Leon Morell: Der sixtinische Himmel

Als die Erstausgabe von Leon Morells „Der sixtinische Himmel“ 2013 erschien, feierten die Fresken, die im Mittelpunkt des Historienromans stehen ihren 500. Geburtstag. Ob Zufall oder Kalkül – wer will das wissen. Bemerkenswert hingegen, dass die italienische Renaissance die Menschen immer noch fasziniert, begeistert und dazu inspiriert, sich mit dieser Zeit und ihren Künstlern auseinander zu setzen und 4 Jahre des eigenen Lebens mit der Recherche und dem Schreiben einer Geschichte über diese Zeit zu verbringen. 4 Jahre, so lange hat Michelangelo benötigt, um die Fresken der Sixtinischen Kapelle fertigzustellen. Nun, Morell hat die Zeit gut genutzt und zeichnet ein stimmiges, vielschichtiges Bild des Italiens des 16. Jahrhunderts sowie ein lebendiges Bild des Vatikans zu dieser Zeit. Dabei thematisiert der Autor die Liebe und Freundschaft, die politischen Konflikte zwischen Italien und Frankreich, die die Arbeiten am Fresko ebenso beeinflussen wie die Pest und der  Wechsel zwischen Hitze und Kälte. Morell portraitiert Michelangelo als einen Menschen, der für seine Kunst brennt, geradezu davon besessen ist, Tag und Nacht arbeitet, um seine Ideen umzusetzen und zu vollenden. Ein Genie, zerrissen, das gegen seine Dämonen kämpft. Aurelio, ein Bauernsohn mit geschickten Händen und großer Gefühlswelt, will Bildhauer werden und bei Michelangelo in die Lehre gehen. Ihm fällt nicht nur die Rolle des Erzählers zu. Mit Aurelio sind wir dabei, wie Ätzkalk angerührt, Pigmente gemischt und Putz kopfüber angebracht werden, um die giornata, das sogenannte „Tagewerk“ zu vollbringen. Wir erleben den Kampf gegen Kälte und Hitze, gegen Schimmel und Stillstand, gegen die Zeit und sogar gegen den Tod. Immer klarer wird, wie riskant Michelangelos Vorhaben ist, denn das Kunstwerk ist sowohl in den Motiven als auch in der Ausführung revolutionär. Aurelio avanciert zu Michelangelos Muse. Papst Julius II., Auftraggeber und irgendwie Widersacher in einem, kommt wie auch in anderen Publikationen nicht gut weg. Ich habe etwas gebraucht, um in die Geschichte hinein zu kommen, aber am Ende war ich beeindruckt und fasziniert von deren Dramatik. Darüber, was Michelangelo geleistet hat und was für Gefühle er mit seinem Fresko ausgedrückt hat. Und was für ein komplexer und komplizierter Vorgang es allein in technischer, chemischer und physikalischer Hinsicht ist. Ganz zu schweigen von dem Ideenreichtum und dem Wissen, das dem Fresko zugrunde liegt. Und weil die Renaissance nichts von ihrer Faszination verloren hat, kann man dem dtv nur dafür danken, dass er „Der sixtinische HImmel“ neu aufgelegt hat.

Leon Morell, geboren 1967, hat Musik- und Literaturwissenschaften studiert. Seine große Begeisterung für Italien und die Kunst der Renaissance inspirierte ihn zu diesem Roman, an dem er ebenso lange gearbeitet hat wie Michelangelo an den Fresken der Sixtinischen Kapelle. Heute lebt der Vater von drei Kindern in Berlin.

Italien, Anfang des 16. Jahrhunderts. Der junge Aurelio kommt nach Rom, um beim größten Bildhauer seiner Zeit in die Lehre zu gehen: Michelangelo Buonarroti. Gerade hat Papst Julius II. den Künstler mit einem Deckenfresko für die Sixtinische Kapelle beauftragt. Widerstrebend macht sich Michelangelo ans Werk – gilt seine Leidenschaft doch der Bildhauerei. Und nicht selten wird Aurelio Zeuge der Machtspiele zwischen seinem Maestro und Julius. Nachts jedoch erschafft Michelangelo aus weißem Marmor das Bildnis der Frau, die keiner jemals sehen darf: die Kurtisane des Papstes.

dtv – Taschenbuch – 576 Seiten – 14,00 € – ISBN 978-3-4232-2074-3

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