Tanzpalast, Harald Gibers

Berlin 1950, der Ostsektor grenzt sich immer mehr vom Westen, den Amerikanern, ab. Ein kalter Krieg beginnt in einer Stadt in der immer noch Hunger und Armut herrscht. Aber durch die Alliierten blüht auch das Nachtleben. Man verdient sich den Lebensunterhalt als tanzender Gigolo. Deutsche Fräuleins werden die Geliebten der amerikanischen Offiziere, nur um an die köstlichen Lebensmittel der PX ranzukommen oder einen warmen Hintern, in einer beheizten Wohnung zu haben. Auch Lotte lässt sich aushalten, bis sie eines Nachts verschwindet. Rita eine Freundin von Kommissar Oppenheimer bittet ihn um Hilfe. Dabei ist es als deutscher Polizist nicht so einfach im Kreise des amerikanischen Militärs Nachforschungen anzustellen. Als die junge Frau tot gefunden wird, ist ihre Leiche absurd in Szene gesetzt. Oppenheimers Team tappt im Dunkeln. Die Dance Hall Luxor, in der sowohl Lotte als auch ihr Mann René gearbeitet haben, ist der einzige Anhaltspunkt. Leben kommt erst in die Ermittlung, als die Ehefrau eines US-Offiziers ebenfalls verschwindet. Jetzt tickt für Oppenheimer die Uhr und die MP macht ebenfalls Druck.

Dies war mein erster Oppenheimer-Krimi und ich muss sagen, er hat mir sehr gut gefallen. Die Adaption der Geschichte im Berlin der Fünfziger kommt sehr authentisch rüber, genau wie die Protagonisten. Gerne fügt der Autor auch das eine oder andere geschichtliche Ereignis mit ein. Und man merkt, wie viel Ahnung er davon hat. Solider Krimi, spannend und sympathisch! Ich für meinen Teil werde mir mal die ersten Teile der Kommissar Oppenheimer-Ermittlungen vornehmen.

Autorenfoto: Copyright ® Ronald Hansch

Harald Gilbers, geboren 1969, stammt aus Moers am Niederrhein und lebt derzeit in Ostrhauderfehn. Er studierte Anglistik und Geschichte in Augsburg und München. Anschließend arbeitete er zunächst als Feuilleton-Redakteur beim Fernsehen, bevor er als freier Theaterregisseur tätig wurde. Sein Romandebüt »Germania«, der erste Fall für Kommissar Oppenheimer, erhielt 2014 den Friedrich-Glauser-Preis und wurde bislang in acht Sprachen übersetzt. In Japan schaffte es der Roman gleich auf zwei Jahres-Bestenlisten mit ausländischen Krimis. Die Fortsetzung, »Odins Söhne«, wurde 2016 in Frankreich mit dem Prix Historia als bester historischer Kriminalroman ausgezeichnet.

Eigentlich hat Oppenheimer gerade andere Sorgen. Denn der Vater seines Ziehsohns Theo kommt unerwartet aus dem Krieg zurück und erhebt Anspruch auf das Kind. Aber darauf nehmen die Verbrecher keine Rücksicht. Seine Bekannte Rita, die früher im Nachleben unterwegs war, hat mittlerweile ausgesorgt und ist mit einem amerikanischen Offizier zusammen. Vor ihr bekommt Richard Oppenheimer nicht nur ab und zu Lebensmittel zugesteckt, sie bittet ihn auch, eine vermisste Freundin zu suchen. Die verschwundene Lotte ist zwar verheiratet mit dem Gigolo René, doch hat ebenfalls einen amerikanischen Geliebten. Für alle ist es nach dem Krieg in Berlin nicht einfach. Es dauert nicht lange, bis man Lottes Leichnam findet, Sie schwebt an Seilen über einem Feuer. Das ganze Szenario ist ein Rätsel. Wenigstens hat der junger Afroamerikaner Eugene Peters einen Mann vom Fundort fliehen sehen und sich sogar mit ihm angelegt. Gene wird für Oppenheimer und vor allem für Fräulein Murr ein neuer Gefährte, denn er hat nicht nur Zugang zur PX und den Militärbaracken, er ist auch ein ganz enthusiastischer Ermittler. Als eine Ehefrau eines amerikanischen Offiziers entführt wird, ändert der Täter seine Vorgehensweise. Er verlangt ein Lösegeld. Allein diese Tatsache macht Oppenheimer misstrauische. Ist die Frau zu retten? Will ein Trittbrettfahrer Geld machen? Und was bedeutet die Inszenierung von Lottes Leiche? Als seine junge Kollegin auf die Idee kommt, dass die Leiche aussieht wie eine Heiligenikone, kommt endlich Bewegung in die Ermittlung.

Definitiv ein toller Krimi, der all die Probleme in den Nachkriegsjahren nicht außer Acht lässt. Ob es um die allmähliche Abschottung des Ostsektors geht, die Kommunistenhatz von McCarthy oder der offensichtliche Rassenhass der weißen Amerikaner auf ihre schwarzen Militärkameraden. Selbst ein Krieg gegen einen gemeinsamen Feind hat in der Hinsicht nichts geändert. So kann sich auch Eugene Peters mehr mit den Deutschen identifizieren, die zwar nicht durch ihre Hautfarbe, aber durch ihre Vergangenheit gebrandmarkt sind. Tolle Reihe!

Tanzpalast, Harald Gilbers, Knaur Verlag, Taschenbuch, 464 Seiten, ISBN: 978-3-426-53014-6, Euro 12,99. Erschienen am 01.07. 2024.

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