Alte Sorten, Ewald Arenz

„Sie hatte den Weinberg damals gar nicht so gesehen. Er war nur Landschaft gewesen. Ohne Bedeutung. Es war nicht derselbe Weinberg, in dem sie jetzt stand. Dieser Weinberg war wirklich. Sie war wirklich geworden in dieser Zeit. Vielleicht waren es all die Berührungen mit der Erde gewesen. Wann hatte sie jemals die Hände in der Erde gehabt? Wann Bienen auf der Haut? Wann hatte sie in einem Baum gestanden? Ja. Vielleicht war es das.“

Aus Ewald Arenz „Alte Sorten“. Der Umschlag schmückt einen Ast aus einem Birnbaum mit zwei Birnen, die nach einer alten Sorte aussieht. Wenn ich nicht das Wort Roman gelesen hätte, dann hätte ich das Buch für ein Sachbuch über alte Obstsorten erwartet. Man wird doch immer wieder positiv überrascht, wenn man ein Buch in die Hand bekommt, den Autor einem unbekannt ist, man fängt an zu lesen und ist von den ersten Seiten an gefangen, von der Geschichte, der Sprache und Darstellungen. Man hört nicht mehr auf weiterzulesen.

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Der Autor Ewald Arenz ist 1965 in Nürnberg geboren, hat englische und amerikanische Literatur und Geschichte studiert. Er arbeitet als Lehrer an einem Gymnasium in Nürnberg. Seine Romane und Theaterstücke sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Ewald Arenz lebt mit seiner Familie in der Nähe von Fürth.

 

 

Sally ein junges Mädchen, noch nicht volljährig, kurz vor dem Abitur entflieht der Bevormundung der Eltern, den Regeln der Gesellschaft, den Anweisungen der Lehrer und schließlich dem Heim. Sie möchte nicht mehr gegängelt werden, in Fragen verwickelt und schon gar nicht zurück ins Heim. Liss ist eine gestandene Frau, die ihren Hof allein bewirtschaftet. Ohne Kontakte zum Ort. Aber auch keine Fragen stellt. Beide Frauen treffen sich zufällig im Weinberg von Liss. Liss sieht in Sally sich selbst und bietet ihr an, erstmal auf dem Hof zu übernachten. Aus Tagen werden Wochen in denen Sally lernt die Natur zu begreifen und zu lieben. Ob es die anders schmeckenden alten Birnensorten sind. Der Umgang mit Bienenvölkern oder das Auszeichnen der Bäume, welche gefällt werden müssen und welche nicht. Als Sally ungewollt eine existenzielle Krise auslöst, entdecken sie die stille Kraft des für einander da zu sein.

Obwohl Sally impulsiv ist, sofort aggressiv die Stimme erhebt, ist „Alte Sorten“ ein stilles Buch. Man wird regelrecht entschleunigt. Ein Buch mit wenigem geredete. Ohne Eile und hast. Es strahlt eine positive Ruhe aus, trotz der Spannung, die im Laufe der Geschichte aufgebaut wird. Ein wunderbares Buch von zwei Frauen, ausgegrenzt, vom Dorfleben, Handeln und Tun auf einem Bauernhof mit gelungenen, besser gesagt einfühlsamen Erklärungen über alte Sorten, Bienen, Geräte, Baumpflege, Wild und Hühner.

Zitat Bayrischer Rundfunk: „Sensibel, Einfühlsam und Lebensweise. Ein kleines Meisterwerk“. Ich kann mich dem nur anschließen und werde jetzt garantiert den Autor Ewald Arenz bevorzugen.

Alte Sorten, Ewald Arenz, Dumont, ISBN: 978-3-8321-6530-7, Brochiert, Seiten 255, € 10,00