Warsan Shire: Haus Feuer Körper

Für Beyoncé Fans ist Warsan Shire keine Unbekannte, arbeiteten doch beide an den Projekten Lemonade und Black is King zusammen. Alle anderen – so wie ich – haben mit dem vorliegenden, zweisprachigen Gedichtband (englisch und deutsch) Gelegenheit, die Dichterin kennenzulernen. Immerhin gilt Warsan Shire als aufregendste und etablierteste, zeitgenössische Stimme der Poesie. Zugegeben, ich war neugierig und unvorbelastet. Die Poetin thematisiert in ihren Gedichten die Metaphorik der Weiblichkeit, Familie, Vergewaltigung und Auswanderung. Obwohl Shire über schmerzhafte Themen schreibt, ist ihre Sprache geschliffen, ihr poetischer Stil und der Inhalt eher statisch bis zum Ende. Hier verstrich die Chance, eine diverse und dynamische Geschichte zu erzählen, ungenutzt. Shires Botschaft der Belastbarkeit innerhalb der Zuwanderungserfahrung geht in der Monotonie der Dichtung verloren. Dafür verlangt sie ihren Lesern Selbstorientierung ab. Ich wünschte mir einen »roten Faden«, der mich durch diese tief erschütternden Gedichte führen kann. Selbstverständlich ist es nicht die Aufgabe der Dichterin dafür Sorge zu tragen, dass ich mich behaglich fühle. Um allerdings den Gedichten den verdienten Respekt zu zollen, fehlt mir etwas. Vielleicht sind es die Erfahrungen der Dichterin, die ich nicht gemacht habe. Schließlich sind die Gedichte zutiefst persönlich und in einer komplexen Familiengeschichte verwurzelt. Mit einer solchen Fülle an Emotionen, die die Gedichte in mir hervorriefen, habe ich nicht gerechnet. Sie trafen mich »volle Breitseite«.

c: Amaal Said

Die somalisch-britische Autorin Warsan Shire wurde 1988 in Kenia geboren und zog mit ihren Eltern als Kleinkind nach London, wo sie studierte. 2011 veröffentlichte sie ein schmales Heft mit Gedichten, »Teaching My Mother How to Give Birth». Seitdem warten Millionen auf ihr erstes Buch. 2013 wurde sie zum ersten Young Poet Laureate for London und erhielt in England den African Poetry Prize der Brunel-University.

 

Die Gedichte in »Haus Feuer Körper« sind eine der großen Überraschungen der Gegenwart: Sensibel und kompromisslos erkunden sie atmosphärisch dicht die Abgründe unserer Welt. Sie erzählen von Vertreibung, Gewalt und Diskriminierung. Der eigene Körper wird zum Instrument einer sinnlichen, poetisch direkten Sprache, die ruft und schreit und der Leser*in ins Ohr flüstert. Um einen Ausweg zu finden, zeichnet sie auf ihre Haut Landkarten. Doch Vorsicht: wo Licht ist, lauert Feuer …

S.Fischer Verlag  –  gebunden – 160 Seiten – 24,00 € – ISBN 978-3-10-397106-4