Tupoka Ogette: Und Jetzt Du

 

Mit Neugier und Interesse und bemüht vorurteilsfrei bin ich, nachdem ich das Interview mit der Autorin im Stern gelesen hatte, an das neue, und für mich erste Buch von Tupoka Ogette herangegangen. Dass bei dem Thema Rassismus eine emotionale Ebene mitschwingt, ist verständlich und eine Sache, ein emotionales Dauer-Trommelfeuer zu zünden ist eher ermüdend und eine ganz andere Sache. Und nur weil ich vielleicht in den Augen der Autorin rassistisch bin, heißt es nicht, dass ich auch unkritisch bin. Mit dem Duzen des Lesers vermittelt die Autorin das Gefühl einer flachen Hierarchie, wiegt den Leser in Sicherheit: wenn Du tust, was ich Dir sage, wird alles gut! Ist das so? Überwinden wir Rassismus durch ideologische Vorgaben oder verordnete Denkmuster, die das Denken narkotisieren? Oder sind es nicht vielmehr Denkanstöße, die Prozesse in Gang setzen? Wenn man sich einem so wichtigen Thema wie Rassismus nähert, dann sollte man versuchen die Leserschaft einzubeziehen und sich auf eine Verständnisebene begeben, die Menschen erreichen kann und vielleicht eher bei einem respektvollem „Sie“ bleiben.

photo: China Hopson

Tupoka Ogette wurde 1980 in Leipzig als Tochter eines tansanischen Studenten der Landwirtschaft und einer deutschen Mathematikstudentin geboren. Kurz vor der Wende wanderte ihre Mutter mit ihr nach Westberlin aus, wo Ogette bis zu ihrem Abitur lebte. Sie hat einen Magister in Afrikanistik und Deutsch als Fremdsprache von der Universität Leipzig und einen Master in International Business von der Graduate School of Grenoble. Seit 2012 ist Tupoka Ogette bundesweit als Beraterin und Trainerin im Bereich Rassismuskritik tätig. In dieser Funktion leitet sie in Deutschland, Österreich und der Schweiz Workshops und Fortbildungen, tritt als Speakerin auf, berät Teams und Organisationen. Ihr im März 2017 erschienenes Handbuch »exit RACISM. Rassismuskritisch denken lernen« ist ein SPIEGEL-Bestseller. Im Jahr 2019 wurde Ogette vom Magazin Edition F als eine der 25 einflussreichsten Frauen des Jahres ausgezeichnet. SPIEGEL Online nahm sie als eine von zehn Frauen in den Bildungskanon zum Thema Theorie und Politik auf. 2021 wurde sie von About You zum »Idol of The Year« gewählt. Sie lebt mit ihrem Mann, dem Künstler und Bildhauer Stephen Lawson, und ihren Kindern in Berlin.

Und so möchte ich anmerken, dass ein Glossar, eventuell sogar herausnehmbar, um mich mit dem Vokabular und Definitionen vorab vertraut zu machen, den Lesefluss positiv beeinflusst hätte. Menschen, denen Begriffe wie »white fragility«, »PoC«, »BIPoC«, »critical race theory« oder auch »Privilegientheorie« geläufig sind, werden dieses Buch feiern. Interessierte Menschen, die sich dem Thema Rassismus nähern wollen, kapitulieren vielleicht angesichts eventueller sprachlicher Barrieren. Es ist ein Irrtum zu denken, jeder weiße Rassist spräche fließend Englisch. Das Argument: was man sich selbst erarbeitet, bringt einen weiter, kann Ogette nicht in Anspruch nehmen, da ihr Buch nicht so konzipiert ist. Worte deren Bedeutung man nicht kennt, sind lediglich Worthülsen. Und die nachzuplappern, macht uns nicht zu Anti-Rassisten, stattet uns nicht mit dem nötigen Wissen aus, rassismuskritisch durchs Leben zu gehen.

Tupoka Ogette: Und Jetzt Du, Penguin Verlag  –  Gebunden – 329 Seiten, ISBN 978-3-74590-7575–  €22,00

 

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