Hat sich Simone Meier in ihren voran veröffentlichten Romanen im hier und heute bewegt, greift sie in ihrem heute erschienenen Roman „Die Entflammten“ die historische Lebensgeschichte der Jo van Gogh-Bonger auf. Sie verwebt – auf unterschiedlichen Erzähl- und Zeitebenen – die fiktive Familiengeschichte der Ich-Erzählerin Gina, Studentin der Kunstgeschichte mit schriftstellerischen Ambitionen mit der realen Geschichte von Vincent van Goghs Schwägerin, die mit Vincents jüngerem Bruder Theo verheiratet ist. Sehr schnell wird klar: hinter jedem Mann – ob erfolglos, depressiv, oder mit Syphilis infiziert – steht eine starke Frau! Ginas Mutter ermutigt und unterstützt ihren Mann darin, ein Buch zu schreiben und finanziert mit ihrer Arbeit den Lebensunterhalt der Familie. Das erste, veröffentlichte Buch löst eine Dauerschreibblockade bei Ginas Vater aus. Schließlich verlässt er die Familie und zieht nach Italien. Auch hier endet jeder weitere Versuch eine neue Geschichte zu schreiben in einer Depression, die er mit Whisky in der Hängematte ertränkt. Jo van Gogh verliert ihren Mann nach einem Bordellbesuch an die Syphilis. Früh verwitwet, setzt sie sich zum Ziel, ihren Schwager Vincent posthum weltberühmt zu machen. Kein Zweifel, diese smarte Niederländerin, die in London Anglistik studierte und sich als Lehrerin in Amsterdam ihren Unterhalt verdiente, bis sie der Liebe wegen zu Theo van Gogh nach Paris zog, entpuppt sich als resolute, geschickte Verhandlungsführerin mit ausgeprägtem Geschäftssinn. Was Theo nicht gelungen ist, schafft Jo: sie verkauft die unzähligen Bilder, die sich unter Betten und Sofas in ihrer Wohnung stapeln, veröffentlicht den Briefwechsel zwischen Vincent und Theo und macht den zu Lebzeiten unbekannten Schwager weltberühmt. Es ist ihr Verdienst und ihr Geschenk, dass wir von dem Begründer der modernen Malerei und Schöpfer von rund 900 Gemälden und 1000 Zeichnungen Kenntnis haben. Und Simone Meier schenkt den Leserinnen und Lesern einen Blick auf das leidenschaftliche und bunte Leben dieser starken Jo van Gogh-Bonger.
Simone Meier, geboren 1970, ist Autorin und Journalistin. Nach einem Studium der Germanistik, Amerikanistik und Kunstgeschichte arbeitet sie als Kulturredakteurin, erst bei der WochenZeitung, dann beim Tages-Anzeiger, seit 2014 bei watson. 2020 und 2022 wurde sie zur »Kulturjournalistin des Jahres« gewählt. Bei Kein & Aber erschienen ihre Romane Fleisch, Kuss und Reiz. Simone Meier lebt und schreibt in Zürich.
Frankreich und Holland um 1900. Die junge Jo van Gogh-Bonger verliert ihren geliebten Mann Theo an die Syphilis. Kurz zuvor hat sich Theos Bruder Vincent van Gogh erschossen. Jo bleibt nichts als ein Baby und Hunderte Bilder des noch unbekannten Malers. Sie beschließt, Vincent weltberühmt zu machen, und setzt damit eine gigantische Erfolgsstory in Gang. Über hundert Jahre später stößt die Kunsthistorikerin Gina auf Jos Geschichte. Und Jo nimmt sie mit in eine Welt voller Menschen, die besessen sind: von der Liebe, der Kunst und von Visionen. Ginas Vater ist Schriftsteller und versucht seit zwanzig Jahren erfolglos, sein zweites Buch zu schreiben. An seiner Seite wird Ginas Faszination für Jo selbst zu einem rauschhaften Roman über eine kurze, aber folgenreiche Liebe. Und über zwei Familiengeschichten im Zeichen der Kunst.
Kein & Aber – gebunden – 272 Seiten – 23,00 € – ISBN 978-3-0369-5029-7