Tilmann Lahme: Thomas Mann – Ein Leben

592 Seiten oder laut meiner Digitalwaage 911 g Geschichte. Die Geschichte eines Mannes, einer Familie, die sehr eng mit der deutschen Vor- und Nachkriegsgeschichte verbunden ist, denn obschon Literaturnobel-Preisträger und davon gibt es immerhin nur 10 deutsche Schriftsteller: innen, musste Thomas Mann 1933 die Gelegenheit während einer Vortragsreise nutzen und ins Schweizer Exil gehen, galt er als einer der schärfsten Kritiker Hitlers. Von dort wanderte die Familie 1938 in die USA aus. Der New York Times sagte Mann am 22. Februar 1938: „Es [das Exil] ist schwer zu ertragen. Aber was es leichter macht, ist die Vergegenwärtigung der vergifteten Atmosphäre, die in Deutschland herrscht. Das macht es leichter, weil man in Wirklichkeit nichts verliert. Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir. Ich lebe im Kontakt mit der Welt und ich betrachte mich selbst nicht als gefallenen Menschen.“
„Thomas Mann – ein Leben“ ist nicht die erste Veröffentlichung Lahmes über den Schriftsteller Thomas Mann. Die profunden Kenntnisse beruhen auf umfangreichen Recherchen, die bis heute anhalten sowie auf neue „Dachbodenfunde“, die das Bild von Mann vervollständigen. Allerdings frage ich mich angesichts der „selbsternannten Gralshüter“, ob Lahme nicht einen Don-Quichotischen Kampf austrägt, auf eine „Mission Impossible – der wahre Mann“ geht oder es eher ein Fall für James Bond ist. Denn genug Passagen lesen sich wie ein Thriller. Thomas Mann hat mehr Auszeichnungen gesammelt als die meisten anderen Literaten und gilt als literarischer Magier. Durchaus auszeichnungswürdig ist sein Gespür für PR und Selbstvermarktung. Mann hatte eine ganz genaue Vorstellung davon, wie er von der Außen- und Nachwelt gesehen werden wollte und nahm sein engstes Umfeld – allen voran Ehefrau Katja und die sechs Kinder – in die Pflicht, die Brandmauern zu verteidigen und war bereit, zum eigenen und dem Schutz seiner Familie jeden über die Klinge springen zu lassen. Und so wäre es sicherlich nach seinem Geschmack, dass 70 Jahre nach seinem Tod die Literaturwissenschaft immer noch mit seiner Person beschäftigt ist und nach Antworten und Beweisen sucht. Tilmann Lahme hat in seinem Buch über Mann sicherlich viele Fragen beantwortet, aber ebenso viele neue Fragen aufgeworfen. Eine davon für mich ist: Was änderte es, wäre belegt, dass Mann schwul war?

Heute, am 6. Juni ist Thomas Manns 150. Geburtstag. Happy Birthday!

Foto: Asja Caspari

Tilmann Lahme, geboren 1974, ist Literaturhistoriker und Autor. Er arbeitete u. a. als Redakteur im Feuilleton der ›Frankfurter Allgemeinen Zeitung‹ und lehrte auf einer Professur für Literaturwissenschaft an der Universität Lüneburg. Lahme ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen über die Familie Mann, darunter eine hochgelobte Biografie von Golo Mann (2009) und der Bestseller ›Die Manns. Geschichte einer Familie‹ (2015).

 

Er ist der literarische Magier des zwanzigsten Jahrhunderts: Nobelpreisträger und gefeiertes Genie, Großbürger und Familienvater, mit seiner Frau Katia in jahrzehntelanger Ehe verbunden und zugleich so unglücklich, wie man nur sein kann. Er liebt und darf nicht lieben, die Vorstellungen seiner Zeit stehen ihm im Weg. Was für ein Antrieb zu großer Literatur – und was für ein leidvolles Leben.

Seit seinem frühen Welterfolg mit den ›Buddenbrooks‹ und zwei Jahrzehnte später mit dem ›Zauberberg‹ öffnen sich ihm alle Türen, bis hin zu der im Weißen Haus. Keine deutsche Stimme kämpft so hörbar gegen Hitler wie seine, kein anderer häuft Ehrungen auf sich wie er. Seine Frau Katia und seine sechs Kinder umringen ihn dabei wie eine Festung. Doch der Abgrund ist immer nur einen Schritt entfernt.

dtv – gebunden – 592 Seiten – 28,00 € – ISBN 978-3-4232-8445-5

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