Babylon-Berlin und Zauberei. Auch wenn ich wiederholen muss, was bereits auf dem Cover steht, so ist das doch die erste Assoziation, die man bei diesem Roman hat. Die Beschreibungen des Berlin in den zwanziger Jahren treffen den gleichen Ton, wie die Buchserie von Volker Kutscher, die so erfolgreich verfilmt wurde. Nur das es nicht nur um Politik, Mord und die lüsterne Nachtwelt des verruchten Berlin geht. Es ist eine weitere Essenz mit im Spiel: Magie!
Magie die sich nicht im Verborgenen oder bei den Séancen der Reichen und Gelangweilten abspielt. Es ist eine Magie die von Wissenschaftlern gerade anerkannt und mit Experimenten bewiesen wird. Eine Magie, die gewisse Leute aber bereits so perfektioniert haben, dass sie damit ohne Weiteres töten können.
Eine wirklich interessante Mischung aus Krimi- und Fantasieroman mit ziemlich starken Protagonisten.
Autorenfoto cpoyright: ® Privat
Das Autorenduo Judith und Christian Vogt lebt in Aachen und teilt die Leidenschaft für die drei großen F: Fantastik, Fechten, Feminismus. Während Judith sich aufs Schreiben spezialisiert hat, versucht Christian als Physiker, ungelösten Mysterien auf den Grund zu gehen. Ihr erster gemeinsamer Roman, »Die zerbrochene Puppe«, erhielt 2013 den Deutschen Phantastik Preis, mit »Roma Nova« und »Wasteland« standen sie auf der Shortlist des SERAPH. Wenn sie nicht gerade Romane schreiben, designen sie Pen-&-Paper-Rollenspiele. Judith podcastet außerdem und gibt das quartalsmäßig erscheinende Zine »Queer*Welten« heraus.
Nike ist eigentlich Wissenschaftlerin und bei ihrer Doktorarbeit über neue unerklärte Phänomene in eine Sackgasse geraten. Obwohl sie zusammen mit dem berühmten Jugendstilkünstler Mucha bereits einmal Magie während eines Experiments heraufbeschwören konnte und das vor anerkannten Wissenschaftler wie Marie Curie und Max Planck, ist sie als Frau immer noch täglich für ihre Gleichberechtigung an der Universität am Kämpfen. Dazu kommt, dass sie als dunkelhäutige Ägypterin eine exotisch, erotische Ausstrahlung hat. So trägt sie bewusst Hemd und Anzug und hat sich einen Kurzhaarschnitt zugelegt. Da die Berliner Kriminalpolizei immer öfter mit magischen Tötungsdelikten zu tun hat, soll Nike sie als Kriminalassistentin bei der Ermittlung unterstützen. Ihr zur Seite stehen Sandor Černý ein Bildhauer aus Prag, mit einer Verbindung zum anarchistischen Untergrund und der kurz vor der Pensionierung stehende Kommissar Seidel. Sie sollen sich um die Morde an dem im flüssigen Marmor ertrunkenen Kommunisten Führer und eine Hauswirtin, die zu Stein verwandelt wurde, kümmern. Dabei lernen sie die Psychologin und Varietétänzerin Georgette kennen, die ebenfalls mit Magie hantiert. Ein starkes Quartett, das eine ganz andere Art von magischer Verschwörung aufdeckt und dabei ins offene Messer rennt.
Es ist eine reizvolle Mischung, das schäbig, schöne Berlin Ende der zwanziger Jahre mit all den politischen Turbulenzen, dem wilden Lebensgefühl und der bitteren Armut, mit Magie zu paaren. Vor allem, wenn reale Wissenschaftler und historisch bekannte Politiker in die Geschichte verwoben werden. Und deren Lebensweg nimmt dann ein anderes Schicksal, als wir es aus den Geschichtsbüchern kennen. Gutes Lesevergnügen mit starken Charakteren.
Anarchie Deco, J. C. Vogt, Tor Verlag Klappenbroschur, 480 Seiten, ISBN: 978-3-596-00221-4, Euro 16,99.
Erschienen August 2021