Isabelle Lehn: Die Spielerin

Der Verlag hat sich ins Zeug gelegt, den neuen Roman von Isabelle Lehn optisch ansprechend zu präsentieren. Der Ausschnitt aus Cornelius Völkers Gemälde „Handtasche“ ist meiner Meinung nach gut gewählt: Die Frau auf dem Bild spielt – kokett – mit ihren Reizen, mit einer gewissen Unschuld und gleichzeitig verbirgt sie etwas. Der Verlag hat sich auch nichts unversucht gelassen, auf den Inhalt hinzuweisen und aus den Kommentaren der Schriftstellerkollegen Simon Urban und Daniela Dröscher zitiert. Letztendlich aber, wenn Leserin und Leser das Buch aufgeschlagen haben und mit dem Lesen beginnen, muss die Geschichte überzeugen. Isabelle Lehn hat für diese Geschichte eine Form gewählt, wie sie aus dem investigativen Journalismus bekannt ist, oder wie sie in einem Ermittlungsprotokoll Verwendung finden würde. Wer sich noch an die Fernsehspiele aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts erinnert, mag ein Déjà-vus empfinden. Lehn erzählt aus einer sehr distanzierten Perspektive, lässt keine Nähe aufkommen. Weder zwischen ihren Figuren noch zwischen Leserschaft und ihren Charakteren. Lehn nimmt ihre Leser nicht an die Hand, gibt keine Guideline, nicht einmal einen Charakter, der sympathisch ist oder wenigstens eine Figur, die man nicht mag. Es hilft nur aufmerksames Lesen und Beobachten, wie die noch so kleinen Puzzleteile zusammenpassen und nach und nach ein Ganzes ergeben. Und plötzlich, ohne dass man es wirklich kommen sah, ist diese unscheinbare Protagonistin A. ein Mitglied der kalabrischen Mafia, wäscht Geld, dass es nur so eine Freude ist und muss ihren Ausstieg irgendwie immer im Blick gehabt und Vorkehrungen getroffen haben. Im Prozess tut sie dass, was sie besonders gut kann: sie schweigt. Und am Ende verlässt sie das Gericht vorbestraft, aber frei und fliegt der Sonne entgegen.

Foto: Dirk Skiba

Isabelle Lehn, geboren 1979 in Bonn, lebt heute in Leipzig und schreibt erzählende und essayistische Prosa. Sie ist promovierte Rhetorikerin, Autorin des mehrfach ausgezeichneten Debütromans »Binde zwei Vögel zusammen« und zuletzt des Romans »Frühlingserwachen«. Für ihre literarische Arbeit erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, zuletzt den Dietrich-Oppenberg-Medienpreis für ihren Aufsatz »Weibliches Schreiben« (S. Fischer hundertvierzehn), der sich mit der geschlechtsspezifischen Rolle von Autor:innen im Literaturbetrieb auseinandersetzt.

 

Von der Bankerin in Zürich zur weltweit operierenden Buchhalterin der kalabrischen Mafia – ein Roman über eine unauffällige Frau.

Eine junge Frau zieht in den 1990er Jahren aus der niedersächsischen Provinz nach Zürich, um als Investmentbankerin Karriere zu machen. Dort lernt sie die Welt der Bad Banks kennen, in der weder Grenzen noch Gesetze zu gelten scheinen. Als ihre Karriere jedoch stagniert, erkennt sie, wie viel Freiraum es ihr gewährt, eine Frau zu sein, die übersehen wird: Abseits der Legalität investiert sie bald Millionen. Vor Gericht schließlich schweigt sie. Ihre Geschichte erzählen andere.

S.Fischer Verlag – gebunden – 000 Seiten – 25,00 € – ISBN 978-3-1039-7202-3

 

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