Liebewesen, Caroline Schmitt, Eichborn

Habe ich jemals ein Buch mit so viel Schmiss über eine so unglaublich traurige und absurde Geschichte gelesen? Hab ich je so oft geschmunzelt über den Wortwitz eines abgrundtiefen Dramas? Wahrscheinlich nicht!

Caroline Schmitt schreibt mit einem Feuer, einer Verve über die Untiefen von Liebesbeziehungen und den schlimmsten Familienexzessen, dass man ihr entgegenrufen möchte: Schreiben Sie weiter, junge Frau. Ihr Stil ist unvergleichlich und Sie sind eine begabte Autorin. Gratuliere zu diesem Debüt!

Liebewesen, irgendwie ein Liebesroman, eine von Opferung geprägte Selbstfindung, die Beschreibung einer Kindheit mit sadistischer Mutter und am Ende eines Durchatmens und Verstehens. Das Ganze ist wie nebenbei erzählt, mit viel Humor und dennoch mit einer emotional fast unspektakulären Beteiligung der Hauptprotagonistin. Ein ziemlich irres, aber geniales Werk! 

Autorenfoto: Copyright ® Frederike Wetzels

Caroline Schmitt, Jahrgang 1992, studierte Journalismus an der University of the Arts London. Sie lebt in Berlin und arbeitet als freie Journalistin für Deutsche Welle, ZDF und funk. LIEBEWESEN ist ihr erster Roman.

Lio ist fast dreißig und hat weder einen Freund noch Sex, dabei ist sie sehr attraktiv. Nur ihre Mitbewohnerin Mariam, ein offene bisexuelle Frau findet das nicht normal. Also wird per soziale Medien ein Mann gesucht. Und Max gefällt beiden, denn er will mit seiner Herzensdame baden gehen, in seiner Badewanne. Max ist charmant, wortgewandt, Radiomoderator und unglaublich geduldig. Denn für Lio ist Sex eine Tortur. Nach einer Vergewaltigung in einem Pissoir-Wagen eines Dorffests, durch einen besoffenen Kerl, ruf jede Penetration bei Lio nur unglaublichen Schmerz hervor. Doch das kann und darf Lio nicht sagen, denn sie hat keine Worte dafür. Max schafft es mit seiner Wärme und seiner offenen Art, das erste Mal so etwas wie Wohlgefühl und Lust bei ihr zu wecken. Er ist der Mann für sie! Und kein anderer soll mehr ihn ihr Leben treten. Er lässt die sadistische Mutter, die sie täglich schlug, vergessen. Max verdrängt in ihr auch irgendwie den Vergewaltiger, ohne das Lio irgendetwas preisgeben muss. Sogar seine alleinerziehende Mutter Karin ist ein Traum. Ende erster Akt.

Das Drama beginnt: Max und Lio ziehen zusammen! Und dann tritt er hervor, der wahre Max, der Schwätzer, der Depressive, der Narzisst und Egomane. Und immer noch kann Lio keine Worte finden, um ihre Situation zu erklären, ihre Wünsche zu artikulieren. Ihr Zusammenleben wird ein Drahtseilakt, in dem Lio jedoch lernt, dass nicht sie die Schwache ist, dass ihre Substanz viel härter und lebensbejahender ist, als die von Max. Er ist im Leben nur irgendwie gut ausgeleuchtet, seine emotionale Intelligenz entspricht jedoch der eines Kindes. Es entstehen die Szenen einer Ehe, ohne Ring und es wäre wohl so weiter gegangen, wenn Lios Körper ihr nicht ein Schnippchen geschlagen hätte. Sie wird schwanger und ist wie immer sprachlos. Sprachlos mit sich selbst, Max, aber vor allem gegenüber dem Kind, was in ihr heranwächst.

Wenn Sie denken, liebe Leser, dass ich jetzt viel verraten habe, dann irren Sie sich. Es gäbe noch so viel von dem Buch zu erzählen, doch ich überlasse es lieber Ihnen, es zu lesen. Glauben Sie mir, dieser 221 Seiten sind es wert, gelesen zu werden.

Liebewesen, Caroline Schmitt, Eichbaum Verlag, Hardcover, Seiten 221, ISBN: 978-3-8479-0130-3, Euro 20,00, erschienen am 27.01.2023.