Pierre Lemaitre würzt die ohnehin an Katastrophen reiche Zwischenkriegszeit, in der er seine figuren- und handlungs-reiche Geschichte ansiedelt. Mit Intrigen, die er um das Erbe der im Mittelpunkt stehenden Bankiers-Familie Péricourt entspinnt und einem Rachefeldzug einer betrogenen Frau, als Antwort für die Neider, die auf das Verderben der Familie hinarbeiten. Er bestätigt erneut, dass er mit Ironie und immer wieder neuen Wendungen einfallsreich Spannung und intelligente Unterhaltung erzeugen kann und die Handlung durch Wechsel zwischen den Nebenhandlungen und Perspektiven flott und plausibel forciert, während im Hintergrund Börsenkrach, Korruption, Steuerbetrug, soziale Spannungen, Machtantritt faschistischer Regime die Weltpolitik bestimmen. Für den Titel hat Lemaitre eine Verszeile aus dem Gedicht „les lilas et les rose“ (1941) von Louis Aragon gewählt und dem Roman ein Zitat von Jakob Wassermann aus „Der Fall Mauritius“ vorangestellt: „Es gab, genau besehen, nicht Gute und Böse, Ehrliche und Schwindler, Lämmer und Wölfe, es gab nur Bestrafte und Unbestrafte, das war der ganze Unterschied.“ Lemaitres Charaktere sind lebendig und vielschichtig – namentlich Paul und Madeleine. Nicht alle Protagonisten sind charmant oder liebenswert, manche gar abstoßend. Aber auch bedingt dadurch, entsteht ein äußerst lesenswertes, aussagekräftigtes Sozialepos der 1930er Jahre in Frankreich, bei dem vor allem die Oberschicht nicht gut wegkommt. Weiterlesen