Service, Sarah Gilmartin

Ein Sternerestaurant: Die üblichen Adrinalinjunkies in der Küche, um den schnellen, perfekten und präzisen Handgriffen und vor allem dem Maître Daniel Costello gerecht zu werden. Bei Fehlern fliegen schon mal Saucieren, heiße Pfannen und vor allem übelste Schimpfworte. Für die Mädels im Service ist es auch nicht immer einfach, denn aus der bereits recht sexistischen Anrede ›Süße‹, wird dann auch schnell mal ›Schlampe‹. Doch die jungen attraktiven Studentinnen Anfang zwanzig, die hier bedienen, verdienen erstens gut und zweitens bewegen sie sich unter der sogenannten gesellschaftlichen Crème de la Crème, die ihre Gäste nun mal sind. Da hält man schon mal eine unangenehme Annäherung und unangemessene Titulierung, egal ob von den Kollegen oder männlichen Gästen, aus. Denn wenn alles glatt läuft, fließt nach Feierabend für die Mannschaft der Alkohol aufs Haus und einige Kollegen spendieren die eine oder andere Linie Koks. Für die jungen Frauen, ein Leben in einer Parallelwelt: höchste Konzentration für Stunden, dann die Erleichterung, wenn die Schicht vorbei ist, Alkohol, Schlafen, der Kater und es geht vorne los. Wenn in dieser Welt ein #Metoo gegen den Sternekoch Daniel veröffentlicht wird, sich weitere drei Frauen anschließen und es vor Gericht geht, dann ist die Situation nicht einfach zu beurteilen.

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Simone Meier: Die Entflammten

Hat sich Simone Meier in ihren voran veröffentlichten Romanen im hier und heute bewegt, greift sie in ihrem heute erschienenen Roman „Die Entflammten“ die historische Lebensgeschichte der Jo van Gogh-Bonger auf. Sie verwebt – auf unterschiedlichen Erzähl- und Zeitebenen – die fiktive Familiengeschichte der Ich-Erzählerin Gina, Studentin der Kunstgeschichte mit schriftstellerischen Ambitionen mit der realen Geschichte von Vincent van Goghs Schwägerin, die mit Vincents jüngerem Bruder Theo verheiratet ist. Sehr schnell wird klar: hinter jedem Mann – ob erfolglos, depressiv, oder mit Syphilis infiziert – steht eine starke Frau! Ginas Mutter ermutigt und unterstützt ihren Mann darin, ein Buch zu schreiben und finanziert mit ihrer Arbeit den Weiterlesen

Phil Hubbe: Vorsicht, Stufe!: 20 Jahre Behinderte Cartoons | Cartoons über Inklusion und das Leben mit Behinderungen

Als ich am 21.5.2003 in die Ausstellung mit Karikaturen von Phil Hubbe im Rathaus von Eschborn eingeführt habe, hatte ich meinen Lieblingswitz über Behinderte erzählt, um die Minen der Anwesenden bei dieser ungewöhnliche Ausstellung zu entkrampfen. Diese Ausstellung war seinerzeit Teil einer Veranstaltungsserie mit Musik, Filmen, und Workshops. Diese Veranstaltungsserie fand anlässlich des von der UN verkündeten Jahres der Menschen mit Behinderungen statt. Die Veranstaltungsserie war ein großer Erfolg und war Treibsatz für viele Aktivitäten von und mit Menschen mit Behinderungen. Die Ungläubigkeit war unter den Anwesenden ziemlich groß, das man über Menschen mit Behinderungen Witze machen kann. Weiterlesen

Tödliche Ostfriesengeister, Elke Nansen, Waatstedt/Faber ermitteln Band 16

Welch eine Freude, endlich ist der neuste Kriminalroman von Elke Nansen, von meiner Lieblingsautorin da. Ein schaurig, schöner Ostfrieslandkrimi „Tödliche Ostfriesengeister“. Die Kriminalromane von Elke Nansen sollte man nicht verpassen, ich verpasse keinen. Mit Lobeshymnen und Superlativen sollte man bei Rezensionen vorsichtig sein, denn dann wird die nächste Veröffentlichung daran gemessen. Meine Hochachtung vor Elke Nansen, sie hat auch dieses Mal ein Meisterwerk ihrer morbiden Literatur in ein Buch verpackt. Nicht, dass es nur ein mitreißender, spannender Krimi ist, hat sie, wie in allen ihren Büchern viel Wissens- und Lesenswertes mit sehr interessanten Themen verbunden. Ob es die mystische Welt Ostfrieslands von den Erzählungen der Großeltern ist, die heute nicht mehr so bekannten Drückerkolonen, forensische Entwicklung, Traumata oder die traurige Geschichte des Umgangs der Nazi mit psychisch auffälligen Personen. Auch wenn man von vielen Sachen teilweise etwas gehört oder gelesen hatte, sind die Aufklärungen von Elke Nansen immer eine Bereicherung.

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Caroline Bernard „Ich bin Frida. Eine große Geschichte von Liebe und Freiheit “

Gastrezension: Ulrike Bolte

Die Literaturwissenschaftlerin Caroline Bernard alias Tania Schlie fokussiert ihre Romanbiographie über die mexikanische Malerin Frida Kahlo auf die Zeit von August 1938 bis März 1939. In dieser Zeitspanne wird ihre künstlerische Entwicklung verortet hin zu einer selbständigen Künstlerin mit einer eigenen Formensprache, der ersten Einzelausstellung in New York bis zur Entdeckung der europäischen Ismen und ihrer Avantgarde in der Kunstmetropole Paris. Am sensibelsten sind bei Bernard die Stellen, an denen sie die Verve des zeichnerischen Prozesses und dessen malerische Umsetzung erläutert. Fridas lebenslange Hassliebe (und Konkurrenz) zu Diego Rivera, ihre Abhängigkeit von ihm, aber auch dessen Zuspruch, Unterstützung und Ermunterung prägen sie ebenso wie die notorische Untreue ihres Mannes. Sie versucht, sich aus dieser Beziehung zu lösen, genießt die Liebe zu anderen Männern. Dabei wirkt die Entscheidung zwischen „Liebe und (künstlerischer) Freiheit“ voraussehbar, da sie für viele Künstlerinnen zutrifft und deren Geschichte verwässert. Fridas Geschichte ist geprägt durch den schweren Busunfall im September 1925, bei der eine Stange ihr Becken durchbohrt, sie zu monatelanger Bettruhe im Korsett zwingt und zu zahlreichen Fehlgeburten führt. Rivera, der bekannteste Maler Mexikos mit seinen Wandmalereien („murales“) bringt ihr in der Rekonvaleszenzzeit die Malerei nahe, die zunehmend wichtiger wird und zu einer eigenen Ausdruckskraft führt, aber auch wie in der „Time“ als „Gynäkologische Bilder“ kritisiert wird. Weiterlesen

Jürgen Schmider: Arschtritt ins Glück

Für den Journalisten und Autor Jürgen Schmieder war es das offensichtlich der „Arschtritt ins Glück“ und nach wenigen Seiten versteht der Leser warum Schmieder so empfindet. Nach seinem „Sprung über den Canyon ohne abzustürzen“ wie es seine Ärztin nach seinem diabetischen Koma ausdrückte, begriff er seine Situation als Chance. Systematisch und diszipliniert ging er den Weg zur Gesundheit und machte dabei erstaunliche Erfahrungen, die er bereit war, mit Betroffenen, Gefährdeten und Interessierten zu teilen. Er sieht sich nicht als selbsternannter Guru, erzählt ohne erhobenen Zeigefinger und scheint schonungslos ehrlich zu sein. Der Moment, als es Klick machte? Als er erkannte, dass am Anfang die richtige Einstellung stehen und das persönliche Umfeld stimmen muss. Folgerichtig definierte er das Toxische in seinem Leben und – eliminierte es. Wobei es nicht nur um so offensichtliche Dinge wie Nikotin, Alkohol, Zucker oder Essen, sondern auch um menschliche Beziehungen geht. Beziehungen, die nicht guttun, die herunterziehen und die beendet werden sollten. Weiterlesen

Darf man eigentlich Zombies töten, Thorsten Schleif

Dass Thorsten Schleif Humor hat, dies hat er bereits mit seinen beiden Bücher über den Staatsanwalt Siggi Buckmann bewiesen. Dennoch waren das Krimis. Mit seinem Standalone ›Darf man eigentlich Zombies töten‹ macht er etwas ganz anderes. Anscheinend ist der Richter und nebenberufliche Autor Thorsten Schleif ein echter Serien- und Filmfan. Deshalb beantwortete er in diesem kleinen Buch sehr dringliche Fragen, die sich jeder Serienjunkie irgendwann mal selbst gestellt hat. Fragen wie: Müssen Werwölfe Hundesteuer zahlen? Haben Vampire einen Anspruch auf Nachtschichtzulage? Und natürlich die Frage: Darf man eigentlich Zombies töten?

Ein amüsantes kleines Buch, das jedem Film- und Serienfreund, sowie jedem angehenden und werdenden Juristen bestimmt Freude bereitet. Suchen Sie noch ein Geburtstagsgeschenk für einen Jura-Studenten, dann haben Sie es gefunden. Aber bitte nur, wenn Ihr Freund nicht nur die Nase in Gesetzestexte steckt, sondern genauso viel Zeit vor der Leinwand und der Mattscheibe verbringt.

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Leonie Kramer, Wollwut, Der Handarbeitsclub ermittelt in seinem zweiten Fall

Malerische Region um Murnau, dem Staffelsee mit Blick auf Deutschlands höchstem Berg, die Zugspitze. Von vielen Künstlern geprägt. Allen voran Franz Marc „Der blaue Reiter“, welcher der Gegend aufgrund der wechselnden bläulichen Farb- und Lichtstimmungen, der dieser Region diese Bezeichnung verliehen, hat – „Das Blaue Land!“ Wassily Kadinsky und Gabriele Münter hinterließen bis Heute ihre Spuren. Dass sich die Autorin Leonie Kramer in diese künstlerische geschichtsträchtige Gegend verliebt hat, liest man in jedem Kapitel. Eine hervorragende Idee ihren interessanten Kriminalroman mit dem von den Künstlern schon erkannten Lichtspielen und Stimmungen mit ihrer farbenfrohen, leuchtenden Wolle zu vereinen. Es zeigt eine besondere Beziehung zum Blauen Land.

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Wolfsgier, Max Korn

Die letzten Romane, die ich von Max Korn gelesen habe, war die Trilogie Talberg, die ebenfalls in einem anscheinend von der Welt abgeschnittenen Dorf spielt. Eingeschworene Dorfgemeinschaften, gemeinsame Sünden und jede Menge Leichen im Keller verliehen Talberg sogar etwas Mystisches.

Mit Wolfsgier ist eine ganz andere Art Roman entstanden. Hier trifft  Großstadt-Mensch auf die sieben Zwerge hinter den sieben Bergen. Aber nicht nachdenklich wie bei Juli Zehs Roman über Menschen, aus Wolfsgier ist eher eine Art Persiflage geworden. Und ich denke, das hat Max Korn wahrscheinlich auch gewollt. Denn der Thriller artet irgendwann aus in eine blutrünstige Verwicklung von Morden, kriminellen Vereinigungen, Zuhältern, Drogenschmugglern und es wird geschossen und getroffen wie im Wilden Westen. Wenn man mit einer offenen Einstellung an den Roman rangeht, sich einfach nur amüsiert über die idiotischen Verhaltensweisen des Großstädters Simon und seiner Frau Maggie, dann gibt es auch was zu lachen.

Recht gute Unterhaltung, die man einfach nicht zu ernst nehmen sollte.

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Kerstin Gier: Ein unmoralisches Sonderangebot

Seit 1993 der Roman „Ein unmoralisches Angebot“ von Jack Engelhard mit Robert Redford und Demie Moore verfilmt wurde, hat das Thema immer wieder Autorinnen und Autoren inspiriert, Szenarien für Charaktere zu kreieren, die amoralisches Handeln ausprobieren dürfen und dann sehen, ob es ihnen gefällt. War es im Film ein Milliardär, schickt Kerstin Gier einen Multi-Millionär ins Rennen. Und das bereits 2005. 2023 veröffentlichte Lübbe eine Neuauflage des Romans mit neuem, modernen Cover. Zurück zur Geschichte. Er, Fritz, will Opa werden! Die drei Kinder seiner Tochter zählen da wohl nicht und ihre Namen kann er sich auch nicht merken, weshalb er sie „Dings“ nennt. Also, er will Opa werden, koste es, was es wolle. Dafür ist er bereit, moralische Skrupel über Bord zu werfen und seinen Geiz zu Weiterlesen