Eines muss man Matthew Blake lassen, Anna O. ist ein außergewöhnlicher Thriller mit einem hohen Spannungspotenzial. Vor allem ist es eine ungewöhnliche Geschichte, denn er beschreibt das Resignationssyndrom, eine Komaschlaf, in den besonders Kinder fallen, die furchtbare Traumata hinter sich haben. So geschehen bei Kindern, die im Flüchtlingslager Moria waren und beobachtet bei Flüchtlingskindern in Schweden. Doch einen Thriller daraus zu machen ist eine heikle Sache. Da muss man als Leser doch hier und da die medizinischen Möglichkeiten sehr weit interpretieren und mit den psychischen Möglichkeiten, auf Menschen einzuwirken, großzügig umgehen. Auch konnte ich am Ende die Gründe für das ganze Debakel schwer nachvollziehen und hätte als perfider Mörder oder Mörderin, erst einmal andere Opfer auf meiner Liste gehabt.
Nichtsdestotrotz spannend bis zur letzten Seite, wenn man nicht darauf besteht, dass jeder Thriller immer völlig realistisch sein muss.
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Als Matthew Blake hörte, dass der Mensch im Durchschnitt 33 Jahre des Lebens schlafend verbringt, spürte er den Sog einer Geschichte. Er begann zum Thema »Schlaf und Verbrechen« zu recherchieren und auch über das mysteriöse Resignationssyndrom. Was ihn zu der spannenden Frage führte: Wenn jemand beim Schlafwandeln einen Mord begeht, ist er dann schuldig oder unschuldig? Die Idee zu »Anna O.« war geboren – und elektrisierte Menschen weltweit. Die Rechte am Manuskript wurden innerhalb von 48 Stunden auf alle Kontinente verkauft, der Roman erscheint in über 30 Ländern weltweit. Matthew Blake studierte Anglistik an der Durham University und am Merton College in Oxford und arbeitete als Rechercheur und Redenschreiber für das britische Parlament.
Anna O. ist wohl die bekannteste Mörderin in England, denn seit ihrer Tat, die sie per WhatsApp zugab, liegt die junge Frau in einem Komaschlaf, der als Resignationssymptom bezeichnet wird. Nach über vier Jahren scheinen sich ihre Lebensgeister wieder zu melden und man überführt sie in The Abbey, der auf Schlafstörungen spezialisierten Klinik in London. Doktor Ben Prince ist einer der Ärzte, die auf solche Fälle spezialisiert sind und kennt den Fall außerdem bestens. Die leitende Ermittlerin in dem Doppelmord war seine Ex-Frau Clara Fennel. Der Grund, warum bei Anna O. wegen ein paar unerwarteten Zuckungen solch ein Aufwand getrieben wird, sind die Bemühungen von Amnesty vor dem Gerichtshof für Menschenrecht, Anna O. freizubekommen. Das Justizministerium will die junge Frau unbedingt vor Gericht stellen und des Mordes anklagen. Doch dafür muss sie wach sein. Doktor Price soll einen letzten Versuch wagen. Um überhaupt eine Chance zu haben, muss Ben Price tief in das Leben der Anna O. vor ihrem Schlaf eintauchen und Dinge finden, die sie stimulieren, wieder Hoffnung zu schöpfen. Kaum das er angefangen hat mit Anna zu arbeiten und langsam Erfolge verzeichnet, bekommt er einen panischen Anruf von seiner Chefin. Sie besteht darauf, dass er sich eine Patientenakte aus ihrem Haus abholt. Die Akte von Patient X. Als Ben dort ankommt, ist Doktor Bloom bereits tot und er gerät unter Mordverdacht.
Es ist bestimmt eine interessante Frage, ob ein Mensch beim Schlafwandeln töten kann und sich an nichts erinnert. Ob es möglich ist, Schlafwandler zu manipulieren, damit sie Dinge tun, die sonst nicht in ihrem Repertoire vorkommen würden. Das macht den Reiz von Anna O. aus. Doch es ist definitiv kein realistischer Thriller. Zu viele Unwahrscheinlichkeiten für einen erfahrenen Thriller-Leser. Und wenn man ganz genau aufpasst kann einem recht schnell klar werden, wer der oder die Bösewicht/in sein könnte. Vielleicht Anna O.?
Anna O. Matthew Blake, Scherz Verlag, Klappbroschur, 4801 Seiten, ISBN: 978-3-651-00126-8, Euro 18,00. Erschienen am 26.06. 2024, übersetzt von Andrea Fischer