Herbst in Nordkorea, Rudolf Bussmann

Der Untertitel, Annäherung an ein verschlossenes Land, trifft das Buch genau. Denn Rudolf Bussmann hat sich mit der Journalistin und Übersetzerin Hoo Nam Seelmann, genannt Yu-Mi, auf die Reise gemacht. Die beiden Schweizer Staatsangehörigen erhielten Visa, um von China in den Norden Nordkoreas einzureisen. Eine Reise die von der Sonderwirtschaftszone Rasŏn, bis runter zum Ch’ilbo Gebirge führt, von dem es nur einhundert Kilometer sind, bis zum Atomtestgelände P’unggye-ri.

Es ist nicht nur ein unglaublich spannender Reisebericht. Bussmann ergreift hier die Chance, die Geschichte Nordkoreas zu erzählen. Die raren Fakten einzuflechten, die von den wenigen Experten, Reiseführern aber auch den Flüchtlingen berichtet wurden.

Das Buch ist informativ, spannend wie Thriller und wirbt für Verständnis für die kleinen Leute in diesem Land. Denn dort, wie fast überall auf der Welt, sind es genau diese Menschen, auf deren Rücken Macht, Korruption und Größenwahn ausgelebt wird. Wollen Sie ein wenig mehr über Nordkorea wissen, dann ist dieser Reisebericht die perfekte Literatur.

Autorenfoto: ® Claude Giger

Rudolf Bussmann, 1947 in Olten geboren, ist ein Schweizer Schriftsteller. Er hat Geschichte, deutsche und französische Literaturwissenschaften studiert, an der Universität Basel promoviert, Romane und Gedichte veröffentlicht, mit Hoo Nam Seelmann den südkoreanischen Prosaautor Kim Young-ha übersetzt und ist Mitorganisator des Internationalen Lyrikfestivals Basel. Er lebt in Basel und im Jura.

Es geht jedoch in diesem Reisebericht nicht nur um die unfassbare Macht der Kim Familie. Dem Großvater Kim Il-sung der 1998 posthuman zum „Ewigen Präsidenten“ befördert wurde. Nicht nur um den Vater Kim Jong-il, der seinerseits 2012 vier Monate nach seinem Tod, zum „Ewigen Generalsekretär der Partei der Arbeit Koreas“ erklärte wurde. Und auch nicht nur um Marschall Kim Jong-un. Es geht nicht nur um die Gräueltaten an der Bevölkerung und den Straflagern, von denen Flüchtlinge berichtet haben.

Der Autor versucht eine Erklärung, warum Großteile der Bevölkerung immer noch hörig an den Sieg durch harte Arbeit glauben. Das, obwohl die goldenen Zeiten, wie von Luise Rinser beschrieben, die das Land in den 1980er dreimal bereist hat, lange vorbei sind. Wo es damals keine Wohnungsnot, keine Arbeitslosen, keine Kriminalität, keine Süchtigen und vor allem keine Armut und Hunger gab, veränderte sich das zehn Jahre später drastisch. Ein Land, das 1989 nur durch geschönte Wirtschaftsstatistiken nicht ersichtlich geschwächt ist, erfährt seinen schlimmsten Rückschlag, als sich die Ostblockstaaten auflösen. Plötzlich kann Russland und China nicht mehr als die großen Brüder Nordkorea unter die Arme greifen. Es bleiben Öl- und Produktlieferungen einfach aus oder China erhebt Weltmarktpreise dafür. Die ersten Hungernöte überfallen das Land und werden mit Überschwemmungen und Hagelstürmen ins uferlose anwachsen. Zahlen von über einer halben Million verhungerter Menschen stehen im Raum. So helfen sich die Menschen selbst und eine kleine Marktwirtschaft entsteht im eigenen Gemüsegarten.

Und an dieser Stelle muss ich meine Rezension beenden. Sie sehen an meinen Worten wie sehr mich das Buch, das Thema und auch der Stil dieses Autors gefesselt hat. Ich könnte stundenlang weiter darüber diskutieren. Für mich ist es das beste Buch über Nordkorea, das ich je gelesen habe. Herbst in Nordkorea besticht durch Beobachtungen, Respekt, Mitgefühl, Faken und den Versuch Vorurteile gegen Menschen, erst einmal zur Seite zu schieben. Ein großartiges Buch!

Herbst in Nordkorea, Rudolf Bussmann, Rotpunktverlag, gebundenes Buch, 216 Seiten, ISBN 978-3-85869-909-1, Euro 25,00.