Eine neue Renaissance bricht in unserer Gesellschaft an. Genau, wie die Erfindung des Buchdrucks einst die verbalen Lehren für wenige Privilegierte veränderte. Weg von all den Informationen im Kopf der Wenigen, hin zu den Nachschlagewerken für viele Menschen. So ist das digitale Zeitalter ein noch größerer, gravierenderer Umbruch. Denn Informationen stehen auf Knopfdruck bereit, die Lehre beruht nicht mehr auf Angebot und Nachfrage, es geht nur noch um das Angebot. So kann jeder sich Wissen aneignen, weil es überall und für fast jeden Menschen verfügbar ist. Der kleine Kasten (Handy) in der Hosentasche der jungen Generation macht es möglich.
So ist innerhalb kürzester Zeit ein neuer Mensch geboren worden, der die alten Rahmenbedingungen der Welt nicht mehr hinnehmen muss, weil er nicht mehr in der gleichen Weise darin lebt. Ein Wendepunkt, da jetzt alles erneuern werden muss, von unseren Jungen. Es ist an ihnen alles zu erneuern, ja erst noch zu erfinden.
Michel Serres kleines philosophisches Werk wendet sich gezielt an den klugen Jugendlichen, der mit beiden Daumen auf dem Handy mitten in der ganzen Welt steht.
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Michel Serres, geboren am 1. September 1930 in Agen, war ein französischer Mathematiker und Philosoph. Er absolvierte die École navale, um eine Laufbahn als Marineoffizier zu beginnen. Ab 1952 besuchte er die École normale supérieure, an der er 1955 seine Agrégation in Philosophie erhielt. Im folgenden Jahr trat er erneut in die Marine ein und fuhr jahrelang zur See. Serres war ab 1969 Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Sorbonne und wurde 1984 parallel zum Professor an der Stanford University ernannt. Ab 1990 war er außerdem einer der vierzig »Unsterblichen« der Académie française. 2012 erhielt Serres den »Meister-Eckhart-Preis« der Identity Foundation und der Universität zu Köln. Serres starb am 1. Juni 2019 in Vincennes.
Michel Serres Buch ist in drei große Kapitel unterteilt. I. Die Däumlinge. So nennt der Philosoph die jungen Menschen, die mit ihren beiden Daumen auf dem Handy in irrer Geschwindigkeit Informationen beherrschen. So geht es ihm im ersten Kapitel darum, zu klären, wer diese neue Generation überhaupt ist. Kapitel II. nennt er Schule und macht ziemlich klar, das sich die langjährigen Konzepte von Schulen, Universitäten und Lehranstalten aller Art durch die neue Technologie längst überholt haben. Denn die neuen Däumlinge sitzen nicht mehr still und stumm vor den tauben Vortragenden. So werden die Erreichbarkeit und die Geschwindigkeit des Wissens, bei der neuen Generation zur Chance, alte Abstraktionen einfach in Frage zu stellen. Im III. Kapitel Gesellschaft geht es dann darum, wie unsere Gesellschaft sich verändert hat und wie wenig wir immer noch bereit sind, Veränderungen zu akzeptieren. Veränderungen, die notwendig sind und immer notwendiger werden. Es ist an den Däumelinchen und Däumlingen, alles zu erneuern, ja erst noch zu erfinden.
Bestimmt kein ganz einfaches Buch, doch mit ein bisschen Hilfe des Internets, kann man Serres verstehen und weiß genau, von welchen geschichtlichen und philosophischen Beispielen er schreibt.
Eine wirkliche Liebeserklärung an unsere digitalvernetzte Jugend, die so oft schlecht wegkommt, nur weil wir Alten Angst haben vor Veränderungen und dem Individualismus unserer Kinder.
Erfindet euch neu! Eine Liebeserklärung an die vernetzte Generation, Michel Serres, Suhrkamp Verlag, broschierte Ausgabe, Seiten 76, ISBN 978-3-518-07117-5, Euro 10,00.