Staatskunst, Henry Kissinger

Henry Kissinger, ein Mann, der wegen der Politik aus seiner Heimat flüchten musste und der mit Mitte vierzig, als Sicherheitsberater und vier Jahre als Außenminister in die Politik ging. Dem man den Friedensnobelpreis verlieh und der dieses Jahr 100 Jahre alt wurde. Dieser Mann kannte die politischen Führer über die er in diesem Buch spricht.

Die Kernaussage ist wohl, dass es kein Erfolgsrezept für die Führung eines Staates gibt. Es kommt auf die Situation an und was gerade benötigt wird. Welcher Charakterzug hilfreich ist in Krisensituationen, um diese zu überwinden. So spricht Henry Kissinger über Konrad Adenauers Führung als die Strategie der Demut, Charles de Gaulle Politik als die des Willens, Nixons Strategie des Gleichgewichts, Anwar el-Sadat Überwindungsstrategie, Lee Kuan Yews Strategie der Spitzenleistung und Margaret Thatchers Strategie der Überzeugung.

Geschichte ist immer anfällig für Verfälschung. Bei einem Zeitzeugen jedoch wird Geschichte aus erster Hand erzählt. Und wenn man sich die Auswahl seiner Staatsführer ansieht, könnte man nur bei Nixon einmal kurz die Stirn in Falten legen, weil Kissinger sein Außenminister war. Mich hat das Buch begeistert, was die Fakten angeht, die ich nicht alle so kannte, der Stil des Autors und seine sehr neutrale, diplomatische und unaufgeregte Art über die Geschichte dieser sechs Staatsführer zu berichten.

HENRY KISSINGER

Autorenfoto: Copyright ® Jürgen Frank

Henry Kissinger, geboren 1923 in Fürth, emigrierte 1938 in die USA. Er war Professor für Politikwissenschaft in Harvard, bevor er ab 1969 als Sicherheitsberater und 1973-1977 als Außenminister amtierte. Er gilt als Motor der Entspannungspolitik sowie der diplomatischen Voraussetzungen für einen Rückzug aus Vietnam und einer Friedensregelung in Nahost. 1973 wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen. Henry Kissinger, der Prototyp eines „Elder Statesman“, veröffentlichte umfassende politische Erinnerungen (in drei Bänden) und andere internationale Bestseller wie „China“ (2011), „Weltordnung“ (2014) und zuletzt „Staatskunst“ (2022).

„Jede Gesellschaft ist unabhängig von ihrem politischen System unentwegt im Übergang zwischen einer Vergangenheit, die ihre Erinnerung prägt, und einer Vision der Zukunft, die ihre Entwicklung inspiriert. Auf diesem Weg ist Führung unverzichtbar. …“

So beginnt Henry Kissinger sein Buch Staatskunst. Er, einer der letzten großen Zeitzeugen, der den Verfall der alten Weltordnung, durch den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat und das Entstehen eines geeinten Europas nach langen Zeiten des Kalten Krieges.

Man mag nicht immer einer Meinung sein, mit den Taten der sechs Staatsführer, die Kissinger für sein Buch ausgesucht hat, doch unter den sehr speziellen Umständen, Krisen und dem Druck, unter dem diese Führer standen, haben sie mit sehr speziellen Strategien reagiert. Es ist ein faszinierendes Buch über die jüngste Geschichte unserer Welt, betrachtet vom Meister der Diplomatie. Ein wichtiges Buch, denn unabhängig, ob das Zitat wirklich Helmut Kohl zugeschrieben werden kann, er hat es immerhin benutzt und für mich steckt viel Wahrheit darin:

„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“

Sich die Staatsführungen der Vergangenheiten anzusehen, die großen, mutigen Schritte oder auch deren Versagen, gehört dazu, um eine Zukunft zu gestalten. Man kann viel lernen, von dem Buch Staatskunst von Henry Kissinger. Doch es ist kein Lehrbuch, eher geschrieben wie ein spannender Roman aus leider schnell vergessenen Tagen, die es für uns alle in sich hatten und mittlerweile wieder haben.

Staatskunst, Henry Kissinger, C. Bertelsmann, gebundene Ausgabe, Seiten 603, ISBN: 978-3-570-10472-9, Euro 38,00, erschienen 07.2022.Aus dem Englischen von Henning Dedekind, Helmut Dierlamm, Karlheinz Dürr, Anja Lerz, Karsten Petersen, Sabine Reinhardus, Karin Schuler, Thomas Stauder

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