Erinnern Sie sich? Die 80er Jahre, Talking Head und deren Song „Once in a lifetime“ mit der Zeile „Same as it ever was“, zu Deutsch: Genau so, wie es immer war? Es gibt weitere Gemeinsamkeiten zwischen diesem Song und dem vorliegenden Roman, wie unbewusst zu leben und keinen Kontext zu Ereignissen in seinem Leben herzustellen, den Dingen ihren Lauf zu lassen, statt aktiv und die treibende Kraft seines Lebens zu sein, und dann die lichten Momente, in denen man sich fragt, wie man an einen – diesen – gewissen Punkt kommen konnte und als Reaktion darauf die Dinge sieht, wie sie sind. Aber man sollte sich von dem etwas angestaubten Titel nicht täuschen lassen: dies ist ein großer Roman, der genug bietet, um den ganzen Sommer zu unterhalten und er ist gedankenvoll genug, um sein beträchtliches Gewicht zu rechtfertigen. Während viele Romane zu lang sind, nutzt „Genau so, wie es immer war“ seine 700 Seiten und Möglichkeiten voll aus, um das Leben der Protagonistin Julia Ames zu beleuchten. Eine Frau, die langsam und willkürlich Frieden in ihrer Mutterrolle findet. Erzählt wird die Geschichte in zwei verdrehten Strängen, einer Doppelhelix aus Vergangenheit und Gegenwart. Als Frau eines sie anbetenden Mannes und Mutter eines aufgeweckten Vorschulkindes sollte Julia die Tage mütterlicher Glückseligkeit genießen. „Aber stattdessen“, so Lombardo, „fühlte sie sich nicht geerdet, grübelnd, während sie nachdenklich in die mittlere Distanz starrte…“ „…und musste unterdessen Tag-ein-Tag-aus die Einsamkeit der Mutterschaft, die tödliche Langeweile ertragen“. In Lombardos sorgfältig strukturierter Handlung ist zu sehen, wie Julia sich bemüht, über den Einfluss ihrer eigenen bösen Mutter hinauszugehen, die sich einst von Armut, unzuverlässigen Männern und einer Tochter, die sie nie wirklich mochte, gefangen fühlte. Für Julia schürt dieses mütterliche Vermächtnis die Entschlossenheit, anders zu sein, einen Weg zu finden, ihre Kinder zu lieben – und vielleicht eines Tages sogar sich selbst. Aber wenn neue Herausforderungen unter der Oberfläche ihres geregelten Lebens kratzen, keimen alte Zweifel an ihrer Befähigung als Mutter wieder auf. Claire Lombardo behält die Kontrolle über die Entwicklung ihrer Protagonistin und gleitet nicht in eine Soap Opera ab, sondern zeichnet das Bild einer Frau, deren Innenleben komplex und aufschlussreich ist. „Genau so, wie es immer war“ erkundet die steinige Landschaft des wahren Lebens, untersucht neue Wege mütterlicher Ambivalenz, generationsübergreifende Freundschaft und den zufälligen Ursache-und-Wirkung-Effekt. Lombardo verfügt über einen aufmerksamen Blick für die Beschaffenheit des Stoffs aus dem eine Familie ist und weiß um die Chemie – diesem besonderen Klebstoff aus Reiz und Zuneigung – der eine Ehe zusammenhält.
Claire Lombardo, 1989 geboren in Oak Park, Illinois, arbeitete als Sozialarbeiterin und PR-Agentin, bevor sie am renommierten Iowa Writers‘ Workshop studierte. Ihr Debütroman ›Der größte Spaß, den wir je hatten‹ war ein New York Times-Bestseller, wurde für den Women’s Prize for Fiction nominiert und in ein Dutzend Sprachen übersetzt. Sie lebt in Iowa City.
Sylvia Spatz arbeitet als freie Lektorin und Übersetzerin aus dem Englischen, Italienischen und Französischen. Sie lebt mit ihrer Familie in Italien.
Mit Ende fünfzig geht es Julia Ames wirklich gut: ein liebender Ehemann, zwei wohlgeratene Kinder, ein hübsches Haus in der Suburb. Aber dann wird ihr so sicher scheinendes Glück auf die Probe gestellt. Ihr Sohn überrascht sie mit einer folgenschweren Nachricht, ihre Tochter ist im Begriff, das Elternhaus zu verlassen. Und Julia trifft zufällig eine Frau, mit der sie vor fast 20 Jahren eine innige Freundschaft verbunden hat – alte Wunden reißen auf. Gefangen zwischen bewegter Vergangenheit und chaotischer Gegenwart verliert Julia zunehmend die Kontrolle. Brillant ergründet der Roman die komplizierte Gefühlswelt einer ganz normalen Frau und beleuchtet die kleinen Momente, die über Erfolg oder Scheitern einer Familie entscheiden.
dtv – gebunden – 720 Seiten – 26,00 € – ISBN 978-3-4232-8417-2