Alle Artikel von Elke Rossmann

Milo tanzt, Anna Becker, Kinder- und Jugendbuch

Das Leben in der Schule ist nicht einfach, wenn man zwölf ist. Vor allem wenn man Bullies wie Bo und Lenny in der Klasse hat. Doch Milo hat Maxim, seinen besten Freund und ein großes Geheimnis. Denn er tanzt Ballett, liebt es und ist richtig gut darin. Erfahren darf das auf der Schule niemand, denn sonst wird sein Leben zur Hölle. Auch wenn seine Familie und Maxim ihn bestärken in seiner Leidenschaft, weiß Maxim eines noch nicht: Wenn Milo die Prüfung schafft, dann kann es sein, dass er auf die Ballettschule wechselt und sie sich wahrscheinlich kaum noch sehen werden. Als eines Tages ein neuer Schüler in die Klasse kommt, wird die Situation noch schwieriger, denn Luca setzt alles daran, sowohl hinter Milos als auch Maxims Geheimnis zu kommen. So fängt der ganze Ärger an.

Wieder mal ein solch wundervolles Kinderbuch von Thienemann, dass man nur begeistert sein kann. Ich hatte gelesen, das Buch sei ein moderner ›Billy Elliot‹, doch ›Milo tanzt‹ ist viel realer und im wahren Leben verwurzelt. Ganz bestimmt ein tolles Buch für Ihr Kind, sowohl für Mädchen und Jungen. Denn ihre Kinder wissen, liebe Leser, dass Zwölfjährige sehr gemein sein können und da hilft nur ein echt guter Freund!

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Tanzpalast, Harald Gibers

Berlin 1950, der Ostsektor grenzt sich immer mehr vom Westen, den Amerikanern, ab. Ein kalter Krieg beginnt in einer Stadt in der immer noch Hunger und Armut herrscht. Aber durch die Alliierten blüht auch das Nachtleben. Man verdient sich den Lebensunterhalt als tanzender Gigolo. Deutsche Fräuleins werden die Geliebten der amerikanischen Offiziere, nur um an die köstlichen Lebensmittel der PX ranzukommen oder einen warmen Hintern, in einer beheizten Wohnung zu haben. Auch Lotte lässt sich aushalten, bis sie eines Nachts verschwindet. Rita eine Freundin von Kommissar Oppenheimer bittet ihn um Hilfe. Dabei ist es als deutscher Polizist nicht so einfach im Kreise des amerikanischen Militärs Nachforschungen anzustellen. Als die junge Frau tot gefunden wird, ist ihre Leiche absurd in Szene gesetzt. Oppenheimers Team tappt im Dunkeln. Die Dance Hall Luxor, in der sowohl Lotte als auch ihr Mann René gearbeitet haben, ist der einzige Anhaltspunkt. Leben kommt erst in die Ermittlung, als die Ehefrau eines US-Offiziers ebenfalls verschwindet. Jetzt tickt für Oppenheimer die Uhr und die MP macht ebenfalls Druck.

Dies war mein erster Oppenheimer-Krimi und ich muss sagen, er hat mir sehr gut gefallen. Die Adaption der Geschichte im Berlin der Fünfziger kommt sehr authentisch rüber, genau wie die Protagonisten. Gerne fügt der Autor auch das eine oder andere geschichtliche Ereignis mit ein. Und man merkt, wie viel Ahnung er davon hat. Solider Krimi, spannend und sympathisch! Ich für meinen Teil werde mir mal die ersten Teile der Kommissar Oppenheimer-Ermittlungen vornehmen.

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Anna O, Matthew Blake

Eines muss man Matthew Blake lassen, Anna O. ist ein außergewöhnlicher Thriller mit einem hohen Spannungspotenzial. Vor allem ist es eine ungewöhnliche Geschichte, denn er beschreibt das Resignationssyndrom, eine Komaschlaf, in den besonders Kinder fallen, die furchtbare Traumata hinter sich haben. So geschehen bei Kindern, die im Flüchtlingslager Moria waren und beobachtet bei Flüchtlingskindern in Schweden. Doch einen Thriller daraus zu machen ist eine heikle Sache. Da muss man als Leser doch hier und da die medizinischen Möglichkeiten sehr weit interpretieren und mit den psychischen Möglichkeiten, auf Menschen einzuwirken, großzügig umgehen. Auch konnte ich am Ende die Gründe für das ganze Debakel schwer nachvollziehen und hätte als perfider Mörder oder Mörderin, erst einmal andere Opfer auf meiner Liste gehabt.

Nichtsdestotrotz spannend bis zur letzten Seite, wenn man nicht darauf besteht, dass jeder Thriller immer völlig realistisch sein muss.

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Geister weinen nicht, Ane Riel

Auf der Rückseite wird der Roman von der Presse als ebenso gewalttätig wie zärtlich beschrieben. Und es stimmt, gefühlsmäßig beinhaltet die Geschichte wirklich alles. Es sind scharfkantige und dennoch liebenswerte Personen, es geht um tiefe Liebe und ebenso tiefen Hass, um Verlust und Wiederfinden. Was aber diesen Roman so einzigartig macht, ist der Spannungsbogen, der bis zur letzten Seite straff gehalten wird. Denn man kann Alma der Protagonistin irgendwie nicht trauen. Ist sie eine Mörderin oder ist sie derart dement, dass sie nur Fantasien hat? Und um diese geniale Geschichte zu erzählen, braucht die Autorin nur ein Haus in einer Sackgasse und ein Ehepaar, Alma und Otto.

Spannend wie ein Krimi, herzzerreißend wie ein Liebesroman, tragisch wie ein Drama. Großartig beschrieben und verdammt gut erzählt!

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Die Sehenden und die Toten, Ane Riel

Ein guter spannender Krimi mit dem Potenzial eine gute Serie zu werden. Auch wenn einige der beschriebenen Dinge etwas übertrieben anmuten. Denn es ist für meinen Geschmack ein bisschen zu viel Boshaftigkeit aus allen Richtungen. Etwas weniger wäre bestimmt mehr gewesen. Doch da die Protagonistin Carla Seidel sehr gut ausgearbeitet ist, mit ihrer Vergangenheit und den dadurch nachvollziehbaren Ängsten, ist zu hoffen, dass der zweite Teil der Serie mit weniger Drama auskommt. Ich für meinen Teil freue mich auf ein weiteres Buch mit Wendland-Ermittlerin Carla Seidel und ihrer überaus sympathischen Tochter Lana.

Ein solider Regionalkrimi, der einem gewiss die Zeit vertreibt!

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Doch das Messer sieht man nicht, I.L. Callis, Emons Verlag

Nach den ersten Zeilen dachte ich recht schnell an Babylon Berlin, die erfolgreich verfilmte Serie nach den Büchern von Volker Kutscher. Doch I.L. Callis rückt bei ihrem Kriminalroman viel stärker die Frauenrollen in den Vordergrund. Die Hauptrolle spielt die junge, attraktive Journalistin Anaïs Maar. Aufgewachsen in wohlhabenden Verhältnissen, erfuhr sie Bildung und Umgangsformen. Auch wenn Josefine Baker gerade in den Revuen Furore macht, ist Anaïs Leben in Berlin von 1927 nicht immer einfach, denn auch sie ist schwarz. Um ihren Frustrationen Platz zu machen, boxt sie leidenschaftlich, was ihr Sicherheit und Mut gibt. Diese Zivilcourage bemerkt auch ihr Redakteur und beauftrag sie, über die Serie von Prostituiertenmorden zu schreiben. Der Ripper von Berlin steht Jack the Rippen in nichts nach. Er ist ähnlich grausam und auf eine mysteriöse Weise unsichtbar. Jedoch zieht Anaïs mit ihren Artikeln den Psychopathen in ihren Bann und unterschätzt die Gefahr.

Der Roman lebt durch seine Authentizität, denn Frau Callis legt dem Boxtrainer, den Straßenjungen oder auch der Gelegenheitsdirne Finchen immer die richtigen Worte in den Mund. Und das zum Teil auf deftigen Berlinerisch. So begleitet der Leser Anaïs durch ein Berlin, kurz vor dem Zusammenbruch einer jungen Demokratie. Dort herrscht exzessiver Genuss, ob Sex, Alkohol oder Drogen. Glamour und Reichtum stehen verhungernden Kindern, politischen Straßenschlachten, Kriminalität und unermesslicher Armut gegenüber. Und wenn wir dem spannenden Kriminalroman folgen und mit Anaïs nach dem Ripper suchen, haben wir Leser ihr gegenüber einen Vorteil. Wir wissen von Anfang an, wie grauenvoll die Geschichte mit diesen Berlinern und den Menschen in Deutschland weiterging!

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Film: Die drei Musketiere. Teil I D’Artagnan, Teil II Milady, DVD und Blu-Ray, nach einem Roman von Alexandre Dumas

Wenn man schon etwas länger auf der Welt weilt, weiß man, dass es Geschichten gibt, die alle Jahrzehnte wieder neu verfilmt werden. So wird behauptet, ›Die drei Musketiere‹ wurden bisher über fünfzig Mal verfilmt. Meine Lieblingsverfilmung war der Dreiteiler aus den siebziger Jahren mit einem unvergesslichen Michael York als D’Artagnan, Richard Chamberlain als Aramis und Faye Dunaway als bitterböse Milady de Winter. Damals etwas gestelzt und zu sauber verfilmt, aber ich habe die Filme dennoch geliebt.

 

Was die Neuverfilmung, die ich hier besprechen will, angeht, so haben Dimitri Rassam und Jérome Seydoux einen durch und durch französischen Film gemacht! Und das verleiht dem Zweiteiler eine echte Brillanz! Eine alte Geschichte, die neu aufgesetzt, ohne Spezialeffekte auskommt und von erstklassigen Schauspielern lebt. Zwar wurde der Roman nicht ganz zeilengetreu verfilmt, doch dafür spannend, glamourös und tief greifender, als die Saubermann-Musketier-Filme der Siebziger. Mein Highlight bei der Verfilmung: Das erste Mal gefiel mir Milady de Winters Hintergrund und auch ihre Person!

Eine absolute Filmempfehlung, wenn Sie sich den Klassiker von Alexandre Dumas einmal ansehen oder wieder einmal neu ansehen möchten!

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Die Kriminalistinnen II – Acht Schüsse im Schnee, Mathias Berg

Wie wunderbar, dass die Reihe der Kriminalistinnen weitergeht. Mit ›Acht Schüsse im Schnee‹ stellt Mathias Berg sein zweites Buch der Serie vor. Die Charaktere sind einem mittlerweile vertraut, doch selbst dort sorgt der Autor für einige Überraschungen. Seine Geschichte taucht mit Haut und Haaren in das Jahr 1970 ein. Obwohl Mathias Berg erst 1971 geboren wurde, bewegt er sich in den Siebzigern, als hätte er sie selbst erlebt. Die Atmosphäre der Ruhrgebiet Kneipen, mit ihren Soleiern, Bockwürstchen und typischen Mittagsgerichten sind so authentisch getroffen, wie die Partys, die Mode und die langsam aufflackernde Emanzipation. Auch wenn gerade diese noch am Krückstock ging. Die Handvoll junger Frauen, die das erste Mal bei der Kripo in Düsseldorf eine Ausbildung durchlaufen, habe es nicht einfach. Sexistische Bemerkungen, Übergriffe und ein skeptisch abwertender Blick sind in der Machogesellschaft der Polizei gang und gäbe. Daher müssen Lucia und ihre Freundinnen doppelt so hart arbeiten, um ihre Brillanz zu zeigen. Als der Millionär Ellerbeck in seiner Auffahrt mit acht Schüssen von hinten ermordet wird, ist seine siebzehnjährige Tochter Michaela Zeugin. Ausgerechnet das Mädchen, welches von Polizeianwärterin Lucia Specht in der Nacht zuvor mit falschem Personalausweis aus einem Club geholt und dem Vater übergeben wurde. Michaela will jedoch nur mit Lucia reden und so landet Polizeianwärterin Specht, die mittlerweile ihre Zeit bei der Sitte verbringt, wieder an einem Mordfall.

Ganz toll zu lesen, mit einem Schmunzeln manchmal, wenn von Käseigeln, Pfirsichbowle und Tom Jones die Rede ist. Obwohl der Mordfall sehr spannend ist, wird durch den Zeit- und Lokalkolorit, den Mathias Berg zu zaubern vermag, aus dieses Buch wieder zu so viel mehr, als nur einem Kriminalroman. Bravo! Und da ich jetzt das Ende kenne, weiß ich, der nächste Teil kommt bestimmt!

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Graphic Novel: Kant – Aufbruch der Gedanken, Jörg Hülsmann

Vielleicht wird sich jeder einmal im Laufe seines Lebens mit Immanuel Kant beschäftigen oder versucht es zumindest. Wer es darauf anlegt, den fast tausend Seiten Wälzer der Kritik der reinen Vernunft, der praktischen Vernunft und der Kritik der Urteilskraft zu lesen, der weiß, dass die Sprache, die Grammatik und die schier endlosen Sätze jeden normal begabten ohne Fachhilfe in die Knie zwingen kann. Denn so klare Sätze wie § 7 der Kritik der reinen praktischen Vernunft: »Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten können«, sind eher gezählt in Kants Werk. Daher hatte ich mir von der Graphic Novel ehrlich gesagt eine verständliche Übersicht von Kants Grundsätzen/Kritiken erhofft. Vielleicht war ich etwas zu naiv mit meinem Anliegen!

Was es aber definitiv geworden ist: Es ist eine super Graphic Novel, um etwas über Kant zu erfahren, um einen ersten Einstieg in sein Leben, seine stringenten Routinen, sein Kauzigkeit und sein Genie zu erhalten. Außerdem sind die Illustrationen sehr schön gemacht. Jedoch sollte man, um über Kants Lehren etwas zu erfahren, lieber einen Philosophiekurs belegen.

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Sie sagt. Er sagt. Ferdinand von Schirach – Ein Theaterstück

»Verstehen Sie, meine Welt, mein Verständnis davon, wer ich bin, alles stimmt plötzlich nicht mehr.« Zitat der Nebenklägerin, dem Opfer.

Das neuste Buch von Ferdinand von Schirach erschien erst zwei Tage, nachdem das ZDF das Gerichtsdrama bereits gezeigt hatte. Als Bücherliebhaber bedaure ich das, aber es ist verzeihlich, denn es ist immerhin ein Theaterstück. So habe ich es gelesen und gesehen, was natürlich zusätzliche Impressionen hinterlässt. ›Sie sagt. Er sagte.‹, spielt in einem Gerichtssaal, der Ort an dem Herr von Schirach ein Experte ist. Eine Vergewaltigung wird verhandelt, die sich von der Faktenlage keineswegs klar deuten lässt, weder in die eine noch in die andere Richtung. Während die Verteidigung des mutmaßlichen Täters, das mutmaßliche Opfer als Lügnerin und rachsüchtige Ex-Geliebte darstellt, breitet das mutmaßliche Opfer die furchtbare Tat und damit ihre Seele vor den Richtern aus. Die Geschichte lebt, wie so oft bei Ferdinand von Schirach durch die Ambivalenz, die sie beim Leser und/oder Zuschauer hervorruft.

Es ist definitiv eine Lese- und eine Sehempfehlung meinerseits. Wobei Sie das Theaterstück vorher lesen sollten, bevor Sie den Fernsehfilm, der nebenbei erwähnt, mit erstklassigen Schauspielern besetzt ist, sehen. Wie immer geht Herr von Schirach ein gewaltiges Thema mit leisen und sehr klaren Tönen an, etwas worin er ebenso ein absoluter Experte ist!

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