Anne Mette Hancock: Narbenherz

Hat Anne Mette Hancock mit ihrem Erstlingsroman überrascht und für Furore gesorgt, legt sie mit der Fortsetzung Narbenherz nach und festigt ihren Ruf, zu den besten Crime-Autor*innen Dänemarks zu gehören. Der Thriller kommt echt skandinavisch daher: schlicht ohne Schnörkel, elegant, nachhaltig. Die Autorin verzichtet darauf, große Stimmungsbilder als Einstieg in die Geschichte zu geben, sondern lässt den Leser auf Seite 3 Zeuge eines Verbrechens werden. Die kurzen Kapitel geben der Geschichte eine eigene Dynamik und steigern die Spannung. Der ideenreiche Plot ist raffiniert gestrickt und wirkt zu keinem Zeitpunkt konstruiert. Anne Mette Hancock legt falsche Fährten und führt den Leser aufs Glatteis, führt aber am Ende alle Erzählstrenge plausibel zusammen und überrascht mit dem Schluss: Wie in Agatha Christies „Orientexpress“ steckt in jedem Täter ein Opfer.

Anne Mette Hancock Foto Ditte Capion

Anne Mette Hancock ist ein junger Star der skandinavischen Krimi-Szene: Ihre Kopenhagen-Thriller um die Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan und den Kommissar Erik Schäfer sind Platz-1 Bestseller in ihrer Heimat Dänemark und werden in viele europäische Sprachen übersetzt. Für die Romane wurde die Autorin mehrfach ausgezeichnet. Anne Mette Hancock studierte Geschichte und Journalismus in Roskilde und arbeitete als freie Journalistin für Tageszeitungen und Magazine. Sie stammt aus Grasten an der dänischen Ostseeküste, lebte in Frankreich und den USA und wohnt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Kopenhagen.

Die Nacht beginnt. Die Hoffnung schwindet. Was ist mit Lukas geschehen, der aus der Schule verschwunden ist? Bei seiner Ankunft dort wurde er noch gesehen, dann verliert sich die Spur. Durch Zufall erfährt Heloise Kaldan von dem Fall, denn ihre beste Freundin Gerda kennt den Jungen. An der Schule von Lukas trifft Heloise auf ihren Freund Kommissar Erik Schäfer und seine Polizeipartnerin Lisa Augustin. Beide sind tief beunruhigt, Lukas‘ Eltern außer sich. Kann Heloise dabei helfen, das entscheidende Muster zu erkennen? Und welche Gefahr hat sie in ihrem eigenen Leben übersehen?

Die Figur des Kommissars, Erik Schäfer, gefällt mir besonders gut. Zur erfrischenden Abwechslung ist es mal ein Ermittler, der seit 30 Jahren mit ein und derselben Frau zusammen ist. Genauso lange, wie er Polizist ist, nicht an der Flasche hängt und sich nicht durchs Leben flucht. Ein leidenschaftlicher Kommissar, der seinen Beruf liebt und mit Respekt ausübt und davon träumt, den Lebensabend in der Karibik zu verbringen. Die zweite Protagonistin, Heloise Kaldan, Investigativ-Journalistin einer renommierten Zeitung, die Schäfer bei seinen Ermittlungen unterstützt, kommt dagegen eher spröde daher und macht es dem Leser nicht leicht, sie zu mögen. Ich wünsche ihr, dass die Autorin ihr im nächsten Fall wohlgesonnen ist und Heloise etwas Glück und Freude angedeihen lässt.

Anne Mette Hancock: Narbenherz, S. Fischer Verlag – Klappenbroschur –  374 Seiten – ISBN 978-3-651-00094-0, 15,00 €