Am 11. Oktober ist von Boris von Brauchitsch ein weiteres Buch erschienen das anhand von mehr als 160 Bildern aufzeigt wie in Berlin Motorfahrzeuge die Straßen eroberten. Wie er in einem Telefoninterview mit dem Eschborner Stadtmagazin mitteilte, hat er damit seinen 4. Bildband zur Mobilität in Berlin veröffentlich. Der 1.Band „Ohne Motor“ handelt von Fahrrädern, der 2.Band „Unter Dampf“ über Bahnverkehr und der 3. Band „Abgehoben über die Fluggeschichte. Das Werk ist nicht nur für Berliner interessant, nein durch überregionale Bezüge wird das Werk auch für historisch interessierte Leser ein muss.
Dr. Boris von Brauchitsch studierte Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher zur Kunst und Fotografie. In der Edition Braus erschienen zuletzt die Bände zur Mobilität in Berlin.
Berlin ist ohne Autoverkehr unvorstellbar obwohl einige Kräfte besonders in Berlin sich politisch derzeit dafür einsetzen eine autofreie Stadt zu erschaffen. Sicherlich noch eine Utopie zumal das Auto für viele Deutsche mehr ist als ein schnödes Fortbewegungsmittel. Es ist wie in vielen anderen Ländern nicht nur ein Statussymbol sondern auch ein Identifikationsobjekt. Seit um 1900 die Motorfahrzeuge – Feuerwehren, Krankentransporter, Müllabfuhr, Sprengwagen, Postautos und Autobusse – neben Pferdekutschen und Schienenfahrzeuge die Straßen eroberten, schritt auch die Entwicklung des Individualverkehrs rasant voran und trieb teils bizarre Blüten.
….Sommer 1901. Was für ein Abenteuer, zu dem 110 Automobilisten und zehn Motorräder in Paris aufbrachen. 1.200 Kilometer lagen vor ihnen, die in drei Tagen zu bewältigen waren. Das Ziel war Berlin. …. Die Veranstaltung war ein Desaster und endete mit einer Bilanz von 28 Toten und 29 Schwerverletzten, was den Veranstalter den Automobiie Club de France, immerhin dazu veranlasste, ein Reglement für zukünftige Autorennen ins Auge zu fassen.
Erst 1910 trat das erste deutsche Kraftfahrgesetz in Kraft, das verbindliche Verkehrsregeln festlegte und dem Chaos auf der Straße Grenzen setzte. Eine Notwendigkeit angesichts des steigenden Individualverkehres, obwohl die Zahl der Personenkraftwagen noch immer bescheiden war: Noch 1927 waren es deutschlandweit 400.000 und in Berlin weniger als 30.000 PKW.
Die Nationalsozialisten förderten mit ihrem Programm die „Volksmotorisierung„ und auch die „autogerechte Stadt„ der Nachkriegszeit war ganz auf private Automobilität ausgerichtet. Selbst heute wird um jede Handbreit Platz, die dem Autoverkehr abgetrotzt werden soll, gestritten.
Der kluge Überblick beleuchtet technische und auch politische Entwicklungen, zeigt die Unterschiede in Ost und West auf und lässt natürlich auch Berliner Besonderheiten wie die Rennen auf der AVUS nicht aus. Die verschiedensten Fahrzeuge werden die Herzen von Autoliebhabern höherschlagen lassen; zugleich lässt der Rückblick auf die vielfältigen Möglichkeiten der Mobilität auch Ideen für eine mobile Stadt der Zukunft erkennen.
Zeit, um über die Zukunft des Automobils nachzudenken. Dafür lohnt sich allemal ein Blick zurück, auf eine mal wilde, mal gemütliche Fahrt durch das motorisierte Berlin in sehr beeindruckenden Bildern aus der bpk-Bildagentur. Sie ist eine Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte und eine Einrichtung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die im Buch veröffentlichten Fotos sind von erstaunlich guter Qualität aber auch Ästhetik. Wobei der Herausgeber z.T. auch auf die Skurilität bei der Auswahl der Bilder Wert legte, wie er im Interview betonte. Der Text zu dem Bildband ist sehr informativ und möchte zur Diskussion zu unserer gegenwärtigen und zukünftigen ( Auto-) Mobilität anregen und auf den Prüfstand stellen.
Abgefahren. Die Automobilisierung in historischen Fotos aus Berlin, Berlin, Edition Braus 2019Format 24 x 21 cm, 144 Seiten mit etwa 160 Abbildungen, Hardcover, ISBN 978-3-86228-201-2,€ 24,95
Für das Eschborner Stadtmagazin: Rolf-J. Maier-Lenz, Erkner bei Berlin