Es ist meine erste literarische Begegnung mit dem Autor und schon auf der ersten Seite hat er mich sprachlich und stilistisch gepackt. Die Geschichte und die Personen werden DAS Sahnehäubchen sein. Und ich habe mich nicht getäuscht. Supino schreibt flott und spannend, dazu sehr bildhaft. Ich sehe die Gruppen von Männern, die in den Straßen sitzen und sich unterhalten genauso vor mir wie die Stadtteile und Häuser, in die die Suche nach Antonio Esposito, genannt O`Nirone, uns – den Ich-Erzähler und mich – führt. Durch den Ich-Erzähler verstärkt sich der Eindruck, dass dieser neue Roman autobiografische Züge trägt. Bei allem Lokalkolorit sollte man sich nicht täuschen: hier geht es nicht um Mafiafolklore á la Hollywood, sondern der Untergang der Camorrafamilie wird aus Weiterlesen
Alle Artikel von Angela Perez
Guy Stern: Wir sind nur noch wenige
Die meisten Leser: innen kennen „Das Tagebuch der Anne Frank“ und wissen um ihr Schicksal. Weniger bekannt hingegen ist, dass etwa 9000 junge Emigranten aus Deutschland und Österreich, meist Juden, die in den USA eine neue Heimat gefunden hatten, während des Zweiten Weltkrieges in einem Ausbildungszentrum der United States Army, genannt Camp Ritchie, von der Feldnachrichtentruppe der US Army, ausgebildet wurden. Unter den sogenannten Ritchie-Boys waren viele bekannte Persönlichkeiten wie Stefan Heym, Hans Habe, Hanus Burger, Georg Kreisler und – Guy Stern. Sehr spät – mit fast einhundert Jahren – erinnert sich Stern und erzählt aus seinem langen, facettenreichen Leben. Er erinnert seine Kindheit in seiner Heimatstadt Hildesheim. Er überlebt als einziger seiner Weiterlesen
Fran Littlewood: Die unglaubliche Grace Adams
Seitdem die ersten Autorinnen und Filmemacherinnen das tabuisierte Thema Menopause erfolgreich behandelt haben, ist der Damm gebrochen und der Weg zu einer Auseinandersetzung freigemacht. Das Thema ist – ich wage es zu sagen – heiß. So heiß, dass der Verlag HarperCollins letztes Jahr verkündete, sie würden proaktiv nach Geschichten suchen, die weibliche Erfahrungen reflektieren und Frauen in der Menopause als smarte, witzige, starke, emanzipierte Charaktere, die hocherhobenen Hauptes gehen und kämpfen, porträtieren. Und ja Grace, du bist ganz sicher eine Kämpferin, witzig, unvergesslich und ziemlich unglaublich, wie vermutlich auch deine geistige Mutter, Fran Littlewood, die mich mit ihrem Debütroman völlig überzeugt. Weiterlesen
Felix Francis: Hindernis
Mit 70 Jahren und 8 Solo-Kriminalromanen, veröffentlicht seit dem Tod seines Vaters Dick Francis 2010, hat sich Felix Francis längst freigeschwommen und es bedarf nicht mehr der Erwähnung seines krimischreibenden Vaters. Bedenken, dass der im Pferderennmilieu angesiedelte Krimi durch zu viel Fachjargon vielleicht zu einseitig ist, können leicht zerstreut werden. Es bedarf keiner Vorkenntnisse, um die Geschichte zu verstehen und zu genießen. Denn: unglücklicherweise – wie ich – hat der Protagonist, Anwalt und Krisenmanager Harrison „Harrry“ Foster, auch gar keine Ahnung vom Pferderennsport und muss sich schnellstens das 1 x 1 des Sports aneignen und so lernen Leser und Protagonist zusammen die hinlänglich erklärten Aspekte des Rennsports. Dieser Kriminalroman ist Weiterlesen
Ute Mank: Elternhaus
Es geht in Ute Manks Roman um Beziehungen: Eltern-Kinder-Beziehungen, Geschwisterbeziehungen, Partnerbeziehungen und darum, welche Auswirkung eine Entscheidung innerhalb eines Familiengeflechts auf jedes einzelne Familienmitglied hat und welche Veränderungen damit einhergehen. Mank behandelt diese Themen mit viel Umsicht und einem hohen Maß an Sensibilität. Sie urteilt nicht und hat für jeden Charakter Sympathie und für sein Handeln Verständnis. Ich habe das Gefühl, die Protagonisten zu kennen, sehe sie direkt vor mir und bin von ihnen berührt. Die Autorin erzählt zwar gerade und schnörkellos, aber mit dem Blick auf Details und Nuancen sehr bildhaft und transportiert viel Gefühl. Die einzelnen Themen sind fein herausgearbeitet und es ist beeindruckend, wie sie im Weiterlesen
Anna Jessen: Traumfrauen. Petticoat und große Freiheit
Der 1. Teil von Anna Jessens neuem Zweiteiler ist eine Hommage an die Generation Frauen, wie unsere Großmütter und Mütter, die nach dem 2. Weltkrieg durchstarteten und ihren Weg – privat und beruflich – gingen. Gleichzeitig ist es eine Hommage an den Lebensstil der Hansestadt Hamburg in den 50er Jahren. Es ist eine Verbeugung vor der Emanzipation dieser Frauen und deren Forderung nach Gleichstellung. Wohl wissend, dass sie mehr als nur ihr Wissen und Können einsetzen mussten. „Tricksen und Schummeln“ hat die Protagonistin Klara Paulsen als Kind auf dem Schwarzmarkt gelernt. Und diese „Schule“ erweist sich immer wieder als hilfreich. Anna Jessen schreibt mit Herzblut, ist mittendrin, mehr die Chronistin, als die Autorin Weiterlesen
Saralisa Volm: Das ewige Ungenügend
Im Oktober 2022 habe ich an dieser Stelle das Buch Hätte ich Dein Gesicht von Frances Cha vorgestellt und gedacht, gut, das ist Korea, bei uns in good old Germany ist die Welt noch in Ordnung. Saralisa Volm lehrt mich eines Besseren. Sie „kotzt“ sich aus: in ihrer Jugend, als sie unter Bulimie leidet, heute, wo sie ihre Wut auf das Establishment, das Patriarchat, den Schönheitswahn, den Kapitalismus (keine Sorge, sie steht nicht in Verdacht ihn abschaffen zu wollen) oder „die Erwartungshaltungen an unseren Körper“ rauslässt. Volms Kritik und Gegner sind hinlänglich bekannt. Ein Unterschied zu anderen Veröffentlichungen ist, dass sie dabei erfrischend ehrlich und mutig ist – auch wenn es persönlich wird. Bisweilen, für meinen Geschmack, wird es etwas zu ausführlich, wenn Weiterlesen
Klaus-Peter Wolf: Ostfriesen Spiel

Wir haben keine Erfahrung mit Escape Spielen, sind aber neugierig und vor allem Fans des Autors. Zur Unterstützung laden wir uns 2 Freunde ein, stellen Nervennahrung und Getränke bereit und los kann’s gehen. Ernsthaft? Laut Beschreibung handelt es sich um einen interaktiven Krimi für 1-5 Spieler:innen ab 12 Jahren. Die 50 interaktiven Rätselkarten sind in einer praktischen Kartenbox, einem klimaneutralen Produkt, die Haptik stimmt und die aufwendig gestalteten Karten sind ansprechend. Es gibt Tipps als Hilfestellungen und die Spielzeit beträgt ca. 45-90 Minuten. Da man es mehrfach spielen kann – vielleicht mit Weiterlesen
Sofia Lundberg: Der Weg nach Hause
Sofia Lundbergs Roman Der Weg nach Hause ist eine Geschichte, die einem noch lange in Erinnerung bleibt, nachdem man das Buch aus der Hand legt. Die Geschichte von Lilly und Viola ist sowohl nachvollziehbar als auch distanziert. Weit verbreitete Klassenunterschiede, Coca-Cola als Neuheit und Tanzflächen füllen die Seiten ebenso wie unglückliche Liebeleien, Kneipenleben und die Sehnsucht, erwachsen zu werden. Viola wächst als Einzelkind in einem wohlhabenden Zuhause auf, wo sie von Erwachsenen umgeben ist, die Zeit für sie haben. Lilly wächst mit ihren Geschwistern und einem Vater auf, der Kinder liebt, aber kaum Zeit für sie hat. Klassenunterschiede sind neben Freundschaft, Berühmtheit und Verrat eines der Grundthemen des Buches. Dabei zeigt die Geschichte eine Tiefe, die leicht zu einem stereotypischen Motiv hätten werden Weiterlesen
Sadie Jones: Die Skrupellosen
Die Skrupellosen stellt ernsthafte Fragen über die menschliche Natur, Geiz und Gerechtigkeit, gehüllt in die rasanten Rhythmen eines Thrillers. Sadie Jones hat die Geschichte mit einer Art Sparsamkeit und einem großen Augenmerk auf die Nuancen familiärer Grausamkeit geschrieben. Bea, die entschlossen ist, dass Erbe ihrer Eltern abzulehnen und durch bedeutungsvolle private Aktionen Unrecht ihrer Eltern wiedergutzumachen, ist das moralische Zentrum des Romans, was sich im Spitznamen ihres Vaters für sie widerspiegelt: St. Beatrice. Jones schenkt ihr sogar „ein kleines Flammen-Tattoo im Nacken“, das sie sich an ihrem 18. Geburtstag „für Dantes Beatrice“ angeeignet hat. Dan sieht Bea als „sein führendes Licht“, das dazu bestimmt ist, ihn zu einem besseren Leben zu führen. Aber kann sie? Alex hat bereits versucht, seine alte Haut Weiterlesen