Wir, die Generation der Eltern können bei der Lektüre dieses Büchlein nur aus voller Brust zustimmen: so ist es. Wenn wir nun gedacht haben, dass das Leben nach der Geburt unserer Kinder in ruhigeren Bahnen verläuft, haben wir einen gravierenden Irrtum begangen. Aus den süßen Kleinen werden Menschen deren Ansprüche uns gegenüber manchmal ins schier unmögliche Anwachsen und mindestens ein Magengeschwür verursachen. Der einstmals verlachte Spruch meiner Mutter: kleine Kinder kleine Sorgen, große Kinder große Sorgen hat sich in den Familien, die Jan Weiler in seinem Buch veröffentlicht hat, bewahrheitet. Das kleine Bändchen ist voll von Geschichten die man nur äußerstem Humor nehmen kann ohne zu verzweifeln. Weiterlesen
Kategorie: Buchbesprechungen
Die Kriminalistinnen, Tod eines Blumenmädchens, Mathias Berg
Die Anfänge der Frauen bei der Kripo im Jahr 1969. Selbst Weltbestsellerautorin Karin Slaughter hat den Anfänger der Polizistinnen in Atlanta einmal ein sehr spannendes Buch gewidmet. Jetzt tut das Mathias Berg mit dem ersten Teil seiner Kriminalistinnen in Düsseldorf. Sechs Frauen, die eine Ausbildung zur Kriminalistin durchlaufen, in Zeiten, in denen Ehemänner noch dem Berufswunsch und dem Geldverdienen ihrer Ehefrauen zustimmen mussten. Zeiten in denen Frauen des Mannes Zierde, oft nur Gebärmaschinen waren und nicht gerade mit Respekt von vielen Männern behandelt wurden. Besonders schwer war es bei der Kripo, denn der alte Zeitgeist beherrschte weiterhin die Exekutive. Mathias Berg erzählt seine Geschichte aus dem Blickwinkel von Lucia, die es unbedingt schaffen und mit Hartnäckigkeit und Brillanz den Mord an dem Hippie-Mädchen Lena aufklären will. Dabei ist der Autor sehr feinfühlig, was diese sechs Frauen angeht und trifft die Stimmung und den Zeitgeist mit dem Nagel auf den Kopf.
Ein spannender Krimi und eine tolle Geschichte über Emanzipation von Frauen in den Sechzigern, die den Leser in eine atmosphärisch dichte Zeit katapultiert, die bis ins kleinste Detail glaubhaft und mitreißend beschrieben ist. Ein toller erster Teil Herr Berg, wir hoffen, das ist nur der Anfang!
Jeremy Pang, School of Wok, Einfache Asia-Rezepte
Auf dem Umschlag steht der lustige und einladende Satz: „Schneller gekocht als geliefert!“ Eine inspirierende Einladung zu diesem Buch WOK-Schule. Als ich, als ausgebildeter Jungkoch die erstens Woks gesehen hatte, konnte ich mit der Halbkugelform wenig anfangen. Mir fehlte einfach die Bratfläche. Ohne besseres Wissen habe ich die Dinger, meine damalige arrogante Bezeichnung, abgelehnt. Doch blieb im Hinterkopf immer ein Interesse daran, wie machen die chinesischen Köche das? Das mit den äußerst schnellen Gerichten. Damals gab es gerade einen Boom von China-Restaurants. Andere asiatische Länder gab es noch gar nicht. Erst nach einem Besuch in der Südsee, wo ein Mongolen-Grill aufgebaut war, bekam ich den richtigen Einblick. An einem Mongolen-Grill stehen alle Zutaten von Fisch, Fleisch, verschiedene Gemüse, Reis und Nudel zur Selbstbedienung bereit. Man wählt seine Zutaten aus und gibt sie dem Koch am Wok und vor einem wird sein Gericht im Wok zubereitet. Man wählt noch seine Sauce-Geschmacksrichtung dazu und fertig. Durch diese Nähe und die direkte Zubereitung konnte ich erkennen, was im Wok passiert. Die für mich fehlende Bratfläche ist der Rand. Denn das Feuer geht am hohen Rand hoch. Die eventuell anfallende Flüssigkeit, die man beim Braten nicht braucht, sogar nicht haben will sammelt sich in der Mulde. Ich glaube, ich bin bestimmt fünfmal zum Grill gegangen und habe mir immer ein neues Gericht bereiten lassen. Von da an gehört der Wok zu meiner Kücheneinrichtung. Keine Angst, sie benötigen heute keinen Gasherd mehr. Es gibt jetzt Pfannen, die wie Woks aufgebaut sind und auf dem Elektroherd wunderbar funktionieren. Oder das Highlight sind Induktionswok-Mulden. Jetzt dazu dienen die Rezepte von Jeremy Pang aus seiner „School of Wok“.
Leonardo Padura: Wie Staub im Wind
Es ist meine erste Begegnung mit Leonardo Padura und über Kuba wusste ich auch nur das übliche: Castro, Zigarren, Rum und Rumba. Dieses Buch ändert das, denn die Geschichte des Autors zeigt ein sehr differenziertes, lebendiges Bild von Kuba und die Liebe des Autors zu seiner Heimat ist spürbar. Es ist fesselnd, wie die Geschichte die Gesellschaft und das Leben in Kuba in all seiner Komplexität widerspiegelt; von den verlorenen Illusionen, Widersprüchen, den Vor- und Nachteilen des Lebens auf der Insel erzählt und mit einer kritischen, etwas traurigen Haltung, aber auch Liebe für die Menschen und ihre Bestrebungen, begleitet. Dabei thematisiert Padura stets die kubanische Diaspora. In diesem Roman schildert er das Leben einer Gruppe von Freunden (des Clans) und wie sie, obwohl aus verschiedenen Gründen in alle Winde verstreut, den Weiterlesen
Die zweite Entdeckung der Welt, Bettina Schary
Ich hatte schon vorher diese Art Cartoons oder gezeichneten und getexteten Geschichten (Graphic Novels) berühmter Menschen gesehen. Doch ich muss sagen, bisher hat mir noch kein Buch dieses Genre so gut gefallen wie „Die zweite Entdeckung der Welt“ von Bettina Schary. Das hat zwei Gründe. In ihrer Zeichentechnik nutzt sie mal Schwarz-Weiß-Zeichnungen, mal Farbe, mal einen Stil, der an die japanischen Mangas erinnert und dann wieder einen Comic-Stil, der den französischen Abenteuern von Tintin oder Tim und Struppi, wie sie bei uns bekannt sind, ähnelt. Das macht dieses Buch visuell wunderbar interessant. Der zweite Grund ist ihre teilweise Adaption der Geschichte mit heutiger Technik. So nutzen Humboldt und sein Gefährte Smartphones, haben einen Block, der von ihren Fans verfolgt wird und sie fotografieren und telefonieren natürlich. Langsam, runzeln Sie jetzt nicht gleich die Stirn, es ist so geschickt eingebaut, dass es dieser Lebensgeschichte, die ja Mitte des achtzehnten Jahrhunderts anfängt, nichts Verfälschendes anhaftet. Im Gegenteil, mein Interesse für Humboldt war geweckt. Denn ich hatte außer bei dem Buch von Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt, nie wirklich Begegnungen, geschweige denn ein Faible für Humboldt. Ganz hervorragend finde ich auch, dass in dieser Graphic Novel die vermutete Homosexualität Alexander von Humboldts ganz natürlich mit eingebaut ist.
Wenn Geschichte so verlockend illustriert und beschrieben wird, dann kann sich jung wie alt daran begeistern und eine Menge lernen. Bravo Frau Schary, ich hoffe, wir sehen noch mehr Lebensgeschichten dieses Genre von Ihnen!
Tim Sullivan, Der Kriminalist, Der erste Fall für Detective Cross
Was man zu diesem Buch wissen muss „Asperger-Syndrom“. Das Asperger-Syndrom ist eine nach dem Kinderarzt Hans Asperger benannte Variante des Autismus. Merkmale sind Besonderheiten und Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie Unterschiede in der Wahrnehmung und Reizverarbeitung, insbesondere sensorische Über- oder Unterempfindlichkeiten. Beeinträchtigt ist vor allem die Fähigkeit analoge Kommunikation wie Gestik, Mimik, Blickkontakt bei anderen Personen auszuwerten oder selbst auszusenden. Das Verhalten von Asperger-Autisten wirkt daher merkwürdig auf andere Personen. Die Intelligenz ist in den meisten Fällen normal ausgeprägt. Doch wird ihr Verhalten von anderen als wunderlich angesehen. Das Asperger-Syndrom kann sogar mit Stärken verbunden sein, etwa in den Bereichen der objektiven, nicht emotionalen Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit und der Gedächtnisleistung. Tim Sullivans Auftaktkrimi für seine neue Krimireihe mit einem Kommissar mir Asperger-Syndrom finde ich sehr mutig und gewagt. Doch nach der Lektüre muss ich mich eines Besseren revidieren und habe große Hochachtung vor Tim Sullivan.
Der Paria, Anthony Ryan, Auftakt einer Fantasy-Trilogy
Der Paria ist ein 716 Seiten starkes mitreißendes Abenteuer. Jede Seite habe ich genossen und mir am Ende weitere 700 Seiten gewünscht. Anthony Ryan ist ein Virtuose, wenn es darum geht, seine Leser in den Bann zu schlagen. Er entführt uns in eine Art mittelalterliche Welt mit Gesetzeslosen à la Robin Hood, Herzögen und Rittern wie in der Avalon/Arthus-Erzählung und mystischen Völkern mit übernatürlichen Kräften, wie in der viertausend Seiten Dämonensaga, Das Lied der Dunkelheit von Peter van Brett.
Der Lebensgeschichte von Alwyn zu folgen, der als Kind eines Hurenhauses im Wald ausgesetzt wurde und von dem berühmten Deckin, Anführer der größten Räuberbande gefunden wird, ist nicht eine Sekunde langatmig. Dafür sind die Abenteuer, die das kluge Kind Alwyn erlebt und die ihn zu einem verdammt mutigen jungen Mann machen, zu spannend. Mein erstes aber bestimmt nicht letztes Buch von Anthony Ryan, der ein wahrer Meister des Abenteuer- und Fantasiegenres ist. Die Vorfreude auf Band II dieser Trilogie ist bei mir bereits sehr groß!
Javier Marías: Tomás Nevinson
Ich benötigte mehr als 2 Wochen und „Zeit und Ruhe“ für Javier Marías letzten Roman. Und auch wenn der Roman im Thriller/Spionage Milieu angesiedelt ist, liest er sich nicht wie ein Blockbuster. Es gibt keine Verfolgungsjagden, wenig bis gar keinen Sex und Gewalt. Die Handlung, so wie sie ist, spielt sich hauptsächlich im Kopf des Erzählers ab. Der Protagonist, Tomás Nevinson hat sein Erwachsenenalter damit verbracht, ein Leben der List und Täuschung zu führen, was die Annahme zahlreicher Decknamen erforderlich machte. Jetzt, in seinen 60ern, blickt er zurück und überlegt, ob sich all dies gelohnt hat. Nevinson ist ein intelligenter Mann; belesen, kulturell vielseitig, introspektiv, nachdenklich, sensibel. Er kann aus dem Gedächtnis – und mehr oder weniger genau – Shakespeare, TS Eliot, Wilfred Owen, WB Yeats und viele mehr zitieren. Was ihn von der ersten bis zur letzten Weiterlesen
Alex Simon: Goldtod, Ein historischer Krimi aus der Kaiserzeit
Im Band zwei der historischen Kriminalromane zwei Kleinkriminellen Gabriel Landow und seinen einarmige Kompagnon Orsini haben sie es mit hochgestellten Persönlichkeiten zu tun bei denen die Angst umgeht. Bankiers werden auf extremere Art und Weise ist Jenseits befördert. Berlin um die Jahrtausendwende beneidet Paris wegen der Weltausstellung die 1900 stattfinden soll. Das Deutsche Reich unternimmt gerade einen Quantenspung in der Modernisierung der Infrastruktur; Telefonkabel und Kanalisation werden erneuert. Bürokratie und Obrigkeitsdenken sind aber fest verankert zumal sich das Reich auf der Seite der Kolonialmächte befindet und die “Mitbringsel“ in Theatervorstellungen der Öffentlichkeit präsentiert. Weiterlesen
Der Geräuschehändler, Kathrin Rohmann, Jule Wellerdiek
Dieses Kinderbuch ist auf jeden Fall ein ideales Vorlesebuch für die Kleinen ab fünf Jahren. Denn Sie ahnen es schon, Geräusche, die man bei diesem Händler kaufen kann, sind wunderbar beim Vorlesen nachzumachen. Und ich kann mir vorstellen, das macht nicht nur Ihrem Kind Spaß. Außerdem ist es eine entzückende Geschichte mit liebevollen und sehr fröhlichen Illustrationen. Als Gutenachtgeschichte ist „Der Geräuschehändler“ geradezu ideal, um den Kleinen wunderbare Träume zu bescheren.
Wieder einmal ein Kinderbuch aus dem Hause Knesebeck, das für Kinder und Eltern die wahre Freude ist.