Der rumänisch-stämmige Schweizer Autor Catalin Dorian Florescu erzählt vordergründig eine Familiengeschichte über 5 Generationen, in der die männlichen Erstgeborenen der Stoica-Dynastie zur Feuerwehr gehen und somit der Feuerturm, einst Bukarest‘ höchstes Gebäude, eine zentrale Stelle im Roman einnimmt. Aber es ist auch der Roman der Stadt Bukarest und des Lebens in dieser von ständiger Fremdherrschaft gebeutelten Stadt. Den politischen Strömungen und Entwicklungen wird genauso viel Platz eingeräumt wie Freundschaft und Liebe. Vor allem aber ist es die Annäherung des Autors an seine Wurzeln. Was sich für mich darin zeigt, dass die Geschichte zögerlich beginnt und im Verlauf immer mehr an Fahrt aufnimmt. Florescu hat für seinen Roman die Hausaufgaben gemacht. Gut recherchiert und aus der Position des Beobachters erzählt er seine Geschichte teils poetisch, sehr bildhaft und detailliert und schafft eine dichte Atmosphäre. Authentisch und berührend seine Beschreibungen des einfachen Volkes, gezeichnet von Not und Elend, Hunger und Unterdrückung. Trotz dieser Faktoren bleibt die menschliche Seite nicht auf der Strecke. Man hilft sich gegenseitig so gut man kann, gestützt auf eine bedingungslose Religiosität. Der hochdekorierte Autor – u.a. erhielt er 2011 Schweizer Buchpreis für «Jacob beschließt zu lieben», den Joseph von Eichendorff-Literaturpreis und den Andreas Gryphius-Literaturpreis, sowie die rumänische Kavaliersmedaille für kulturelle Verdienste – verlangt seinen Lesern volle Aufmerksamkeit ab. Zeitsprünge, eine Vielzahl an Protagonisten, dazu rumänische Begriffe und Sätze, wovon einige in einem übersichtlichen Glossar erklärt werden, andere, so der Autor, ergeben sich aus dem Kontext. Die Geschichte, die 100 Jahre umfasst, endet mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und den Wirren des Umbruchs 1989.
Catalin Dorian Florescu, geboren 1967 in Timisoara, Rumänien, ist ausgebildeter Psychologe und lebt als freier Schriftsteller in Zürich. Er hat bislang 7 Romane veröffentlicht. Bei C.H.Beck erschienen „Zaira“ (2008), „Jacob beschließt zu lieben“ (2011), „Der Mann, der das Glück bringt“ (2016) und die Erzählungen „Der Nabel der Welt“ (2017). Er erhielt u.a. den Anna Seghers-Preis, den Schweizer Buchpreis, den Joseph von Eichendorff-Literaturpreis und den Andreas Gryphius-Literaturpreis. 2019 bekam er die rumänische Kavaliersmedaille für kulturelle Verdienste.
Als er 1892 errichtet wird, ist der Feuerturm von Bukarest das höchste Gebäude der Stadt. 1989, beim Aufstand gegen die kommunistische Diktatur, ist er es längst nicht mehr, aber er war Zeuge eines ereignisreichen Jahrhunderts. Victor Stoica, der Ich-Erzähler dieses Romans, dessen Familie seit Generationen Feuerwehrmänner stellt und beim Turm lebt, ist der erste, der mit dieser Tradition bricht. Aber sein Leben, das von einem tückischen Verrat gebrandmarkt ist, steht doch ganz im Zeichen des Turms… Victor, Opfer der Repression, der durch die Hölle gehen musste, erlebt 1989 wider Erwarten, dass es doch möglich ist, auf Freiheit und Glück zu hoffen.
C.H. Beck Verlag – Gebunden – 361 Seiten – €25,00 – ISBN 978-3406781483