Alle Artikel von Elke Rossmann
Die vergessenen Kinder, Emily Gunnis
Die vergessenen Kinder ist ein typischer Sonntagsnachmittagskrimi. Ganz spannend, nett zu lesen, etwas zu lang und nicht immer ganz logisch. Dennoch war ich überrascht bei einigen Wendungen und hatte den Mörder eigentlich nicht auf dem Schirm. Daher kann ich das Buch guten Gewissens empfehlen, wenn man Val McDermind oder Elisabeth George nicht zur Messlatte macht.
Jo Hamilton hat nur noch eine Woche zur Pensionierung, als eine sehr alte Leiche gefunden wird. Von Anfang an hat Jo das Gefühl, es handelt sich um die vermisste Holly Moore, die vor Jahrzehnten verschwand. Die Polizistin in ihr ist nicht nur versessen darauf, den Mord aufzuklären, sie hat auch das Gefühl es Molly und ihrer Schwester Daisy schuldig zu sein. Denn es war Jo, die damals zu einem Fall von häuslicher Gewalt zur Familie Moore gerufen wurde. Und sie gibt sich immer noch die Schuld daran, dass die Mutter von den beiden Mädchen damals umkam. Wie eng das Schicksal der beiden Mädchen jedoch mit Jos eigener Familie verwoben ist, kann sie nicht ahnen.
Nicht der beste, nicht der schlechteste Krimi, wobei die Idee wirklich super war, nur die Umsetzung hätte besser sein können.
Feuerjagd, Tana French
Tana French kehrt erneut zurück nach Irland und zu Cal Hooper, dem ehemaligen US-Cop, der sich hier zu Ruhe gesetzt hat. Mittlerweile ist er einigermaßen akzeptiert, doch wird immer ein Fremder bleiben. Doch das ist Cal ganz recht, denn das kleine Dorf mit seinen scheinbar naiven Einwohnern hat eine wesentlich komplexere Struktur und dunkle Geheimnisse. Cal reicht es am Rande zu stehen, solange man nichts gegen seine Verbindung zu Trey hat. Einer Jugendlichen aus zerrütteter Familie, die ihm wie eine Tochter ans Herz gewachsen ist. Da er ebenfalls eine liebevolle Beziehung zu der verwitweten Lena führt, kommt auch niemand auf dumme Gedanken, wenn Trey ihn täglich besucht. Sie lernt bei ihm das Schreinern und eine Art Erziehung, was den Umgang mit Menschen angeht. Soweit wäre alles in bester Ordnung, würde nicht eines Tages Treys Vater Johnny wieder auf der Matte stehen. Der charmante Kleinkriminelle verließ seine Frau mit den vier Kindern vor Jahren und steht plötzlich vor ihrer Tür, mit der größten Geschäftsidee seines Lebens. Leider involviert er damit das ganze Dorf und wie im Rausch scheint ihm jeder auf den Leim zu gehen. Auch Trey lässt sich von Johnny vereinnahmen. In dem Moment kann sich Cal nicht mehr raushalten, was ihm in diesem Dorf nicht gut tun wird.
Auch der zweite Teil um Cal Hooper lebt von den Charakteren der Dorfbewohner, der manchmal gruseligen Dynamik ihres Handelns und den klaren Strukturen, die Fremde nie überschreiten sollten. Als Leser wollte ich zwischendrin Hooper warnen, aufhalten, aber für seine Trey, die ihm wie eine Tochter ans Herz gewachsen ist, würde er fast alles tun. Nur gut das seine Lena den Überblick nicht verliert. Tolle Geschichte, tolles Buch! Weiterlesen
Foxglove, Teil zwei der Trilogie, Adalyn Grace
Romantik, Teenagerliebe, etwas Sex und jede Menge Soireen. Wie ich schon beim ersten Teil ›Belladonna‹ berichtete, ist die Trilogie eine Art Märchen. Eine junge Frau liebt, ja wen eigentlich? Den Tod, der in den Büchern aber ein Schattenwesen ist und sich nur hin und wieder zu einem attraktiven jungen Mann materialisiert. Unsere Protagonistin, Signa, hat die Gabe nicht zu sterben, daher kann der Tod ihr nahekommen, ohne dass zu viel passiert. Was jedoch passiert, ist die große Liebe und jede Menge Gefummel. Eigentlich hätte es hier mit, ›und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben … (sind sie noch heute tot?)‹ enden können. Doch das Schicksal, ebenfalls in Form eines gut aussehenden jungen Mannes betritt die Bühne. Das Schicksal ist zufällig der Bruder des Todes und nicht gut auf ihn zu sprechen. Er sieht in Signa die Inkarnation seiner lange verlorenen Braut, die der Tod irgendwann einmal holte, weil sie sterben musste. Das hat das Schicksal seinem Bruder nie verziehen und stellt jetzt jede Boshaftigkeit an, um ihm die Freundin auszuspannen.
Sie sehen, so ganz ernst nehme ich die Geschichte nicht. Es ist definitiv ein Teenagerroman, eine Trilogie wie die Twilight-Saga mit viel Romantik, mit weniger Bissen und Kämpfen, dafür mehr Bälle, Geister und Abendkleider. Aber es ist ganz bestimmt gute Unterhaltung für Fünfzehnjährige. Als Jugendbuch nicht schlecht. Für Erwachsene weibliche Romantikerinnen nur geeignet, wenn Sie ›Dirty Dancing‹ mehr als zweimal gesehen haben.
Erstaunliche Welt der Ozeane, Foto- und Wissensband für Kinder ab 10 Jahre
Ich muss erst einmal vorausschicken, ich bin eine passionierte Taucherin und habe so ziemlich allen Ozeanen der Welt von oben und unten gesehen. Daher finde ich die Wissensbücher für Kinder, die sich mit der Unterwasserwelt beschäftigen besonders spannend. Denn es ist nicht einfach, ein solches Buch kindgerecht zu kreieren. Es muss schon die richtige Mischung aus Information, Illustration und Fotos sein, um die Kleinen bei der Stange zu halten. Annie Roth, der Autorin von ›Erstaunliche Welt der Ozeane‹ und ihrem Illustrator Tom Smart ist das jedoch mehr als gelungen. Es ist spannend und macht einfach Freude, durch die 176 Seiten voller interessanter Fotos und dem Wissen um das Meer zu blättern. Es gibt so viel darin zu entdecken, sodass selbst ich es immer mal wieder zur Hand nehme, um mir eines der Kapitel anzusehen. Vor allem wird eine Menge rund um die Ozeane abgedeckt. Nicht nur die geografischen Infos, ihre Bewohner, sondern auch Besonderheiten, wie Schiffwracks, Vulkane, Wasserhosen oder die Meeresforschung.
Kinder sind versessen auf solche Bildbände, das hat man beim Dinosaurierfieber vor ein paar Jahren gemerkt. Selbst die Kleinsten kannten die kompliziertesten lateinischen Namen der Dickhäuter. Wobei das Wissen über die Meere wesentlich sinnvoller und mindestens genauso spannend ist. Ein ideales Nikolaus- oder Weihnachtsgeschenk und das nicht nur für Kinder ab 8 Jahren.
Wiener Zuckerbäcker, Bernadette Wörndl
Wer des Öfteren in Wien ist und die Stadt genauso liebt, wie ich es tue, kennt natürlich auch die Kaffeehäuser. Ob das alte Café Savoy, das Sacher oder auch die kleineren rund um den Naschmarkt, der Spanischen Hofreitschule oder der Albertina. Eines ist klar, die Wiener Zuckerbäcker und auch die Caféhäuser haben noch heute eine ganz besondere Tradition. Wenn sie Weihnachten die Auslagen des Sacher betrachten, kann man sich schon im wahrsten Sinne des Wortes an den Süßigkeiten sattsehen. Wen wundert es? Wien war lange die Hauptstadt eines Kaisers und das hat sich auf die Kultur, den leiblichen Genuss und auch die Extravaganz der Speisen niedergeschlagen. Bernadette Wörndel hat in ihrem Zuckerbäckerbuch süße Klassiker und wiederentdeckte Schätze verewigt. So finden wir hier nicht nur die ursprünglichen Rezepte für Kuchen, Torten, Schnitten, Gebäck und Kekse, es werden auch die typischen Wiener Leckereien, wie Marillenknödel, Germknödel und nicht zu vergessen der Kaiserschmarrn appetitlich vorgestellt. Die zusätzlichen wunderschönen Fotografien des historischen und auch modernen Wiens verleihen dem Backbuch viel mehr Flair als nur einer Rezeptsammlung.
Ich wünsche Ihnen beim Backen, Rühren, Dampfen und Garnieren viel Spaß und vor allem tauchen sie genüsslich in die süßen Aromen der österreichischen Hauptstadt ein.
City on Fire, City of Dreams und City in Ruins, Don Winslows letzte Bücher
Im Jahr 2017 schrieb ich für die Rezension von Winslows Polizeidrama, Corruption, folgendes: Es gibt gute Thriller, es gibt fantastische Thriller, doch die absolute Superlative sind die Thriller von Don Winslow! Ein Satz der sich auch für alle nachfolgenden Bücher bewährt hat.
Don Winslow verfasste weit über zwanzig Romane. Etliche wurden und werden noch verfilmt, doch keines der Bücher hatte jemals Schwächen oder Längen. Seine Weltbestseller zeichnen sich durch erstklassige Recherche aus, bei der man sich manchmal fragt, woher hat Winslow diese Fakten. Und eine weitere seiner großen Stärken ist sein besonderer Stil.
Mit unprätentiösen wenigen Worten lässt er den Leser in der Welt der Drogenbarone oder Mafiafamilien eintauchen, als wäre er selbst dort groß geworden. Kein überflüssiges Wort fällt, wenn er völlig nebenbei Grausamkeiten beschreibt und dennoch dem noch so brutalen Auftragsmörder eine verletzliche Seele andichten. Und das Wort dichten ist für Winslow mehr als zutreffend. Auch wenn die Unterhaltungsliteratur, besonders das Genre Thriller und Action allgemein nicht unbedingt zur ernsten Literatur gehört, bilden Winslows Werke die Ausnahme. Er kann sogar alle Regeln des Schreibens auf den Kopf stellen und damit jede Lektorin und jeden Lektor verzweifeln lassen. Jedoch bringen sogar seine Zweiwortsätze, selbst Zweiwortkapitel etwas besser auf den Punkt, als man das mit vielen Worten hätte sagen können.
Die Trilogie über das Leben des irischen Mafiamitglieds Danny Ryan, sind nun wirklich seine letzten Bücher, die Anfang dieses Jahrs fertig wurden. Don Winslow sagte, er hätte alles geschrieben, was er erzählen wollte. Aber ein noch größeres Anliegen ist es ihm, seine ganze Energie seit Anfang des Jahres in die Politik zu stecken. In einem Interview sagte er:
Zitat:
›Trump sei ein „Möchtegern-Diktator, ein Faschist, der, als er abgewählt wurde, versucht hat, sich diese Macht mit einem Staatsstreich wieder zu nehmen“, sagte der Schriftsteller der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die Trump-Seite scheue nicht vor heftigen Angriffen zurück, die Gegenseite schon: „Die Demokratische Partei hat leider manchmal Hemmungen, richtig zurückzuschlagen. Ich nicht.“‹ Frankfurter Rundschau Mai 2024
Ein großartiger Autor verlässt die Welt der Bücher und das Eschborner Stadtmagazin wünscht ihm Glück mit all seinen zukünftigen Aktivitäten!
Doch jetzt lassen Sie uns über Danny Ryan reden:
Verraten, Jussi Adler Olsen, Band 10 Sonderdezernat Q
Buchmesse 2011, dort traf ich Jussi Adler Olsen das erste Mal und führte ein fast einstündiges Interview mit ihm über seinen ersten Band der Sonderdezernat Q – Serie. Die Zeitung hatte mich geschickt, weil mein Kollege sich eine Lungenentzündung geholt hatte und ich ein besseres Englisch sprach. Dennoch war ich aufgeregt, den Jussi war auf dem besten Weg ein Weltbestseller-Autor zu werden. Doch den Menschen, den ich traf, war alles andere als ein VIP. Ein unglaublich großzügiger, gesprächsbereiter netter Kerl saß mir gegenüber. So wurde der Titel meines ersten Interviews mit ihm: Jussi Adler Olsen, ein Genie und ein netter Kerl mit beiden Füßen auf dem Boden. Ein Mensch zum Anfassen! Danach traf ich Jussi weiter vier Mal zu Interviews, zum Fototermin oder um ihm einfach Lakritz vorbeizubringen, dass er liebt.
Gelesen habe ich natürlich alles von ihm, nicht nur die Carl Morck Romane, auch alles andere und jedes seiner Bücher ist mehr als gut. Selbst seine Biografie ist ein kleiner Krimi!
Mit etwas Wehmut geht nun das Sonderdezernat Q zu Ende. Band 10, Verraten, ist erschienen und den letzten Band möchte ich mit einer kleinen Träne des Abschieds hier besprechen.
Alle die den ersten Teil Erbarmen gelesen haben, denen brauche ich nichts weiter zu erzählen, denn die haben bereits Band zehn gelesen. Doch für Sie lieber Leserinnen und Leser, die eventuell noch nie etwas von Carl Morck, Assad, Rose und Gordon vom Sonderdezernat Q gehört haben, denen widme ich meine Rezension. Denn man verbringt Qualitätszeit im Leben, wenn man Jussis Thriller liest. Und einmal gefangen ist man mitgehangen und das bis zum Ende. Darum besorgen Sie sich noch heute Erbarmen, den ersten Teil, um mit Jussi auf eine lange Thriller-Reise zu gehen, die mit Band zehn leider endet.
Jussi, gut gemacht, ich hoffe, wir hören weiterhin von dir!
Sepia und das Erwachen der Tintenmagie, Theresa Bell
Eine geheimnisvolle Stadt in der Tinte und Bücher das wertvollste Gut sind, ein Waisenkind, das von einem Buchdrucker aufgenommen wird, Geheimnisse und Bleibuchstaben mit einem Eigenleben sind die besten Zutaten, um eine magische Geschichte zu erzählen. Wenn in Flohall Perlnacht ist, die erste Nacht des neuen Jahres, bleiben alle zu Hause, denn es bringt Unglück, in der Nacht auf den Straßen bei den Geistern zu sein. Nur leider wird Sepia ausgerechnet in der Nacht aus dem Waisenhaus abgeholt, um ihren Dienst beim Buchdrucker Silbersilbe aufzunehmen. Auch wenn die älteren Lehrlinge alles andere als nett zu Sepia sind, ist Meister Silbersilbe herzensgut. Und die beiden Lehrlinge des Buchbinders und der Malerin aus Flohall, Niki und Sanzio, werden in kürzester Zeit zu Sepias besten Freunden. So könnte Sepias Leben endlich schön werden, wenn nicht plötzlich ein Anschlag auf ein Café und dann ein Feuer in der Buchdruckerei ihr Leben völlig durcheinanderbringen würden. In dieser Nacht verschwinden die drei Meister und Niki, Sanzio und Sepia bleibt nichts anderes übrig, als nach ihnen zu suchen.
Das Buch ist der hübsche Auftakt einer neuen magischen Reihe, die ganz ähnlich wie bei Harry Potter von mutigen Kindern handelt, die gegen einen übermächtigen Feind kämpfen und ihre eigenen alchimistischen Fähigkeiten dabei entdecken.
Zauberhafte Aussichten, Stella Benson
Stella Benson war definitiv ihrer Zeit weit voraus, sowohl als Schriftstellerin, als Feministin und auch als Mensch, der 1892 geboren wurde. Und das spiegelt sich in dem Buch Zauberhafte Aussichten in jedem Satz. Denn es hat eine abstruse Schönheit, wie man das von Picassos und Dalis Bildern kennt. Es ist gesellschaftskritisch gleich der Achtundsechziger-Bewegung, dabei feministisch wie die Achtziger und dennoch völlig aus der Zeit gefallen. Die Geschichte ist ein wilder Ritt einer Frau in London zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Als Dame in der Gesellschaft, dem Komitee und der Moral verpflichtet, manifestiert man sein Dasein mit Wohltätigkeit. Nur Sarah Brown ist anders, war immer anders und findet ihren Platz nicht. Bis eine Hexe während einer Sitzung des Komitees erscheint und Sarah einlädt, bei ihr zu wohnen.
Viel treffender als es die Daily Mail vor über hundert Jahren zu dem Buch schrieb, vermag ich es auch nicht auszudrücken: ›Alle, die mit Humor etwas anfangen können, alle, die von Schönheit verzückt werden, alle, die Gefallen an Allegorien finden, die uns abwechselnd zu Gelächter und zu Tränen rühren, sollten sich unverzüglich Zauberhafte Aussichten beschaffen.‹