Zwei Erzählungen, zwischen denen einhundertzwölf Jahre liegen, aber das gleiche Thema behandeln. Die Suche nach Identität und den geliebten, vermissten Menschen. Es ist das Jahr 1875 und der Schatten des amerikanischen Bürgerkriegs hängt immer noch über Land und Menschen. Hannie ist zwar eine freie Sklavin, doch will die Frau ihres ehemaligen Besitzers ihr nicht das Land geben, was ihr Herr einmal versprach. So macht sie sich mit den Töchtern des Gutsbesitzers auf die Suche nach dem Mann, der ihr Unabhängigkeit versprach. Auf dieser Reise wächst sie über sich hinaus und lernt, was wirklich Freiheit bedeutet. 1987 Eine Schule in Louisiana. Benny ist eine junge motivierte Lehrerin, doch die hungrigen armen Kinder, mit denen sie tagtäglich konfrontiert wird, lassen sie fast verzweifeln. Denn allem Neuen und Fremden stehen sie skeptisch gegenüber. So ruft Benny ein Ahnenprojekt ins Leben, um den Kindern ihre eigene Vergangenheit näher zu bringen.
Eine sehr schöne Urlaubslektüre mit historischem Hintergrund, die nicht auf reißerische Szenen abzielt. Es ist eine ruhige Erzählung über zwei junge Frauen, hundert Jahre von einander getrennt, die am Ende zu sich selbst finden.
Autorenfoto: ® Wyatt McSpadden Photography
Lisa Wingate, geboren im rheinischen Landstuhl, ist Journalistin und Autorin mehrerer preisgekrönter Romane. Ihren großen Durchbruch feierte sie mit »Die Libellenschwestern«. Der Roman führte nicht nur die »New York Times«-Bestsellerliste über ein Jahr hinweg an, er eroberte auch die SPIEGEL-Bestsellerliste sowie Tausende Leserherzen im Sturm. Die Autorin lebt in den Ouachita Mountains in Arkansas, USA.
Dieses Buch hat so gar nichts mit Vom Winde verweht zu tun, auch wenn das Ambiente des ersten Erzählstrangs daran erinnert. Es geht um Hannie, eine freie Sklavin die sich auf die Suche nach ihrem ehemaligen Besitzer macht. Denn er scheint der Einzige zu sein, der ihr wirklich Unabhängigkeit geben kann. Ein Stück versprochenes Land, das seine Frau ihr nicht geben will. So begleitet sie die beiden Schwestern Gossett auf der Suche bis nach Texas. Unterwegs treffen sie Massen von ehemaligen Sklaven, die ihre Familien suchen. Menschen, die von ihren Liebsten, Kindern, Eltern getrennt wurden, ohne Rücksicht auf Verluste. Einfach weil man damals Sklaven wie Vieh kaufte, verkaufte und tötete. Die drei kleinen blauen Glasperlen erinnern Hannie, das auch sie einmal eine große Familie hatte. So wird ihre Suche mehr und mehr die Suche nach ihrer Familie und ihrer eigenen Unabhängigkeit, die sie nie in einem Stück Land finden wird.
Benedetta Silva übernimmt eine Lehrstelle, die niemand möchte. Es ist das Jahr 1987 und dennoch ist die Armut der Menschen in dieser Gegend von Louisiana unbeschreiblich. Ihre Schüler kommen hungrig, desinteressiert und voller Skepsis in die Schule. Egal was Benny ihnen auch anbietet, es wird abgelehnt. Bis ihr die Idee kommt, mit der Vergangenheit ihrer Schüler zu arbeiten. Bei dem Ahnenprojekt, das sie ins Leben ruft, schließt sich dann der Kreis wieder bei Hannie. Und im Laufe der Arbeit mit ihren Schülern ist auch Benny endlich in der Lage ihr eigenes Schicksal hinter sich zu lassen. Auch sie kann den eigenen vermissten, geliebten Menschen zurufen: Ich habe dich nie vergessen. Keinen Moment.
Eine wirklich schöne, ruhige Erzählung über großes Unrecht und das eigene Erwachen.
Die Glasperlenmädchen, Lisa Wingate, Limes Verlag, gebundenes Buch, Seiten 528, ISBN: 978-3-8090-2739-3, Euro 22,00.