Wer glaubt, Mode-Influencer wären eine Erfindung des 21. Jahrhunderts, sieht sich getäuscht. Denn: Albrecht Dürer und der Augsburger Matthäus Schwarz machten das schon in der Renaissance. Schwarz ließ sich im zarten Alter von 29 Jahren von dem 19jährigen Narziss Renner nackt von vorne und hinten auf Pergamentpapier abbilden. Im Laufe seines Lebens gab er 137 Aquarelle – im angezogenen Zustand – in Auftrag. Zwei förmlichere Ölgemälde hängen in der Thyssen-Bornemisza-Sammlung in Madrid und in den Galerien der Nordischen Renaissance im Louvre. Dank dieser Auftragsarbeiten haben wir eine genaue Vorstellung der damaligen Mode. Und wer glaubt, Mode sei überbewertet, wird von Ulinka Rublack eines besseren belehrt.
Ulinka Rublack, geboren 1967 in Tübingen, lehrt seit 1996 Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit am St John‘s College in Cambridge. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Genderstudien, Materialitätsgeschichte und Fragen der kulturellen Identität. Neben eigenen Büchern schreibt die Mitbegründerin des Cambridge Center for Gender Studies für »Die Zeit« und ist Fellow der British Academy. Ihr Buch „Der Astronom und die Hexe“ wurde mit dem „Preis des Historischen Kollegs“ 2019 ausgezeichnet.
Wussten Sie, dass bereits in den Jahren von 1560 bis 1580 der Nürnberger Sigmund Heldt die weltgrößte Sammlung von 867 Aquarellbildern zusammentrug, die sich auf die in Nürnberg getragenen Kleidung konzentriert, aber auch frühe ethnologische Darstellungen berücksichtigt. Und als Blondine finde ich es ganz spannend, dass im 17. Jahrhundert in Frankreich junge Männer, die blonde Perücken trugen „Blondins“ genannt wurden. Dieses innovative, wunderschön illustrierte Buch strotzt nur so von Ideen und wurde mit viel Einblick und historischer Vorstellung geschrieben. Es zeigt, wenn man wie die Autorin der Frage nachgeht, warum Kleider eine ebenso große Bedeutung wie Gedankengut im Europa der Renaissance haben und tief genug gräbt, durchaus zu neuen Erkenntnissen hinsichtlich frühen kulturellen und gesellschaftlichen Lebens gelangen kann. Ich finde »Die Geburt der Mode« ist das Ergebnis umfangreicher Recherche und es beeindruckt mich, wie geschickt Rublack die vielen losen Fäden aus Recherche und Quellen zusammenknotet. Kleider machen Leute – und das schon seit 500 Jahren.
Klett-Cotta – Gebunden – 536 Seiten – €48,00 – ISBN 978-3-608-98449-1