Martin Suter: Melody

Auch im vorliegenden, elften Roman, den er pünktlich zu seinem 75. Geburtstag veröffentlicht, bleibt Martin Suter seinem Genre treu und führt die Leser: innen wiederholt gekonnt in die Welt der Schönen, Reichen und Mächtigen. Und mit Dr. Peter Stotz hat Suter einen Protagonisten erschaffen, der mit den wunderbaren Charakteren Weynfeldt und von Allmen auf einer Stufe steht. Spannend wird es aber erst durch den Blick hinter die glänzende Fassade. Tom Elmer, gerade dreißig, Jurist mit zwei abgeschlossenen Studiengängen in der Schweiz und in England, ohne Anstellung, denn bis zum überraschenden Suizid des vermeintlich wohlhabenden Vaters, war sein Beruf Sohn, was ihm schmerzlich bewusstwird. Auf sich gestellt und mittellos hat er einige erfolglose Bewerbungen verschickt und befürchtet, dass er sich arbeitslos melden müsste, als er zum Gespräch bei Dr. Peter Stotz, Alt-Nationalrat, sehr vermögend, eingeladen wird. Für ein fürstliches Salär bei freier Kost und Logis (die Miete für Toms Wohnung wird während der Vertragsdauer von einem Jahr übernommen) soll Tom den Nachlass des alten Herrn ordnen. Er soll das Bild, das Dr. Stotz mit viel Aufwand von sich für die Öffentlichkeit gemalt hat, erhalten: ein belesener Mann, der Belletristik mehr zugetan, als dem Sachbuch (was aber umgekehrt in Erinnerung bleiben soll), ein kunstsinniger Mann, ohne Fehl und Tadel. Zu den Aufgaben gehört, dass Tom die Mahlzeiten mit dem Hausherrn einnimmt und ihm bei seinen Lebenserinnerungen zuhört. Je tiefer Elmer in das Leben des Alten vordringt, umso mehr Fragen ergeben sich. Ist die in der Villa allgegenwärtige frühere Verlobte und Namensgeberin für das Buch Melody wirklich entführt worden, lebt sie noch oder ist sie tot? In wie weit ist die konservative marokkanische Familie Melodys in das Verschwinden involviert? Hat Dr. Stotz nach ihr gesucht und hat er sie tatsächlich nicht gefunden? Was verbirgt sich hinter der Fassade des Alten? Auch die Dokumente im Kellerarchiv, die Tom Sichten und „Bereinigen“ soll, werfen Fragen auf. Ein Jahr haben die Ärzte Dr. Stotz gegeben. Soviel Zeit bleibt ihm nicht. Zusammen mit Dr. Stotz‘ Großnichte, für die Tom Gefühle entwickelt, begibt er sich auf die Suche nach Antworten und die Geschichte nimmt richtig Fahrt auf. Suter spielt mit seinen Wendungen Pingpong und setzt am Ende noch einen drauf.

Foto: Urs Jauders

Martin Suter ist als Schreibender extrem vielseitig. Er arbeitete u. a. bereits als Werbetexter, Kolumnist und Drehbuchautor. 1997 erschien sein erster Roman „Small World“ . Der 1948 in Zürich geborene Autor lebt mit seiner Familie in Spanien und Guatemala. Seine wohlkomponierten, subtil erzählten Bücher, darunter „Ein perfekter Freund“, „Lila, lila“, „Der letzte Weynfeldt“ oder „Der Koch“, ziehen Leser weltweit in ihren Bann. Suter kennt und schätzt die genussvollen Seiten des Lebens, ohne die dunklen aus den Augen zu verlieren. So rückt er in seinen Kolumnen, die ebenfalls in Buchform erschienen sind, die Welt des Managements und der Business Class kritisch in den Mittelpunkt.

In einer Villa am Zürichberg wohnt Alt-Nationalrat Dr. Stotz, umgeben von Porträts einer jungen Frau. Melody war einst seine Verlobte, doch kurz vor der Hochzeit – vor über 40 Jahren – ist sie verschwunden. Bis heute kommt Stotz nicht darüber hinweg. Davon erzählt er dem jungen Tom Elmer, der seinen Nachlass ordnen soll. Nach und nach stellt sich Tom die Frage, ob sein Chef wirklich ist, wer er vorgibt zu sein. Zusammen mit Stotz’ Großnichte Laura beginnt er, Nachforschungen zu betreiben, die an ferne Orte führen – und in eine Vergangenheit, wo Wahrheit und Fiktion gefährlich nahe beieinanderliegen.

Diogenes Verlag – gebunden – 336 Seiten – 26,00 € – ISBN ‎ 978-3-2570-7234-1

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