Nach diesem Buch lobe ich die Vorabendkrimis, die es mit leichter Unterhaltung schaffen in fünfundvierzig Minuten einen Fall zu lösen und dazu ein Geständnis zu bekommen. Wie schwierig es dann doch ist an deutschen Gerichten Recht zu sprechen, wenn es Aussage gegen Aussage steht. Es heißt zwar immer: „Im Zweifel für den Angeklagten!“ Oder weit gefehlt? Aber wie soll ein Richter entscheiden, wenn zwei Aussagen gegeneinanderstehen. Wen kann der Richter verurteilen, wem kann er Recht geben. Kann ein Richter sich auf sein Bauchgefühl verlassen, wenn nur ein Zeuge eine Beschuldigung ausspricht. Ob das im Recht ist oder im Unrecht geschieht, um eventuell jemanden etwas auszuwischen, wie beim Sorgerechtstreit wenn der Partner plötzlich für Pädophil erklärt wird oder bei einer enttäuschten Liebe der Partner zum Schläger oder Vergewaltiger hingestellt wird. Sollte der Richter besser den Opfern glauben. Denn bei solch schwerwiegenden Beschuldigungen muss doch etwas dran sein. Wie kann ein Richter das erkennen oder wie soll er sich entscheiden, bevor er eventuell ein Leben zerstört.
Dr. Alexander Stevens ist Fachanwalt für Strafrecht und einem breiten Publikum als Buchautor und Rechtsexperte in verschiedenen TV-Formaten bekannt. Weitere Bücher bei Piper von ihm sind „9 ½ Perfekte Morde“ und „Verhängnisvolle Affären“.
Wie schwierig es ist an deutschen Gerichten Recht zu sprechen, wenn es Aussage gegen Aussage steht erklärt uns Alexander Stevens an 7 wahren Fällen (Namen und Orte wurden geändert). Als Strafverteidiger hat er zahlreiche Fälle begleitet, bei denen es außer einer Zeugenaussage keine anderen Beweise gab. Alexander Stevens erklärt sehr aufschlussreich, was es für verschiedene Sichtweisen gibt, welche anderen Denkweisen in Frage kommen könnten und wie man daraus eventuell zu einem Entschluss kommt. Bedenkt man, dass die Zahl der Falschaussagen bei 7 bis 8 Prozent liegt, bei der Dunkelfeldforschung bei 3 bis 20 Prozent und bei der Statistik der Opferambulanz deutlich über 50 Prozent. Die Motive sind vielfältig wie das Streben nach Aufmerksamkeit, Rache, Eifersucht, Verschleierung und Rechtfertigung nach einer eventuellen Lüge. Alexander Stevens erklärt nicht nur aufschlussreich, er stellt alle möglichen Szenarien dar und fordert einen auf selbst zu entscheiden. Als Leser ist man dabei hin und her gerissen und soll nun über Recht und Unrecht entscheiden. Gut ist, dass er dann mit der Entscheidung der Richter aufwartet und auch die Erklärung dazu gibt.
Ein sehr lehrreiches Buch aus dem Reich der deutschen Rechtsprechung. Man versteht nun wie schwierig es ist, das richtige Urteil zu sprechen und versteht zum Teil die Richter, warum sie so entschieden haben.
ALEXANDER STEVENS: Aussage gegen Aussage, Urteile O H N E Beweise Verlag: Piper Taschenbuch 253 Seiten, ISBN: 978-3-492-22971-5, € 10,00