Als Eske Hicken 2017 eine berufliche Auszeit nahm und in Portland, USA für eine Organisation, die für Rechte der Obdachlosen kämpft, arbeitete, dachte sie wahrscheinlich nicht, dass sechs Jahre später im Erscheinungsjahr ihres Romans die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in Deutschland sich so drastisch verändert hätten, dass dieses „homeless-Szenario“ der USA nicht mehr in utopischer Ferne liegt, sondern durchaus vorstellbar ist, dass auch diese „Bewegung“ nach Europa überschwappt. Und auch wenn dieser spannende Roman fiktiver Art ist, sind sicherlich einige der zwölfmonatigen Erfahrungen in die Geschichte eingeflossen. Hicken schreibt klar, sachkundig und verständlich dabei leicht distanziert. Die Protagonisten sind authentisch und gut getroffen: Helen und Richard, beide Journalisten, die dank der großzügigen Schecks von Helens Vater in einem Eigenheim leben und Katie, die nach mehreren Fluchtversuchen der häuslichen Hölle samt Morddrohungen entkommen konnte sowie John, Grafiker, der nach zehn Jahren Festanstellung Opfer der Sanierungsmaßnahmen wird und Job, Frau und Kinder verliert, leben auf der Straße. Die Autorin lässt die Vier selbst erzählen. Durch Katie und Johns Erzählungen wird deutlich, dass die Gründe für Obdachlosigkeit mannigfaltig sind und die amerikanische Mittelschicht mit einem Fuß daran kratzt. Während es für die Obdachlosen jeden Tag darum geht zu überleben, ist es für Helen und Richard der Kampf in der Mittelschicht zu bleiben. Durch eine Obdachlosenunterkunft für 150 Männer die in ihrem Viertel eröffnet werden soll, fühlt sich vor allem Richard bedroht. Als bei einem Brandanschlag auf Obdachlose eine Frau ums Leben kommt und Helen für ihre Zeitung darüber berichtet, kommt es anschließend zu einem Streitgespräch mit Richard. Sie führt ihm vor Augen, wie er sich kaum wahrnehmbar verändert und dies sein Schreiben beeinflusst hat: „etwas härter im Ton, etwas konservativer“ und dass er „damit den Rechten Argumente liefert“. Als die Zeitungsredaktion einen Hinweis erhält, dass der Brandstifter in den Reihen der Polizei zu finden ist, begibt sich ein kleines Team auf Spurensuche.

Foto: hr
Eske Hicken, geboren 1971 in Delmenhorst, ist Radio- und Fernsehreporterin. 2017 nahm sie eine berufliche Auszeit und arbeitete ein Jahr lang bei einer Organisation in Portland, die für die Rechte von Obdachlosen kämpft. Eske Hicken lebt in Frankfurt am Main.
Vier Menschen, eine Stadt, zwei Welten: Helen und Richard können sich veganen Truthahn und Achtsamkeitskurse leisten, während sich Katie und John dem Überlebenskampf auf der Straße stellen müssen. Sie alle leben in Portland, USA, einem Zentrum der Alternativ- und Hipsterkultur, wo zugleich tausende von Menschen obdachlos sind. Als eine rechte Bürgerinitiative auftaucht, die gegen Obdachlose hetzt, und schließlich sogar Zelte angezündet werden, geraten die vier in einen Strudel gewaltsamer Ereignisse, der sie an die Grenzen des Aushaltbaren treibt. Die Spannungen zwischen den Milieus hat Eske Hicken vor Ort erlebt und in einen packenden Roman verwandelt, der unter die Haut geht und von Schicksalen erzählt, denen wir künftig auch in unseren Breitengraden begegnen könnten.
Edition W GmbH – gebunden – 280 Seiten – 24,00 € – ISBN 978-3-9496-7109-8