Wow, was für eine Idee! Da muss man erstmal draufkommen! Wenn es nach Jules Vernes Romane geht, der Science-Fiction Romane, mit damals vielen interessanten Ideen, zu Papier gebracht hat und diese sind dann fast alle Realität geworden, könnten die Beschreibungen von Bov Bjerg in diesem Roman auch Realität werden. Bov Bjerg erzählt ein Szenario, welches wir heute für Utopie halten. So etwas wird und kann nicht passieren. Die Menschen werden immer Gefühle, Emotionen und Empathie haben. Ist das so? Oder stumpfen wir nicht immer mehr ab? Die ewig schlechten Nachrichten, mit Bildern untermalt, von brutalen Kriegen, Massakern, Mord, Totschlag, Amokläufen oder geschundenen und ertrunkenen Flüchtlingen. Oder die überbrutalen Videospiele, in denen der Erfolg hat, der die meisten Gegner tötet. Können wir noch Emotionen zeigen und Weinen?
Autorenfoto: Copyright ® Gerald von Foris
Bov Bjerg, geboren 1965, gehört zu den wichtigsten deutschsprachigen Gegenwartsschriftsteller. Er gründete verschiedene Berliner Lesebühnen mit und tritt alljährlich beim „Kabarettistischen Jahresrückblick“ auf. Sein zweiter Roman „Auerhaus“ (2013) war ein Bestseller und wurde für die Bühne und Kino adaptiert. Mit „Serpentinen“ (2020) stand er auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.
Es ist Ende des 21. Jahrhunderts. Die Welt ist durch den Menschen gemachten und durch den politischen Egoismus nicht gestoppten Klimawandel und Kriege inklusive Bürgerkriege zerstört worden. Es gibt klimatisch bedingt nur noch ein Resteuropa. Auch dieses mit zwei Klimazonen, immer blauer Himmel, alles ist verdorrt und trocken und die Regenzone, in der es immer regnet. Ein riesiger Betonklotz schützt Resteuropa. Die restliche Bevölkerung der Niederlande vegetiert auf Flössen. In den Auffanglagern Neuschwanstein und Neulübeck sammeln sich die Flüchtlinge aus aller Herren Länder, wie Schweden, Dänemark, Niederlande und ganz Afrika. Die Menschen in Resteuropa haben das Trauern verlernt. Doch wer weint um einen, wenn man stirbt. Wer animiert die Angehörigen zum Weinen. Die Trauerfeier soll doch Stil haben. Wer etwas auf sich hält, leistet sich einen Vorweiner. In den Auffanglagern gibt es reichlich Auswahl. A. wie Anna legt sich, genau wie ihre Freundinnen, Jan einen holländischen Flüchtling für die Trauerarbeit zu. Um eine auch gute Trauerzeremonie zu bekommen, ist es wichtig, dass es eine gute Beziehung zum Vorweiner gibt. Damit beginnt das Problem. Bov Bjerg hat das Geschehen aus der Sicht von B. wie Berta, der Tochter von A. wie Anna emotionslos beschrieben. Nicht umsonst war Bov Bjerg mir „Serpentinen“ auf der Shortlist. Auch hier im „Vorweiner“ glänzt er mit einem besonderen Schreibstil. Ich würde sagen, fast schon einzigartig. Wer sich darauf einlässt, wird viel Freude mit diesem Buch haben.
Der Vorweiner, Bov Bjerg, Claassen, ISBN: 978-3-546-10038-0, Gebundenes Buch, Seiten 240, € 24,00, erschienen 31.08.2023.