Margaret Meyer: Die Hexen von Cleftwater

Wer bei Hexen an charmante, liebenswerte Wesen, Romantik und Fantasy denkt, muss nicht weiterlesen. Margaret Meyer geht es in ihrem Debütroman um knallharte Hexenverfolgung, für die sich Inspiration bei den Hexenjagden in East Anglia, England – Mitte des 17. Jahrhunderts – holte. Es ist der unverklärte Blick auf die Ereignisse jener Zeit. Und es ist ein bemerkenswertes Debüt: aufwendig recherchiert, ausgezeichnet geschrieben, atmosphärisch überzeugend. Meyer befleißigt sich einer schnörkellosen Sprache, die die Geschichte gelegentlich wie einen Tatsachenbericht wirken lässt und dadurch sehr eindringlich wird. So zum Beispiel, wenn sie vom Tod eines Kindes, von Missbrauch, Folter oder dem Tod eines Kindes erzählt. Die Autorin beschreibt glaubhaft die Situation der Frauen, das Klima der Angst, erzählt von den Denunzierungen, um selbst den Schergen des Hexenjägers Silas Makepeace zu entkommen und das eigene Leben zu retten. Meyers Protagonistin ist die Hebamme und Heilerin Martha Hallybread. Eine Frau in ihren späten 40ern, die aufgrund einer Reihe von Kindheitstraumata nicht sprechen kann. Sie lebt in der fiktiven Stadt Cleftwater, in der sie viele der Babys entbunden hat und von den Menschen in ihrem Umfeld respektiert wird, obwohl sie alleinstehend, stumm und kinderlos ist. Martha kommuniziert mittels einer selbst erfundenen Gebärdensprache. Als Charakter ist sie ungewöhnlich überzeugend. Zu den bewegensten Momenten gehört, dass sie keinen Weg findet, den Verlust eines Neugeborenen oder einer ernsthaft kranken Mutter nach der Geburt zu erklären, weil sie keine Gebärden für „Rettung“, „Seele“ oder “Tod“ kennt. Meyers düstere, beunruhigende Geschichte, folgt treu den Geschehnissen und erzählt von den Schicksalen vieler hunderter, wahrscheinlich tausender von Frauen, die unter der Verfolgung gelitten haben und die der brutalen Hysterie der damaligen Hexenverfolgung zum Opfer fielen. Trotz der Hoffnungslosigkeit die dadurch zum Ausdruck kommt, ist es letztlich eine große Hommage an die Opfer. Die Treue, Loyalität und das Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen den Frauen macht „Die Hexen von Cleftwater“ zu einer emotional fesselnden Erzählung.

Foto: Andi Sapey

Margaret Meyer wuchs in Neuseeland auf, wo sie als Journalistin und Lektorin arbeitete. Nach ihrem Umzug nach Großbritannien arbeitete sie als Publishing Manager des Museum of London, bevor sie Director of Literature des British Council wurde. 2020 machte sie ihren MA in Prose Fiction an der University of East Anglia. „Die Hexen von Cleftwater“ (The Witching Tide) ist ihr literarisches Debüt.

 

Cornelius Hartz lebt als freier Autor und Übersetzer in Hamburg. Er hat zahlreiche Romane und Sachbücher u.a. von Rye Curtis, Edward Carey, Erin Flanagan und Catherine Nixey übersetzt.

East Anglia, 1645. Martha Hallybread, eine Hebamme, Heilerin und Dienerin, lebt seit mehr als vier Jahrzehnten friedlich in ihrem vertrauten Cleftwater. Jeder im Dorf kennt Martha, aber niemand hat sie jemals sprechen gehört. Martha ist stumm. Eines hellen Morgens wird sie Zeugin einer Hexenjagd, angeordnet von dem entschlossenen Hexenjäger Silas Makepeace, der neu ins Dorf gekommen ist.

C.H. Beck Verlag – gebundenes Buch – 350 Seiten – 25,00 € – ISBN 978-3-4068-0686-5

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