Zugegeben, es war nicht Liebe auf den ersten Blick zwischen dem neuen Buch „Die unwahrscheinliche Süße der Erdbeeren“ von Bill François und mir. Nach gut 30 Seiten war ich bereit zu kapitulieren und legte mein Exemplar zur Seite. Am nächsten Morgen fragte mich mein Mann beim morgendlichen Hundespaziergang, ob ich wüsste, ob Hunde Farben erkennen könnten. Und wie aus der Pistole geschossen antwortete ich ihm, dass ich gerade gestern darüber gelesen hätte. Die menschliche Farbwahrnehmung hat sich erst dadurch entwickelt, dass die Pflanzen unterschiedlich farbige Blüten produzierten aus denen Früchte wurden. Als Folge hat die Evolution unserer Primatenlinie einen zusätzlichen Zapfen in die Netzhaut gepflanzt, der dazu dient, reife Früchte besser zu erkennen. Die meisten anderen Säugetiere haben nur zwei Arten von Zapfen. Deshalb verwechseln sie Farben, die für uns unterschiedlich sind. Und da sich mein Mann als interessierter Zuhörer erwies, erzählte ich auch gleich noch von dem 300-jährigen Pistazienbaum im Pariser Jardin des Plantes. Die Begeisterung, mit der ich darüber sprach überraschte mich und folgerichtig gab ich uns – dem Buch und mir – eine zweite Chance.
Wie schon der Titel seines ersten Buches „Die Eloquenz der Sardine“ macht mich auch der Titel des aktuellen Buches neugierig und ich wurde nicht enttäuscht. Bill François hat einiges mit seinem neuen Buch bewirkt: er hat es geschafft, mir auf nur 287 Seiten eine mir bislang unbekannte Welt zu eröffnen, mir komplexe Zusammenhänge und Wunder der Natur zu erklären und – hat mich mit seinem Enthusiasmus für das Thema begeistert. Und das in einem Plauderton, mit Leichtigkeit, aber immer mit einer angemessenen Ernsthaftigkeit und dem gebotenen Respekt. Vielen Dank dafür!

Foto: Vincent Breton
Bill François ist Biophysiker, Naturforscher und Schriftsteller und hat an der École normale supérieure studiert. Sein erstes Buch erschien bei C.H.Beck unter dem Titel „Die Eloquenz der Sardine. Unglaubliche Geschichten aus der Welt der Flüsse und Meere“ (2021, Paperback 2023) und wurde in 16 weitere Sprachen übersetzt.
Wir müssen nicht in den tiefen Dschungel vordringen, um den Wundern der Natur zu begegnen. Ein Blick auf unsere Teller genügt! Das fängt mit dem Geschmack unserer Speisen an: Warum gibt es überhaupt süße Früchte? Was erzählt uns das über die Evolution und unser Zusammenleben mit der Pflanzenwelt? Weshalb schmecken Raubkatzen nichts Süßes? Und wieso können wir Menschen viele tausend Arten von bitter unterscheiden?
Mit Sinnenfreude und Entdeckerlust liest Bill François im Buch der Natur, das wir auf unseren Esstischen finden, und zeigt uns den großen, immer wieder überraschenden Zusammenhang des Lebens. Er berichtet von der Fliege, die den Käse erfand, und von den prähistorischen Elefanten, die hinter jedem Zucchinigratin stecken. Und während unsere Lust auf Salz zwar nichts mit schönen Sommertagen am Strand zu tun hat, hängt sie direkt mit unserer Herkunft aus dem Meer vor Millionen von Jahren zusammen. Als fantastischer Erzähler und virtuoser Erklärer offenbart Bill François uns die Naturgeschichte unserer Speisen und findet den Bauplan des Lebens in einer Zitronentarte. Auf diese Weise öffnet er unsere Augen für jene natürliche Vielfalt, die uns ernährt und am Leben hält.
C.H. Beck Verlag – gebunden – 287 Seiten – 25,00 € – ISBN 978-3-4068-3068-6