Ich habe Nigel Kennedy zweimal auf der Bühne erlebt. Davon ist mir das Konzert in der Alten Oper Frankfurt besonders in Erinnerung und so war ich sehr gespannt auf seine Memoiren. Aber es sind seine Erinnerungen. Ungefiltert, sprachlich kraftvoll bis derb, in seinen Worten erzählt und allgemein verständlich. Kein Lektor, der Kennedys Sprache glattbügelte. Vielen Dank dafür. Denn der Autor hat seine Fans in allen Gesellschafts- und Bildungsschichten. Es war ihm von Beginn an seiner Karriere ein Anliegen, die klassische Musik zu allen Menschen zu bringen, verzichtete bewusst und als Erster auf den Frack. Zwar Rebell in vielen Bereichen, kommen seine Erinnerungen sehr strukturiert daher. Einem übersichtlich gegliederten Inhaltsverzeichnis folgt eine nicht ganz ernst gemeinte Warnung an seine Leser: »…Leser sollten sich meines politisch nicht ganz korrekten Schreibstils und meiner offenen Worte über die BBC, Plattenfirmen, die bayrische Polizei und andere selbsternannte Hüter der Macht bewusst sein«. Sein Stil ist die Basis für wahrlich originelle und unterhaltsame Memoiren, spielerisch, unkonventionell und sorgfältig ausgeführt wie seine Musik. Und welcher Künstler sonst widmet seinen Begegnungen mit der Polizei ein ganzes Kapitel mit dem Thema »Top 10…« oder spielt »Küchen-Golf« mit Gary Lineker? Überhaupt, Fußball und Boxen bezeichnet er als seine wichtigsten Interessen außerhalb der Musik. Über Aston Villa sagt er: »ein wahrer Segen für mich, von normalen, ehrlichen, hart arbeitenden Menschen, die eine „ordentliche Arbeit“ haben, umgeben zu sein«. »Ich habe mein Leben lang Barrieren zwischen Menschen einzureichen versucht und denke, das vorliegende Buch ist dafür Beweis genug« schreibt Kennedy in seiner Warnung. Es ist das Statement über eine Mission, ausgeführt mit Gelassenheit.
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Nigel Kennedy, geboren 1956, ist einer der schillerndsten Exzentriker der klassischen Musik und zugleich einer der begnadetesten Genies auf der Violine. Bereits mit sieben Jahren wurde er von Yehudi Menuhin entdeckt. Ab 1980 spielte Kennedy mit den Berliner Philharmonikern und nahezu allen großen Orchestern und unter allen bedeutenden Dirigenten. 1989 erschien seine Einspielung der »Vier Jahreszeiten«, die mit über fünf Millionen verkauften Exemplaren das erfolgreichste Klassikalbum aller Zeiten ist. Er arbeitete mit vielen Größen des Rock und Pop, darunter Paul McCartney, Robert Plant, The Who, Kate Bush und Jean Luc Ponty.
Als kleiner Junge saß Nigel Kennedy bei den Klavierstunden seiner Mutter unter dem Piano und hörte zu. Bis Yehudi Menuhin auf das Wunderkind aufmerksam wurde und ein unglaubliches Leben begann: Ein umjubeltes Mendelssohn-Konzert, eine viel gelobte Elgar-Aufnahme und schließlich »Die Vier Jahreszeiten«: bis heute legendär. Und das ist erst der Anfang. Mit The Who auf der Bühne, mit Paul McCartney im Studio. Ob stürmische Jam Sessions bis tief in die Nacht oder die Violine im Fußballstadion – Kennedy ist ein Grenzgänger. Durch seine Art hat er allen eine Verbindung zur Klassik ermöglicht.
»Mein rebellisches Leben« ist ein echter Kennedy. Hier erzählt er auch von all den Teilen des Lebens, die selten in Biographien stehen: das Verschlafen seines Konzertdebüts mit Menuhin, eine Hose, die auf der Bühne krachend im Schritt reißt, die Liebe zum Fußballclub Aston Villa, der Großfamilie, die er selbst nie hatte. Dieses Buch ist wie sein Autor: larger than life. Die Geschichte eines Künstlers, der als Mensch und als Musiker stets versucht, Mauern einzureißen und Grenzen zu überwinden.
Tropen – Gebunden – 528 Seiten – €28,00 – ISBN 978-360-8-50020-2