Siebo Woydt, Unter dem Wald neben dem Wasser der Tod, Kriminalroman

Greifswald, eine beschauliche, historische Stadt an der Ostsee, mit kaum 60 000 Einwohner, gelegen zwischen Rügen und Usedom direkt am Greifswalder Bodden, nur knapp 20 Meter über dem Meeresspiegel. Interessant bestückt mit Bauwerken aus vielen Epochen von der mittelalterlichen Backsteingotik bis zur modernen Architektur. Die Stadt von Caspar David Friedrich, der uns mit seiner Landschaftsmalerei viele Schätze hinterlassen hat und immer noch damit begeistert. Genau hierhin hat Siebo Woydt seinen mitreißenden Kriminalroman „Unter dem Wald neben dem Wasser der Tod“ gelegt.

 

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Genevieve Wheeler: Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben

Mit Genevieve Wheelers Erstlingswerk starten wir in die Saison der Herbstneuerscheinungen – und es ist kein Liebesroman, aber durch ihren unerschrockenen Blick auf Herzschmerz und mentale Gesundheit voller Wärme und Empathie. Es ist eine Geschichte über die Bedeutung zu lieben und geliebt zu werden. Die Autorin beginnt ihre Geschichte in der Zukunft und erzählt sie auf verschiedenen Zeitebenen. Wheelers Protagonistin Adelaide ist eine beruflich erfolgreiche Amerikanerin in London, Mitte Zwanzig. Sie ist chaotisch und wartet hoffnungsvoll auf das nächste Abenteuer. Nur um ihr Selbstwertgefühl ist es nicht gut bestellt. Als sie ihren Prince Charming trifft, verliebt sie sich Hals über Kopf in Rory Hughes, der wunderbar ist, wenn er mal wirklich wunderbar ist, aber er ist zerstörerisch in seinen Unzulänglichkeiten. Er Weiterlesen

Nebelblau, Tove Alsterdal, III. Teil der Krimitrilogie um Eira Sjödin

Eine Trilogie sollte eigentlich nach dem dritten Buch aufhören, doch wenn man sich mal mit der Polizeiermittlerin, Eira Sjödin, bekannt gemacht hat, liebt man ihre Geschichte einfach. So bleibt vielleicht eine vage Hoffnung, dass nach dem großen Erfolg dieser drei Bücher, vielleicht doch der eine oder andere Krimi mit Eira noch erscheinen wird.

So ist es aber vorerst der Krimi Nebelblau, der einen echten Höhepunkt der drei Roman darstellt. Denn Tove Alsterdal geht ein geschichtlich sehr brisantes Thema an. Den Vietnamkrieg und Schwedens Unabhängigkeit von den USA. Denn Schweden war eines der wenigen Länder, die Deserteure, fahnenflüchtige US Soldaten aufnahm. Brisant vor allen jetzt, da Schweden um den Beitritt zur NATO kämpft und seine Bündnisfreiheit aufgeben möchte. Nebelblau ist zum Teil ein spannender Rückblick auf die Verhältnisse in Schweden im Jahr 1968. Wie immer verwebt die Autorin den Kriminalfall eng mit der Familiengeschichte der Ermittlerin. Die zusätzlichen Ängste und Geheimnisse, die dadurch geweckt werden, treiben Eira in einen stetigen Zwiespalt, der dem Krimi erst die richtige Würze gibt.

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Stefan Kuhlmann: Herr Winter taut auf | Interview: Fünf Fragen an den Autor

Was für ein Romandebüt! Gratulation. Flott, witzig, unterhaltsam, mit viel Tiefgang und wundervollen Charakteren. Allen voran Herr Winter, der Protagonist dieser Geschichte. Gerade als Finanzbeamter in Pension gegangen, verliert er seine Frau Sophia auf tragische Weise bei einem Autounfall. Sophia war AVON-Beraterin, der Keller ist voll mit Kosmetikprodukten, Kunden wollen ihre Bestellungen haben, was also tun? Sich weiterhin vor der Welt verkriechen und sich seinem Schmerz hingeben, oder Sophias großen Wunsch erfüllen und für sie den Titel AVON-Beraterin des Jahres holen? Der Mut – und Herr Winter – stellen sich die Wege kürzer vor. Es ist ein weiter Weg bis ihm Begriffe wie Mascara und Foundation leicht über die Weiterlesen

Staatskunst, Henry Kissinger

Henry Kissinger, ein Mann, der wegen der Politik aus seiner Heimat flüchten musste und der mit Mitte vierzig, als Sicherheitsberater und vier Jahre als Außenminister in die Politik ging. Dem man den Friedensnobelpreis verlieh und der dieses Jahr 100 Jahre alt wurde. Dieser Mann kannte die politischen Führer über die er in diesem Buch spricht.

Die Kernaussage ist wohl, dass es kein Erfolgsrezept für die Führung eines Staates gibt. Es kommt auf die Situation an und was gerade benötigt wird. Welcher Charakterzug hilfreich ist in Krisensituationen, um diese zu überwinden. So spricht Henry Kissinger über Konrad Adenauers Führung als die Strategie der Demut, Charles de Gaulle Politik als die des Willens, Nixons Strategie des Gleichgewichts, Anwar el-Sadat Überwindungsstrategie, Lee Kuan Yews Strategie der Spitzenleistung und Margaret Thatchers Strategie der Überzeugung.

Geschichte ist immer anfällig für Verfälschung. Bei einem Zeitzeugen jedoch wird Geschichte aus erster Hand erzählt. Und wenn man sich die Auswahl seiner Staatsführer ansieht, könnte man nur bei Nixon einmal kurz die Stirn in Falten legen, weil Kissinger sein Außenminister war. Mich hat das Buch begeistert, was die Fakten angeht, die ich nicht alle so kannte, der Stil des Autors und seine sehr neutrale, diplomatische und unaufgeregte Art über die Geschichte dieser sechs Staatsführer zu berichten.

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Jo Nesbø: Blutmond (Ein Harry-Hole-Krimi 13)

Wieder einmal lässt der Norweger Jo Nesbø seinen Antihelden Harry Hole in Oslo agieren. Diesmal kommt Harry Hole direkt von einer Theke in Los Angeles auf ein Angebot dass er nicht ablehnen kann nach Norwegen. Ein Multimillionär versetzte ihn in die Lage sein altes Team aus gescheiterten Existenzen Menschen am Rande der Gesellschaft Morde aufzuklären. Diese Morde sind natürlich vom aller Feinsten sprich äußerst ungewöhnlich. Der Autor spielt mit seiner Leserschaft in dem er sie scheinbar erahnen lässt, wer der Mörder ist und aus welchen Gründen er seine zum Teil heftigen Taten machen lässt. Aber wer glaubt schon am Anfang den/die Täter: IN zu kennen, irrt. Bis auf die letzten Seiten kommt man einer Auflösung nicht nahe. Weiterlesen

Franco Supina: Spurlos in Neapel

Es ist meine erste literarische Begegnung mit dem Autor und schon auf der ersten Seite hat er mich sprachlich und stilistisch gepackt. Die Geschichte und die Personen werden DAS Sahnehäubchen sein. Und ich habe mich nicht getäuscht. Supino schreibt flott und spannend, dazu sehr bildhaft. Ich sehe die Gruppen von Männern, die in den Straßen sitzen und sich unterhalten genauso vor mir wie die Stadtteile und Häuser, in die die Suche nach Antonio Esposito, genannt O`Nirone, uns – den Ich-Erzähler und mich – führt. Durch den Ich-Erzähler verstärkt sich der Eindruck, dass dieser neue Roman autobiografische Züge trägt. Bei allem Lokalkolorit sollte man sich nicht täuschen: hier geht es nicht um Mafiafolklore á la Hollywood, sondern der Untergang der Camorrafamilie wird aus Weiterlesen

Die Liebe in Zeiten von Mao Zedongs, Liao Yiwu

Der Autor, ist ein Mann, der vier Jahre in Haft vom chinesischen Regime gequält und erniedrigt wurde. Ein Mann, der seinen Hass mit genau der Brutalität aufs Papier gebracht hat, wie er sie durch Misshandlung erlebte. Da dieses Buch seinen Anfang im Gefängnis nahm, wo es im Geheimen geschrieben und herausgeschmuggelt wurde, trägt jede Zeile dieses Erbe. Die Geschichte ist gezeichnet von dem Wahnsinn, der Heranwachsende, der Kinder und jungen Menschen in China in ihrer gottgleichen Verehrung zu Mao Zedong befiel. Die chinesische Kulturrevolution, ein ebenso schwarze Geschichte der Menschheit, wenn es um die Verführung der Jugend geht, wie die Verblendung der Hitler Jugend. Ein Kapitel, das gekennzeichnet war vom Verrat an Eltern, Liebenden und Freunden, bis die eigene Identität nur noch eine leere Hülle wurde, in der Seele und Herz von falsch verstandener Euphorie und Menschenverachtung aufgefressen. Liao Yiwus Protagonist ist Zhuang Zigui, am Anfang ein Jüngling, noch keine Mann, aber schon ein kleiner roter General, der für seinen Führer Mao sterben würde. Ein Mensch, dem die menschlichsten aller Gefühle durch die Revolution abhandengekommen sind. Denn Liebe kann nur ein kontrarevolutionäres Verhalten von Kapitalisten und Royalisten sein, das mit Zähnen und Fäusten aus den Leibern der Feinde gebissen und geschlagen werden muss.

Ein sehr interessantes Buch, über die Verirrung eines Volkes durch politische Propaganda. Aber nicht einfach auszuhalten, denn der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die aller unwürdigsten und zu tiefst verstörenden Handlungen von Mensch an Menschen geht.

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Guy Stern: Wir sind nur noch wenige

Die meisten Leser: innen kennen „Das Tagebuch der Anne Frank“ und wissen um ihr Schicksal. Weniger bekannt hingegen ist, dass etwa 9000 junge Emigranten aus Deutschland und Österreich, meist Juden, die in den USA eine neue Heimat gefunden hatten, während des Zweiten Weltkrieges in einem Ausbildungszentrum der United States Army, genannt Camp Ritchie, von der Feldnachrichtentruppe der US Army, ausgebildet wurden. Unter den sogenannten Ritchie-Boys waren viele bekannte Persönlichkeiten wie Stefan Heym, Hans Habe, Hanus Burger, Georg Kreisler und – Guy Stern. Sehr spät – mit fast einhundert Jahren – erinnert sich Stern und erzählt aus seinem langen, facettenreichen Leben. Er erinnert seine Kindheit in seiner Heimatstadt Hildesheim. Er überlebt als einziger seiner Weiterlesen

Genial Normal, William Sutcliffe – Jugendbuch –

Ein unglaublich witziges Kinder- und Jugendbuch, bei der die Illustration des fünfzehnjährigen Sam auf dem der Einband, einem schon einen Vorgeschmack auf die tolle Geschichte gibt. Denn Sam ist verwirrt, regelrecht genervt, als seine Eltern zu Geld kommen und von einem durchschnittlich normalen Vorort Londons ins elitäre Künstlerviertel nach Hamstead ziehen. Als er, sein älterer Bruder Ethan und die kleine Schwester Freya auch noch auf der Nord-London-Akademie für Begabte und Talentierte angemeldet werden, ist für Sam die Katastrophe eingetreten. Auf dieser Schule sind alle einfach nur bekloppt. Dort wird aus dem früher beliebten Schüler Sam ein Außenseiter und Loser. Komisch nur das Ethan und Freya die neue Schule lieben. Es liegt wahrscheinlich daran, dass Sam weder begabt noch talentiert ist. Sam ist einfach nur stinknormal.

Die Dialoge sind witzig und so treffend für pubertierende Teenager, dass einem sofort klar wird, der Autor kennt sich mit heranwachsenden Kindern bestens aus. Ein tolles Kinder- und Jugendbuch mit viel Tiefgang, was soziale Klischees betrifft.

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