Anne Stern: Drei Tage im August

 

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte von Anne Stern ist die Straße Unter den Linden in Berlin und die Pralinenmanufaktur Sawade sowie deren Prokuristin Elfie Wagner. Es ist August 1936, die Olympiade dient der Politik zu Propagandazwecken. Dass Jesse Owens bereits 2 Goldmedaillen erlaufen konnte, kann dem Regime nicht gefallen. Doch während sich das offizielle Berlin weltoffen gibt, haben die Einwohner Berlins zu kämpfen und ihre Geheimnisse zu bewahren. Oder sie haben keine Chance, wie das Blumenmädchen Rosa, die zum fahrenden Volk gehört und zwecks Familienzusammenführung in Polizeigewahrsam kommt und verschleppt wird. Während es für die einen Tage des Abschieds sind: Spree-Willi, der Leierkastenmann wird beerdigt, Franz Marcus, der jüdische Buchhändler, hat im Gegenzug für ein Max Liebermann Gemälde, das ihm Käthe Kollwitz zur Aufbewahrung gabAusweispapiere und eine Zugfahrkarte erhalten und überlässt seinen Buchladen seinem Schicksal. Madame Conte, alias Marie de Savadé, hat ihren Frieden gefunden und konnte einschlafen, nachdem sie Elfie Wagner ihre Lebensgeschichte und ihr Geheimnis anvertraut hat. Trude Schneemann muss lange von diesem einen kurzen Abend mit Franz Marcus zehren und vertraut darauf, dass er ihr schreibt, sobald er in Sicherheit ist. Mine, eigentlich Wilhelmine Kalinke, hat den einzigen Menschen verloren, dem sie 50 Jahre treu ergeben und loyal gedient hat: Madame Conte. Und mit ihrem letzten Willen machte Madame Conte aus ihrem Dienstmädchen eine wohlhabende Frau, mit präsentabler Wohnung samt Mobiliar und sogar den Flügel aus dem Hause  Blüthner erhält Mine. So wie Elfie das Geheimnis um eine besondere Praline des Hauses Sawade lüften konnte, wird Monsieur Gerard, der Chocolatier von Sawade weiterhin sein Geheimnis gut hüten und seine sexuelle Orientierung wohl mit ins Grab nehmen. Diese Tage im August sind auch Tage der Befreiung. Insbesondere Elfie hat sich in der Zeit, in der sie Madame Conte zuhörte, von Schatten der Vergangenheit befreien können. Als Namensgeber der Straße, lässt die Autorin immer wieder die Linden zu Wort kommen und von ihren Eindrücken erzählen. So ruhig und leise dieser Roman daherkommt, so fesseln und berühren die außergewöhnlichen Charaktere und machen das Buch zu einem besonderen Lese-Erlebnis, das lange nachklingt.

 

Foto: Heinrich Benjamin

Anne Stern, geboren 1982, ist Historikerin und promovierte Germanistin. Mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt sie in Berlin. Sie arbeitete als Lehrerin und in der Lehrerbildung und schrieb zunächst erfolgreich als Selfpublisherin. Ihre Romane um die Hebamme „Fräulein Gold“ wurden zu Spiegel-Bestsellern. Während ihrer Recherchen stieß Anne Stern auf die Berliner Pralinenmanufaktur „Sawade“ und die bewegte Historie der Prachtallee Unter den Linden, und schon bald ging es für sie nicht mehr nur um einen Konfektladen, sondern um eine Geschichte von der Kraft der Phantasie und der Schönheit in dunklen Zeiten – und um eine außergewöhnliche Frau. „Drei Tage im August“ ist Anne Sterns erster Roman bei Aufbau.

Berlin, 5. August 1936: Die Schwermut ist Elfies steter Begleiter, Zuversicht findet sie in ihrer Arbeit in der Chocolaterie Sawade, einem Hort zarter Zaubereien aus Nougat und Schokolade, feinstem Marzipan und edlen Aromen. Hier gelingt es Elfie und ihren Nachbarn, sich ihre Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten zu erhalten. Dann kommt Elfie dem Geheimnis einer besonderen Praline und der Geschichte einer verbotenen Liebe auf die Spur. Doch wird sie es wagen, auch ihrer eigenen Sehnsucht zu folgen

atb – Taschenbuch – 352 Seiten – 11,99 € – ISBN 978-3-746-63998-7

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