefunden hat. Es ist eine Familie, in der jeder ihm ein Messer in die Kehle sticht, sobald er einen Vorteil darin sieht. Und da er der Liebling des sagenumwobenen Deckin, dem Anführer und seiner Partnerin Lorine ist, bringt das Alwyn nicht nur Vorteile. Neid, Gier, Hass und die pure Mordlust zwingen den Jungen schon früh, die Menschen zu beobachten, zu lesen und ein Gefühl für Lüge und unterdrückte Emotionen zu entwickeln. Zumal besitzt Alwyn eine Gabe, die nur wenige dieser Gauner kennen, er ist überaus intelligent. Nur wie viele Jünglinge ist er auch heißblütig und unvorsichtig. Als die Bande in eine Falle gelockt wird, überlebt er wie durch ein Wunder, um nur Stunden später fast gelyncht zu werden. Vom schnellen Tod am Seil gerettet, verschlägt ihn das Schicksal jedoch in die Erzminen, die nur ein langsameres Dahinsiechen versprechen. Dort begegnet er das erste Mal den Lehren des Bundes, eine Religion, die ihre Märtyrer zu tiefst verehrt. Es ist die Aszendentin Sihlda, eine glaubensstarke Frau, die zu Unrecht in die Minen verbannt wurde, die ihn unter ihre Fittiche nimmt. Sie lehrt ihn nicht nur das Lesen, Schreiben und Rechen, sie weckt in ihm das logische Denken, einen Blick für Zusammenhänge und die Neugier Dinge zu hinterfragen. Mit einem geschärfteren Geist ausgestattet, flieht er aus den Minen und landet dieses Mal unberechtigterweise des Mordes angeklagt bei den Soldaten. So zieht er in eine blutrünstige Schlacht für einen Glauben, der ihm völlig egal ist.

Ein grandioses Meisterwerk, das allein durch seine Sprache wunderbar zu lesen ist. Was wahrscheinlich auch einer grandiosen Übersetzung aus dem Englischen geschuldet ist. So fängt der erste Teil einer außergewöhnlichen Abenteuer-Geschichte, deren fantastische Welt so lebensnah ist, wie auch Tolkien es in seinem Herr der Ringe ersonnen hat, mit einem bitteren aber fast poetischen Satz an, der sich dann auf der letzten Seite wiederfindet:

„Bevor ich jemanden umbrachte, fand ich es immer beruhigend die Bäume anzuschauen.“

Der Paria, Anthony Ryan, Hobbit Press Klett Cotta, gebundenes Buch, Seiten 720, ISBN: 978-3-608-98091-2, Euro 26,00. Erschienen 18.02.2023. Aus dem Englischen von Sara Riffel.