Sabine Kügler: Ich schwimme nicht mehr da, wo die Krokodile sind

Sabine Küglers Welterfolg „Das Dschungelbuch“ ist damals an mir vorbeigegangen. Vermutlich weil ich ein Kind im Kindergartenalter hatte und andere Lektüre vorlas. Denn, die Abenteuer, die die Autorin in ihrer frühen Kindheit und Jugend erlebt – überlebt – und bestanden hat, haben so gar nichts mit Pipi Langstrumpf oder „Die drei Fragezeichen“ zu tun. Es sind Abenteuer, die selbst Daniel Defoe Robinson Crusoe und Freitag nicht auferlegte und: sie entsprangen seiner Fantasie. Küglers Alltag in Papua-Neuguinea ist Realität. Es ist kein Videospiel in dem es darum geht, das nächste Level zu erreichen. Es geht darum, den nächsten Tag zu überleben. Ob es richtig oder falsch von den Eltern war, bewusst mit kleinen Kindern im Dschungel zu leben, steht nicht zur Diskussion. Inwieweit die Missionarstätigkeit der Eltern von Nachhaltigkeit gesegnet ist, gehört zur Geschichte der Eltern. Fest steht aber, dass das Aufwachsen von Kindern, egal wo, ob im Dschungel oder in der Großstadt, immer mit Gefahren und Herausforderungen verbunden ist. Kügler schreibt fesselnd und sehr intensiv. Ich kann mich ihren Erzählungen nicht entziehen, sie stimmen mich nachdenklich. Parallelen zum Jetzt und Hier drängen sich auf. Wenn eine intelligente Frau, wie Sabine Kügler sich offensichtlich immer noch schwertut, sich in der Zivilisation zurecht zu finden, wie ergeht es all den Flüchtlingen, die nur eine Kultur, eine Spiritualität in sich tragen, die fern der Heimat sind und schwer Zugang zum neuen Lebenskreis finden. Menschen, die nicht wie Frau Kügler, über die Möglichkeit verfügen, sich zu artikulieren, über Schmerz, Ängste und Verluste zu schreiben? Mit dem offensiven Umgang ihrer ganz persönlichen Lebensgeschichte, sensibilisiert Kügler ihre Leser: innen für einen respektvollen, toleranten Umgang miteinander. Ob Sabine Kügler 20017 nicht nur physisch geheilt aus dem Dschungel, sondern auch einen bleibenden Frieden für sich gefunden hat, kann nur die Autorin beantworten. Zu wünschen ist es ihr!

Am 13. November 2023, 19.00 Uhr, stellt die Autorin ihr Buch in der Evangelischen Akademie, Römerberg 9, 60311 Frankfurt am Main vor. Ticketreservierungen unter Veranstaltungen@Westendverlag.de

Foto: EPA (Jens Kalaene)

Sabine Kuegler wurde 1972 in Nepal geboren. Im Alter von fünf Jahren kam sie mit ihren Eltern, beide Sprachwissenschaftler, in den Dschungel von Westpapua, Indonesien, wo sie ihre Kindheit und Jugend verbrachte. Die Familie lebte dort mit einem damals kaum bekannten indigenen Stamm, den Fayu. Mit 17 Jahren verließ Sabine Kuegler den Dschungel und machte ihren Schulabschluss in der Schweiz. 2005 erschien ihr erstes Buch Dschungelkind, ein Weltbestseller, der in über 30 Sprachen übersetzt wurde. 2012 kehrte sie, erkrankt und von den Ärzten aufgegeben, in den Dschungel zurück, wo sie fast fünf Jahre mit verschiedenen Stämmen im tiefsten Urwald von Papua-Neuguinea und den Salomon-Inseln lebte und schließlich Heilung fand. Heute arbeitet Sabine Kuegler als Unternehmerin und engagiert sich gegen soziale und kulturelle Missstände.

Sabine Kuegler wuchs im Dschungel von Westpapua auf, ihr Buch „Dschungelkind“ wurde ein weltweiter Millionenbestseller. Mit 17 Jahren kam sie nach Europa und erfuhr einen Kultur-Clash. Heute lebt sie in Hamburg, hat Kinder, Freunde und Arbeit. Aber noch immer ist sie eine Zerrissene zwischen den Welten und der innere Kampf um ihre Identität quält sie. Im Dschungel hatte sie gelernt, unsichtbar zu werden, um zu überleben – in der westlichen Welt muss man sichtbar sein. Sie wurde darauf trainiert, ihre Welt mit allen Sinnen wahrzunehmen, aber hier waren sie permanent überreizt. Sie zweifelt und blickt von außen und innen auf unsere Zivilisation: Sind wir hier glücklich? Entfremdet? Gesund? Krank? Mehrfach kehrt sie in den Dschungel zurück. Bei einer dieser Reisen erkrankt Sabine Kuegler schwer, gilt als austherapiert und unternimmt einen letzten verzweifelten Rettungsversuch: Sie verlässt Deutschland, gibt ihre Kinder in die Obhut ihrer Väter und geht zurück in den Dschungel, in die Kultur, in der sie sich beschützt fühlt. Sie erlebt dort Abenteuer, die für viele Menschen kaum zu glauben sind. Erst nach fünf Jahren kommt sie zurück und erzählt erstmals von dieser dramatischen Zeit, von ihrer Suche nach Heilung, Glück und ihrem Platz im Leben. Dabei öffnet ihr einzigartiges Leben vielleicht auch die Chance, in einer globalisierten Welt Mittlerin zwischen den Kulturen zu sein. „Meine Geschichte begann an dem Tag, an dem mein Vater das Volk der Fayu entdeckte, einen Stamm, der in seiner Entwicklung seit Jahrhunderten stillsteht. Es war auch der Beginn des inneren Zusammenpralls zweier Welten. Denn ich trage in mir die Kultur, die Psychologie, die Mentalität und die Spiritualität von zwei Gesellschaften, die so gegensätzlich und so voneinander verschieden sind, dass sie auf unterschiedlichen Planeten zu Hause sein müssten.“

Westend Verlag – gebunden – 320 Seiten – 24,00 € – ISBN 978-3-8648-9427-5