Eine Erzählung aus der Eifel über knapp fünfzig Jahre von 1865 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die Geschichte dreier Leben, die unterschiedlicher nicht sein könnten, sich aber dennoch in einer Freundschaft manifestierten, die zerbrach und vor dem Tod wieder aufblühte. Drei Kinder, die mit neun Jahren bereits ihre Träume haben und alle drei wollen ausbrechen. Wilhelm aus der Armut und der anscheinend nie endenden Arbeit als Bauernjunge. Jacob der Sohn des reichen Tuchmachers, ein Schöngeist, dem der Sinn so gar nicht nach der Fabrik und dem Geschäft steht. Und Luise, die Tochter des Arztes in Monschau, deren einziger Wunsch es ist Medizin zu studieren. Etwas das den Frauen in Deutschland noch lange verwehrt wurde. Als Kinder verbindet sie eine tiefe Freundschaft und Liebe. Das Leben ist einfach. Doch als die wahre Liebe in das Leben der Jugendlichen kommt und die gnadenlose Gesellschaftsstruktur, die strikt unterscheidet, wer, wo im Leben hingehört, zerbrechen Träume, Freundschaften und Gefühle.
Ein wunderschöner Roman, der die damalige Zeit mit ihren Zwängen und Standesdünkeln viel zu realistisch einfängt. Man liebt, lebt, hasst und weint mit den Protagonisten und ist am Ende erstaunt, dass alle drei irgendwie ihr Glück gefunden haben. Nur leider ist einer der letzten Sätze: „Doch am 28.Juni werden in Sarajewo der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand und sein Frau von einem serbischen Nationalisten ermordet. …“ Und wir Leser wissen natürlich, welch grausame Folgen das hatte.
Autoronenfoto: Copyright ® Ulricke Fackert
Anna-Maria Caspari, geboren 1955 in Köln, lebt als Literatur-Übersetzerin und Autorin am Rand des Nationalparks Eifel. Die Geschichte des Dorfes Wollseifen, dem seine Nähe zu Vogelsang, einer Ordensburg der Nationalsozialisten, zum Verhängnis wurde, inspirierte sie zu dem Roman Ginsterhöhe.
Wilhelm ist nur eines der Kinder eines armen Schafbauern in Wollseifen. Der Vater kennt keine Liebe für seine Kinder und sieht nur eine Arbeitskraft in Wilhelm, den man leider durchfüttern muss. Die Mutter ein zartes, kränkliches Wesen, die immer wieder schwanger wird, obwohl sie das körperlich nur schwer verkraftet. Als der Tuchfabrikant Becker aus Montjoie beim jährlichen Wolleinkauf eines Tages seinen kleinen Sohn Jacob mitbringt, freunden sich Wilhelm und er an. Und dann passiert etwas, was Wilhelm dem Paradies auf Erden gleichkommt. Becker nimmt den Jungen über den Winter mit nach Montjoie, wie das damalige Monschau noch hieß. Er lernt Reichtum, Bildung und Liebe kennen, bis er wieder zur Ernte zurück muss und den Brutalitäten seines Vaters ausgesetzt wird. So geht es viele Jahre und die Freundschaft zu Jacob und Luise wird für ihn wie ein Rettungsanker. Als er sich jedoch in Luise verliebt und der Meinung ist, er könnte seine Herkunft ausradieren, wird er eines besseren belehrt. Jacob hingegen kämpft mit anderen Dingen, die nie öffentlich werden dürfen. Andernfalls wäre er genauso gebrandmarkt wie Wilhelm mit seiner Herkunft. Nur Luise lässt sich nicht irritieren, verzweifelt arbeitete sie daran, die Medizin zu erlernen. Dafür muss sie von Ihrem geliebten Vater fort in die Schweiz, wo man die ersten Frauen für Medizin an Universitäten zugelassen hat.
Wie sich die drei wiederfinden und was aus ihnen wird, ist eine sehr empfindsame manchmal zärtliche Geschichte, die zwar in der Eifel spielt, aber auch an jedem Ort in Deutschland in diesen Jahren hätte stattfinden können. Mir hat Perlenbach sehr gut gefallen, gerade weil es relativ unaufgeregt erzählt wird und dennoch große Gefühle weckt.
Perlenbach, Anna-Maria Caspari, Ullstein Verlag, Klappenbroschur, Seiten 384, ISBN: 978-3-86493-201-4, Euro 16,99, erschienen am Juli 2023.