Die verlorenen Jahre in der Zeit des Erwachsenwerdens sind sowieso schon kaum auszuhalten, doch mit dem falschen Elternhaus, wird selbst Rebellion zu einer zähen Sache. Charles hat sich ihr Leben mit ihren irren Hippie-Eltern in Berlin eingerichtet. Ab und zu muss sie mal ihren Vater hinterher, wenn er als Flitzer durch die Straßen rast und das für Kunst hält, aber bitte, es gibt Schlimmeres. Nämlich, dass ihre völlig verkorkste Mutter plötzlich mit Sack und Pack und leider auch der gesamten Familie in eine Kommune aufs Land zieht. Charles ist am Nullpunkt angekommen, ohne Berlin kann sie sich den Schuss geben. Gwenn lebt in der Schickimickisiedlung mit ihren reichen Eltern und ihrem fast immer zugekifften Bruder. Sie lebt ein Doppelleben. Zu Hause die elitären Freunde der Eltern, wobei männlichen Freunde keinen Versuch unterlassen, dem heranwachsenden Mädchen mal an den Hintern zu packen. Dann die asozialen Ecken von Hildesheim, wo sie dreckigen Sex hat und sich Streetfights liefert. Alles schreit danach, das Gwenn und Charles sich endlich treffen. Und das hat dann auch einen Knalleffekt vor allem für die Eltern, aber endlich Linderung für die Mädchen.
Witzige Sprache am Zahn der Zeit und erschreckende Einsichten in das alltägliche Leben von Teenagern. Pubertät ist nun mal alles andere als einfach! Erstaunlich wie viel man vergessen hat von den verwirrenden Zeiten, hier kann man sich erinnern!
Autorenfoto: Copyright ® Charlotte Krusche
Lisa Krusche, geboren 1990 in Hildesheim, lebt in Braunschweig. Studium der Kunstwissenschaften an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig (HBK). Veröffentlichte in Zeitschriften und Anthologien, u.a. in »Mindstate Malibu. Kritik ist auch nur eine Form des Eskapismus«. 2019 erhielt sie den Edit Radio Essaypreis. 2020 den Hans-im-Glück-Preis und den Deutschlandfunk-Preis bei den 44. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt. »Unsere anarchistischen Herzen« ist Lisa Krusches erster Roman, der auf der Shortlist des 42. aspekte-Literaturpreises steht.
Zwei pubertäre Mädchen aus zwei ganz unterschiedlichen Familien. Die einen Hippies in einer Kommune, Künstler und die Kinder, ohne Kohle werden am Rande der Verwahrlosung aufgezogen. Die anderen Anwälte, eine Villa und die richtigen Freunde in Wirtschaft und Politik. Die Kinder jedoch werden mit Geld überschüttet und wachsen am Rande der Verwahrlosung auf. Mit ein bisschen Liebe und einigen Grenzen könnten die beiden jungen Frauen im gesunden Maß revoltieren und sich selbst finden. Doch völlig übersehen von allen endet ihre Revolution in Aussichtslosigkeit und beinahe in Depression. Irgendjemand meint es aber scheinbar gut mit ihnen, denn sie lernen sich kennen bei Sinan, dem Philosophiestudenten, der den Kiosk nebenbei betreibt. Zu zweit ist alles einfacher. Endlich verstehen sie, dass das ganze destruktive Aufbegehren nur sie selbst verletzt. Sie müssen an die Wurzel des Übels und klar Schiff machen. Ihre Eltern!
Ein Roman geschrieben aus der Sicht zweier Teenager. Gefühl, Wort und Stimmung sind so authentisch getroffen, dass man erst einmal nachsehen musste, wie alt die Autorin eigentlich ist. Ein tolles Buch für Teenager, Eltern und Erwachsene, die schon lange vergessen haben, was die Jahre zwischen dreizehn und neunzehn bedeutet haben.
Unsere anarchistischen Herzen, Lisa Krusche, Fischer Verlag, gebundene Ausgabe, Seiten 448, ISBN: 978-3-10-397051-7, Euro 23,00, erschienen April 2021.