Susanne Abel: Was ich nie gesagt habe

Eine Weile nachdem ich »Stay away from Gretchen« gelesen und an dieser Stelle vorgestellt hatte, traf ich eine Frau, deren Vater ein GI in Deutschland war und der von seiner Einheit zurück in die USA geschickt wurde, als herauskam, dass er sich eben nicht von deutschen Mädchen ferngehalten hatte. Dieser Frau gelang es, ihren Vater ausfindig zu machen. Sie glaubte nicht, dass die US-Armee so gehandelt hatte. Ich erzählte ihr von dem Buch, und dass sie offensichtlich nicht das einzige Opfer dieser Politik war. Um diesen Punkt zwischen ihrem Vater und sich aus der Welt zu räumen war es leider zu spät, aber immerhin hat sie ihren Frieden gefunden. Und nun die Fortsetzung, die sich ebenfalls mit schweren, unbequemen Themen wie alltäglichem Rassismus im Deutschland der 50er Jahre, Flucht und Vertreibung, Demenz, Zweiter Weltkrieg und der Suche nach einem verlorenen Kind auseinandersetzt. In diesem Teil der Familiensage geht es um Gretas Sohn Tom und dessen  Perspektive. Gekonnt von Susanne Abel erzählt, wieder sorgfältig recherchiert, berührend wie beunruhigend. Und Gretchens Familie ist spannend! Taucht doch aus dem Nichts erst Toms holländischer Halbbruder Henk, der mehr über den gemeinsamen Vater Konrad erfahren will auf, dem später weitere Halbgeschwistern folgen. Und so schildert die Autorin in der ersten Erzählebene von Toms Verliebtheit und seiner Beziehung mit Jenny und in einem weiteren Erzählstrang die Lebensgeschichte von Konrad und lässt die beiden Ebenen ineinander übergehen. Seine Mutter kann Tom aufgrund der fortgeschrittenen Demenz nicht mehr zu den Ereignissen befragen und ihm wächst die Geheimniskrämerei um seine Familie über den Kopf. So sind es seine Freundin Jenny und Henk, die beginnen zu recherchieren und lang gehütete Geheimnisse zu Tage fördern. Wie schon in »Stay away from Gretchen« kombiniert Susanne Abel ihre Geschichte mit Fakten zu einem spannenden, interessanten und vor allem lesenswertem Ganzen.

Foto: Hanna Witte

Susanne Abel stammt aus einem badischen Dorf an der französischen Grenze, arbeitete bereits mit siebzehn Jahren als Erziehungshelferin und später als Erzieherin. Nach einer Ausbildung zur Puppenspielerin landete sie über den Weg des Theaters beim Fernsehen. Sie schloss ein Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin ab und realisiert seither als Autorin und Regisseurin zahlreiche Dokumentationen fürs Fernsehen. Die Autorin lebt und arbeitet in Köln.

 

 

Tom Monderath ist frisch verliebt: Mit Jenny erlebt er die glücklichste Zeit seines Lebens. Bis er durch Zufall auf seinen Halbbruder Henk stößt, der alles über ihren gemeinsamen Vater wissen will. Doch Konrad starb vor vielen Jahren und seine demente Mutter Greta kann Tom nicht befragen. Als sich weitere Halbgeschwister melden, wird es Tom zu viel. Jenny und Henk hingegen folgen den Spuren Konrads. Selbst fast noch ein Kind, kämpfte Toms Vater im Krieg, geriet in amerikanische Gefangenschaft, bevor er in den späten 40er-Jahren nach Heidelberg kommt. Dort verliebt er sich Hals über Kopf in die junge Greta, nicht ahnend, dass ein Geheimnis aus der dunkelsten Zeit des Nationalsozialismus ihre gemeinsame Familie ein Leben lang begleiten wird …

dtv gebundene Ausgabe – 560 Seiten – 23 € – ISBN 978-3-423-29023-4