Schlagwort: Brandenburgisches Nirgendwo

Über Menschen, Juli Zeh

Ueber Menschen von Juli Zeh

Dora ist Mitte dreißig und Werbetexterin. Während der Coronapandemie, dem Trump Desaster, dem Klimaschutz-Aktivismus und den Erwartungen ans Gutmensch-Sein verliert sie sich selbst. Mit einer Kurzschlussreaktion, die symptomatisch einer Depression ähnelt, bricht Dora mit ihrem Lebenspartner und kauft ein Haus in Bracken. Das alte schwer renovierungsbedürftige Haus in der brandenburgischen Provinz hat es ihr angetan. Ohne Auto, mit einer Matratze, ihrem Fahrrad Gustav, einem Koffer und ihrem Hund landet sie im absoluten Nirgendwo. Ihr gegenüber wohnt der kleine Heini, ein paar Häuser entfernt Tom und Steffen, ein schwules Paar und ihr Nachbar ist Gottfried, genannt Gote. Er stellt sich ihr mit den Worten vor: Ich bin hier der Dorf-Nazi. Gar nicht witzig, vor allem, weil Dora abends hört, wie Gote mit zwei seiner Rechten Schergen das Horst Wessel Lied am Lagerfeuer schmettert. Eigentlich will sie nur noch weg, doch es dauert nicht lange und sie verliert durch die Pandemie ihren Job bei der Werbeagentur. Jetzt kann sie es sich nicht mehr leisten abzuhauen. Und dann passiert etwas, womit Dora nie gerechnet hätte. Sie muss wegen Gote eine Entscheidung treffen, die nur von ihr als Mensch für einen Menschen getroffen werden kann. Wieder einmal ein Juli Zeh Roman, der dem Leser nicht die Chance gibt, sich nur aus der Distanz entertainen zu lassen. Man wird automatisch zu Dora, überdenkt ihre Entscheidungen, ist entsetzt davon, begeistert davon und fragt sich, wie human man selbst eigentlich in ihrer Situation wäre. Wie human man eigentlich selbst ist.

Juli Zeh wird mit jedem Buch besser. Eine scharfsinnige und scharfzüngige Beobachterin unserer Gesellschaft, die mit Menschen Milde walten lassen kann und mit Leuten hart ins Gericht geht. Literatur der Spitzenklasse!

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