Die Liebe in Zeiten von Mao Zedongs, Liao Yiwu

Der Autor, ist ein Mann, der vier Jahre in Haft vom chinesischen Regime gequält und erniedrigt wurde. Ein Mann, der seinen Hass mit genau der Brutalität aufs Papier gebracht hat, wie er sie durch Misshandlung erlebte. Da dieses Buch seinen Anfang im Gefängnis nahm, wo es im Geheimen geschrieben und herausgeschmuggelt wurde, trägt jede Zeile dieses Erbe. Die Geschichte ist gezeichnet von dem Wahnsinn, der Heranwachsende, der Kinder und jungen Menschen in China in ihrer gottgleichen Verehrung zu Mao Zedong befiel. Die chinesische Kulturrevolution, ein ebenso schwarze Geschichte der Menschheit, wenn es um die Verführung der Jugend geht, wie die Verblendung der Hitler Jugend. Ein Kapitel, das gekennzeichnet war vom Verrat an Eltern, Liebenden und Freunden, bis die eigene Identität nur noch eine leere Hülle wurde, in der Seele und Herz von falsch verstandener Euphorie und Menschenverachtung aufgefressen. Liao Yiwus Protagonist ist Zhuang Zigui, am Anfang ein Jüngling, noch keine Mann, aber schon ein kleiner roter General, der für seinen Führer Mao sterben würde. Ein Mensch, dem die menschlichsten aller Gefühle durch die Revolution abhandengekommen sind. Denn Liebe kann nur ein kontrarevolutionäres Verhalten von Kapitalisten und Royalisten sein, das mit Zähnen und Fäusten aus den Leibern der Feinde gebissen und geschlagen werden muss.

Ein sehr interessantes Buch, über die Verirrung eines Volkes durch politische Propaganda. Aber nicht einfach auszuhalten, denn der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die aller unwürdigsten und zu tiefst verstörenden Handlungen von Mensch an Menschen geht.

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Liao Yiwu, geboren 1958 in der Provinz Sichuan, wuchs als Kind in großer Armut auf. 1989 verfasste er das Gedicht »Massaker«, wofür er vier Jahre inhaftiert und schwer misshandelt wurde. 2007 wurde Liao Yiwu vom Unabhängigen Chinesischen PEN-Zentrum mit dem Preis »Freiheit zum Schreiben« ausgezeichnet, dessen Verleihung in letzter Minute verhindert wurde. 2009 erschien sein Buch »Fräulein Hallo und der Bauernkaiser«. 2011, als »Für ein Lied und hundert Lieder« in Deutschland erschien, gelang es Liao Yiwu, China zu verlassen. Seit seiner Ausreise nach Deutschland erschienen die Titel »Die Kugel und das Opium« (2012), »Die Dongdong-Tänzerin und der Sichuan-Koch« (2013), »Gott ist rot« (2014), »Drei wertlose Vita und ein toter Reisepass« (2018), »Herr Wang, der Mann, der vor den Panzern stand« (2019) sowie der Roman »Die Wiedergeburt der Ameisen« (2016). Zuletzt erschien 2022 sein Dokumentarroman »Wuhan«. Für sein Werk wurde er mit dem Geschwister-Scholl-Preis und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Liao Yiwu lebt in Berlin.

Klappentext Webseite S. Fischer Verlag: „Nach dem Erfolg von »Wuhan« erzählt der Friedenspreisträger und bekannte China-Kritiker Liao Yiwu nun eindrücklich von der Chinesischen Kulturrevolution: die Epoche, in der China zur Diktatur wurde. Im Geheimen entstand Liao Yiwus Roman “Die Liebe in den Zeiten des Mao Zedongs”, der in großartiger Erzählweise den ganzen Widersinn Chinas in einem Leben und vier Liebesgeschichten umreißt. Yiwus großes Buch wurde noch im Gefängnis in Sichuan fertig gestellt und danach Seite für Seite als Kassiber hinausgeschmuggelt. Erst im Berliner Exil fanden die Einzelteile wieder zueinander. Dreh- und Angelpunkt der generationenübergreifenden Geschichte ist die Chinesische Kulturrevolution, die in ihrer Erbarmungslosigkeit zu den schwärzesten Perioden im letzten Jahrhundert zählt. Kinder verrieten ihre Eltern, Liebespaare denunzierten einander – die unterschwellige Angst des Verrats wurde zum täglichen Begleiter. So schildert der Autor authentisch und hautnah die Reise zur Entstehung der Willkür, die China heute erstickt. »Liao Yiwu ist der wohl vielseitigste Chronist des zeitgenössischen Chinas. « Der Tagesspiegel

Zhuang Zigui verrät als Jugendlicher seinen Vater, ohrfeigt ihn öffentlich, bezeichnet ihn als Konterrevolutionär und lässt seine Mutter in eine Irrenanstalt einweisen. Das alles nur, um zu den Roten Garden zu gehören. Das die Eltern ihn weiterhin bei seinem Kosenamen nennen, ist etwas, dass er nicht begreifen kann. Wenn er selbst Maos Feinde so sehr hassen kann und jedem das Herz zerreißen würde für seinen Geliebten Vorsitzenden, wie können seine Eltern ihn noch lieben?

Durch die Gehirn- und vor allem Seelenwäsche, die ihn bei den Roten Garden zu einem anderen Individuum machen, bekommt er immer dann Probleme, wenn plötzlich die Liebe ins Spiel kommt. Ist es nicht schon ein Verrat am großen Vorsitzenden ein Mädchen zu verlieben, sodass der geliebte Mao nur für eine Sekunde einen geringeren Stellenwert einnimmt? So kann es ihn nur verwirren, als er auf dem Platz des Himmlischen Friedens, bei einer Kundgebung, die mit Maos Erscheinen gekrönt wird, seine erste große Liebe trifft. Das Mädchen Nie Honghong erwidert nicht nur seine Gefühle auch seinen fast religiösen Glauben an die Volksrepublik. Sie bezahlt diesen Glauben mit ihrem Leben bei einer Auseinandersetzung mit Gegnern der Revolution. Schon bald darauf kommt auch Zhuang Zigui unter die Räder seiner eigenen Schergen. Er macht sich auf die Suche nach der Liebe und wird ein Wanderer, in einem durch Hunger Tod und Ausweglosigkeit geprägten Vaterland. Er vergewaltigt und lässt seine Wut an Tieren aus, verzweifelt fast, bevor er nach Tibet geht und dort etwas Größeres findet. Die Literatur und das Verständnis für Menschen mit wahrer religiöser Hingabe.

Definitiv ein Roman, den man ab und zu wieder weglegen muss, verdauen, überdenken und dem man auch einiges verzeihen sollte. Denn er ist verstörend, ohne Schnörkel und schildert, Mord, Totschlag, Folter, Vergewaltigung und selbst einen von Exkrementen übersäten Platz des Himmlischen Friedens, nachdem tausende kleiner roter Generäle dort ausharrten, um ihren großen Vorsitzenden zu sehen.

Auf der anderen Seite des hoffnungslosen Zynismus und einen fast skurrilen Humors, gibt es auch die anderen Erzählungen, die mit Gedichten, Reimen und Lieder ausgeschmückt sind. Die von Tibet erzählen, von verlorener Schönheit und auch von einem China, das einmal voller Liebreiz war.

Liebe in Zeiten Mao Zedongs, Liao Yiwu, S. Fischer Verlag, gebundene Ausgabe, 448 Seiten, ISBN 978-3-10-397291-7, Euro 26,00, erschienen 28.06.2023, übersetzt von Brigitte Höhenrieder und Hans Peter Hoffmann.