Alle Artikel von Elke Rossmann

Anna O, Matthew Blake

Eines muss man Matthew Blake lassen, Anna O. ist ein außergewöhnlicher Thriller mit einem hohen Spannungspotenzial. Vor allem ist es eine ungewöhnliche Geschichte, denn er beschreibt das Resignationssyndrom, eine Komaschlaf, in den besonders Kinder fallen, die furchtbare Traumata hinter sich haben. So geschehen bei Kindern, die im Flüchtlingslager Moria waren und beobachtet bei Flüchtlingskindern in Schweden. Doch einen Thriller daraus zu machen ist eine heikle Sache. Da muss man als Leser doch hier und da die medizinischen Möglichkeiten sehr weit interpretieren und mit den psychischen Möglichkeiten, auf Menschen einzuwirken, großzügig umgehen. Auch konnte ich am Ende die Gründe für das ganze Debakel schwer nachvollziehen und hätte als perfider Mörder oder Mörderin, erst einmal andere Opfer auf meiner Liste gehabt.

Nichtsdestotrotz spannend bis zur letzten Seite, wenn man nicht darauf besteht, dass jeder Thriller immer völlig realistisch sein muss.

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Geister weinen nicht, Ane Riel

Auf der Rückseite wird der Roman von der Presse als ebenso gewalttätig wie zärtlich beschrieben. Und es stimmt, gefühlsmäßig beinhaltet die Geschichte wirklich alles. Es sind scharfkantige und dennoch liebenswerte Personen, es geht um tiefe Liebe und ebenso tiefen Hass, um Verlust und Wiederfinden. Was aber diesen Roman so einzigartig macht, ist der Spannungsbogen, der bis zur letzten Seite straff gehalten wird. Denn man kann Alma der Protagonistin irgendwie nicht trauen. Ist sie eine Mörderin oder ist sie derart dement, dass sie nur Fantasien hat? Und um diese geniale Geschichte zu erzählen, braucht die Autorin nur ein Haus in einer Sackgasse und ein Ehepaar, Alma und Otto.

Spannend wie ein Krimi, herzzerreißend wie ein Liebesroman, tragisch wie ein Drama. Großartig beschrieben und verdammt gut erzählt!

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Die Sehenden und die Toten, Ane Riel

Ein guter spannender Krimi mit dem Potenzial eine gute Serie zu werden. Auch wenn einige der beschriebenen Dinge etwas übertrieben anmuten. Denn es ist für meinen Geschmack ein bisschen zu viel Boshaftigkeit aus allen Richtungen. Etwas weniger wäre bestimmt mehr gewesen. Doch da die Protagonistin Carla Seidel sehr gut ausgearbeitet ist, mit ihrer Vergangenheit und den dadurch nachvollziehbaren Ängsten, ist zu hoffen, dass der zweite Teil der Serie mit weniger Drama auskommt. Ich für meinen Teil freue mich auf ein weiteres Buch mit Wendland-Ermittlerin Carla Seidel und ihrer überaus sympathischen Tochter Lana.

Ein solider Regionalkrimi, der einem gewiss die Zeit vertreibt!

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Doch das Messer sieht man nicht, I.L. Callis, Emons Verlag

Nach den ersten Zeilen dachte ich recht schnell an Babylon Berlin, die erfolgreich verfilmte Serie nach den Büchern von Volker Kutscher. Doch I.L. Callis rückt bei ihrem Kriminalroman viel stärker die Frauenrollen in den Vordergrund. Die Hauptrolle spielt die junge, attraktive Journalistin Anaïs Maar. Aufgewachsen in wohlhabenden Verhältnissen, erfuhr sie Bildung und Umgangsformen. Auch wenn Josefine Baker gerade in den Revuen Furore macht, ist Anaïs Leben in Berlin von 1927 nicht immer einfach, denn auch sie ist schwarz. Um ihren Frustrationen Platz zu machen, boxt sie leidenschaftlich, was ihr Sicherheit und Mut gibt. Diese Zivilcourage bemerkt auch ihr Redakteur und beauftrag sie, über die Serie von Prostituiertenmorden zu schreiben. Der Ripper von Berlin steht Jack the Rippen in nichts nach. Er ist ähnlich grausam und auf eine mysteriöse Weise unsichtbar. Jedoch zieht Anaïs mit ihren Artikeln den Psychopathen in ihren Bann und unterschätzt die Gefahr.

Der Roman lebt durch seine Authentizität, denn Frau Callis legt dem Boxtrainer, den Straßenjungen oder auch der Gelegenheitsdirne Finchen immer die richtigen Worte in den Mund. Und das zum Teil auf deftigen Berlinerisch. So begleitet der Leser Anaïs durch ein Berlin, kurz vor dem Zusammenbruch einer jungen Demokratie. Dort herrscht exzessiver Genuss, ob Sex, Alkohol oder Drogen. Glamour und Reichtum stehen verhungernden Kindern, politischen Straßenschlachten, Kriminalität und unermesslicher Armut gegenüber. Und wenn wir dem spannenden Kriminalroman folgen und mit Anaïs nach dem Ripper suchen, haben wir Leser ihr gegenüber einen Vorteil. Wir wissen von Anfang an, wie grauenvoll die Geschichte mit diesen Berlinern und den Menschen in Deutschland weiterging!

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Film: Die drei Musketiere. Teil I D’Artagnan, Teil II Milady, DVD und Blu-Ray, nach einem Roman von Alexandre Dumas

Wenn man schon etwas länger auf der Welt weilt, weiß man, dass es Geschichten gibt, die alle Jahrzehnte wieder neu verfilmt werden. So wird behauptet, ›Die drei Musketiere‹ wurden bisher über fünfzig Mal verfilmt. Meine Lieblingsverfilmung war der Dreiteiler aus den siebziger Jahren mit einem unvergesslichen Michael York als D’Artagnan, Richard Chamberlain als Aramis und Faye Dunaway als bitterböse Milady de Winter. Damals etwas gestelzt und zu sauber verfilmt, aber ich habe die Filme dennoch geliebt.

 

Was die Neuverfilmung, die ich hier besprechen will, angeht, so haben Dimitri Rassam und Jérome Seydoux einen durch und durch französischen Film gemacht! Und das verleiht dem Zweiteiler eine echte Brillanz! Eine alte Geschichte, die neu aufgesetzt, ohne Spezialeffekte auskommt und von erstklassigen Schauspielern lebt. Zwar wurde der Roman nicht ganz zeilengetreu verfilmt, doch dafür spannend, glamourös und tief greifender, als die Saubermann-Musketier-Filme der Siebziger. Mein Highlight bei der Verfilmung: Das erste Mal gefiel mir Milady de Winters Hintergrund und auch ihre Person!

Eine absolute Filmempfehlung, wenn Sie sich den Klassiker von Alexandre Dumas einmal ansehen oder wieder einmal neu ansehen möchten!

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Die Kriminalistinnen II – Acht Schüsse im Schnee, Mathias Berg

Wie wunderbar, dass die Reihe der Kriminalistinnen weitergeht. Mit ›Acht Schüsse im Schnee‹ stellt Mathias Berg sein zweites Buch der Serie vor. Die Charaktere sind einem mittlerweile vertraut, doch selbst dort sorgt der Autor für einige Überraschungen. Seine Geschichte taucht mit Haut und Haaren in das Jahr 1970 ein. Obwohl Mathias Berg erst 1971 geboren wurde, bewegt er sich in den Siebzigern, als hätte er sie selbst erlebt. Die Atmosphäre der Ruhrgebiet Kneipen, mit ihren Soleiern, Bockwürstchen und typischen Mittagsgerichten sind so authentisch getroffen, wie die Partys, die Mode und die langsam aufflackernde Emanzipation. Auch wenn gerade diese noch am Krückstock ging. Die Handvoll junger Frauen, die das erste Mal bei der Kripo in Düsseldorf eine Ausbildung durchlaufen, habe es nicht einfach. Sexistische Bemerkungen, Übergriffe und ein skeptisch abwertender Blick sind in der Machogesellschaft der Polizei gang und gäbe. Daher müssen Lucia und ihre Freundinnen doppelt so hart arbeiten, um ihre Brillanz zu zeigen. Als der Millionär Ellerbeck in seiner Auffahrt mit acht Schüssen von hinten ermordet wird, ist seine siebzehnjährige Tochter Michaela Zeugin. Ausgerechnet das Mädchen, welches von Polizeianwärterin Lucia Specht in der Nacht zuvor mit falschem Personalausweis aus einem Club geholt und dem Vater übergeben wurde. Michaela will jedoch nur mit Lucia reden und so landet Polizeianwärterin Specht, die mittlerweile ihre Zeit bei der Sitte verbringt, wieder an einem Mordfall.

Ganz toll zu lesen, mit einem Schmunzeln manchmal, wenn von Käseigeln, Pfirsichbowle und Tom Jones die Rede ist. Obwohl der Mordfall sehr spannend ist, wird durch den Zeit- und Lokalkolorit, den Mathias Berg zu zaubern vermag, aus dieses Buch wieder zu so viel mehr, als nur einem Kriminalroman. Bravo! Und da ich jetzt das Ende kenne, weiß ich, der nächste Teil kommt bestimmt!

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Graphic Novel: Kant – Aufbruch der Gedanken, Jörg Hülsmann

Vielleicht wird sich jeder einmal im Laufe seines Lebens mit Immanuel Kant beschäftigen oder versucht es zumindest. Wer es darauf anlegt, den fast tausend Seiten Wälzer der Kritik der reinen Vernunft, der praktischen Vernunft und der Kritik der Urteilskraft zu lesen, der weiß, dass die Sprache, die Grammatik und die schier endlosen Sätze jeden normal begabten ohne Fachhilfe in die Knie zwingen kann. Denn so klare Sätze wie § 7 der Kritik der reinen praktischen Vernunft: »Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten können«, sind eher gezählt in Kants Werk. Daher hatte ich mir von der Graphic Novel ehrlich gesagt eine verständliche Übersicht von Kants Grundsätzen/Kritiken erhofft. Vielleicht war ich etwas zu naiv mit meinem Anliegen!

Was es aber definitiv geworden ist: Es ist eine super Graphic Novel, um etwas über Kant zu erfahren, um einen ersten Einstieg in sein Leben, seine stringenten Routinen, sein Kauzigkeit und sein Genie zu erhalten. Außerdem sind die Illustrationen sehr schön gemacht. Jedoch sollte man, um über Kants Lehren etwas zu erfahren, lieber einen Philosophiekurs belegen.

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Sie sagt. Er sagt. Ferdinand von Schirach – Ein Theaterstück

»Verstehen Sie, meine Welt, mein Verständnis davon, wer ich bin, alles stimmt plötzlich nicht mehr.« Zitat der Nebenklägerin, dem Opfer.

Das neuste Buch von Ferdinand von Schirach erschien erst zwei Tage, nachdem das ZDF das Gerichtsdrama bereits gezeigt hatte. Als Bücherliebhaber bedaure ich das, aber es ist verzeihlich, denn es ist immerhin ein Theaterstück. So habe ich es gelesen und gesehen, was natürlich zusätzliche Impressionen hinterlässt. ›Sie sagt. Er sagte.‹, spielt in einem Gerichtssaal, der Ort an dem Herr von Schirach ein Experte ist. Eine Vergewaltigung wird verhandelt, die sich von der Faktenlage keineswegs klar deuten lässt, weder in die eine noch in die andere Richtung. Während die Verteidigung des mutmaßlichen Täters, das mutmaßliche Opfer als Lügnerin und rachsüchtige Ex-Geliebte darstellt, breitet das mutmaßliche Opfer die furchtbare Tat und damit ihre Seele vor den Richtern aus. Die Geschichte lebt, wie so oft bei Ferdinand von Schirach durch die Ambivalenz, die sie beim Leser und/oder Zuschauer hervorruft.

Es ist definitiv eine Lese- und eine Sehempfehlung meinerseits. Wobei Sie das Theaterstück vorher lesen sollten, bevor Sie den Fernsehfilm, der nebenbei erwähnt, mit erstklassigen Schauspielern besetzt ist, sehen. Wie immer geht Herr von Schirach ein gewaltiges Thema mit leisen und sehr klaren Tönen an, etwas worin er ebenso ein absoluter Experte ist!

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Onesiegurumi, Sascha Blase – Van Wagtendonk

Diese entzückenden kleinen Häkeltiere haben es mir ja angetan. Wie sie unten von den Fotos sehen können, bin ich bereits mehrfache Häkeltierhalterin. Leider bin ich für die Herstellung selbst nicht so geschickt, dafür aber meine Schwägerin. Die zaubert mit einer Häkelnadel oder mit Stricknadeln nicht nur tolle Jacken, Decken, Pullover und Socken, sondern auch diese Amigurumis. Wobei ich ja diese Worte Amigurumi und  Onesiegurumi etwas lächerlich finde, so ähnlich wie das Wort Manga. Häklelieblinge oder drollige Häkletierchen hätten es für meinen Geschmack auch getan. Aber wir lernen ja nie aus, das Wort amu kommt aus dem Japanischen, wie das Wort gurumi und auch Onesie. Bedeutung in der Reihenfolge: stricken, umhüllen und Kleidungsstück. So, dass haben wir auch erledigt, jetzt zu den handwerklichen Anleitungen. Nicht nur die Resultate, ob Füchse, Dinos, Schweinchen, Igel, Otter oder Seehunde, sie sind alle zum Fressen niedlich und darin bin ich der Experte. Meine Schwägerin meint zu dem Buch vom DK-Verlag: gute Anleitungen, durchweg machbar auch für Häkellaien und echt kreativ.

Liebe Handarbeitsfans hergehört, hier kann man das Hobby mit dem Herzen der Beschenkten verbinden, denn jeder, der nicht so toll ist mit den Nadeln freut ich über ein niedliches gehäkeltes Kuscheltier, von mir aus auch Amigurumi!

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Camus muss sterben, Giovanno Catelli

Ein Buch, das von sich selbst behauptet: »Eine hochspannende Mischung aus Investigativ-Roman und Spionagethriller zu sein, glänzend recherchiert und packend erzählt.«

Definitiv ist es aufregend erzählt. Anfänglich mit ein paar schleppenden Hintergrundinformationen nimmt es rasant zu und man kann es bis zur letzten Seite nicht mehr aus der Hand legen. Es erinnert an einen Spionagethriller. Vor allem weil der Autor den möglichen Schlussfolgerungen, die ihn zu der Theorie führen, dass Camus ermordet wurde, einen stetigen ›wahren‹ Anstrich verleiht.

Das passiert durch die glänzend recherchierte Geschichte über de Gaulle, die Infiltration des französischen Geheimdienstes durch den KGB, mit Pasternaks Verfolgung und natürlich durch die vielen bewundernswerten Artikel und Schriften Albert Camus’. Aber die wohl wichtigsten Seiten, die einen schlussendlich überzeugen könnten, dass man Camus durch die Geheimdienste ermorden ließ, befinden sich auf den letzten zwölf Seiten. Sie geben kursiv gedruckt ein Statement wieder, von jemand, den man als schillernde Person bezeichnen kann, Jaques Vergès. Sie sind so überzeugend, dass ich nach dem ersten Lesen dachte, warum nicht so etwas am Anfang steht, das würde jeden Leser in den Bann schlagen. Nur wenn man ein wenig von Jaques Vergès weiß, dem Mann, der seine Autobiografie, ›Ich der brillante Drecksack‹ nannte, wäre an der Stelle definitiv mehr Erklärung zu seiner Vita von Nöten gewesen.

Mein Résümé: Es ist ohne Zweifel ein sehr, sehr spannendes Buch. Für Camus Liebhaber und auch die, die Albert Camus nicht so gut kennen. Es ist ein nachdenklicher Abriss über die Nachkriegsgeschichte, den Kalten Krieg und dessen perfide Machenschaften. Und damit ist es wichtig, um sich Geschichte vor Augen zu halten. Gerade in der heutigen Zeit. Aber ob das Buch den Anspruch erheben kann, den Tod von Albert Camus entschlüsselt zu haben, ist dahingestellt. Aber das weiß der Autor, denn sein Aufruf am Ende des Buchs vielleicht den Funken auszulösen, der der Wahrheit näherkommt, sagt es deutlich. Ob Jaques Vergès den Funken beigetragen hat, kann ich nicht beurteilen, aber es ist noch nicht aller Tage Abend.

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