Seit seinem berühmten Debüt mit ›Russendisko‹, habe ich immer wieder Wladimir Kaminers Bücher gelesen und mir auch Lesungen angehört. Immer hat er es geschafft mich zum lauten Lachen zu bringen oder wenigstens zu einem ausgiebigen Schmunzeln bei seine hervorragenden Texten. Sein neustes Werk, ›Frühstück am Rande der Apokalypse‹, beschäftigt sich fast ausschließlich mit dem Russland/Ukraine Krieg. Dabei schafft es Kaminer, trotzdem er Russe ist, Stellung zu beziehen, ohne Stellung zu beziehen. Hört sich verrückt an, ist aber so. Alle bekommen ihr Fett weg und das zu recht. Dennoch hat auch Kaminer etwas von seiner Leichtigkeit verloren. Wen wundert es? Eigentlich niemand. Hier und da fallen ernste Worte, die auch genauso gemeint sind. Gut so, denn er kennt seine Landsleute und auch die Ukrainer, aber vor allem das russische System viel besser als einige von uns.
Was mich gefreut hat, weil auch ich die Russen ein bisschen kenne, da ich dort einmal vier Jahre gelebt und arbeitet habe, war, dass er die Nöte des russischen Volks ebenso aufzeigt, ihre Toten ebenso betrauert, wie die des ukrainischen Volks. Wohl eines seiner ernsthafteren Bücher, wenn auch der eine oder andere Lacher gelungen ist. Darum kann ich den Autor nur anfeuern: Herr Kaminer lassen Sie sich nie von irgendjemand den Mund verbieten!
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Wladimir Kaminer wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit 1990 in Berlin. Mit seiner Erzählsammlung »Russendisko« sowie zahlreichen weiteren Bestsellern avancierte er zu einem der beliebtesten und gefragtesten Autoren Deutschlands.
Gerne würde ich eine Passage gegen Ende seines neuen Buchs zitieren. Sie macht klar, dass Kaminer über eine sehr ernste Sache spricht, über die man kaum noch lachen kann.
Zitat: »Nach und nach gelang es dem Staat (hier Russland, Anmerkung Eschborner Stadtmagazin), all diese mutigen Künstler zur Ausreise zu zwingen. Angesichts der Wahl zwischen Knast oder Ausreise verließen viele Aktionisten das Land. In Abwesenheit der kritischen Kunst verwandelte sich das autokratische Weichei in eine harte totalitäre Diktatur und begann das zu tun, was alle Diktaturen früher oder später taten: Kriege führen und Menschen töten. Was sollten sie sonst tun? Angeblich war unser Planet aus Staub entstanden, aber was hielt den Staub zusammen, mit welchem Klebstoff war er zu einer Kugel geworden? War es nicht das von Imperien und Diktaturen vergossene Blut, das diesen Staub zusammenhielt? Und sind nicht die Ozeane mit Tränen von Müttern gefüllt, echten Müttern, die ihre Söhne verloren haben? Seit Anbeginn der Zeit fließen die Tränen und das Blut strömt, während anderswo die Menschen Fußball gucken und überlegen, zu welchem Weihnachtsmarkt sie gehen sollen.«
Wie Sie sehen liebe Leser fallen auch sehr, sehr ernste Worte. Doch keine Sorge, hier und da kommt der mit den Augen zwinkernde, heitere Kaminer durch. Der Autor, der auch gerne mal seine alte Mutter vorschiebt, um uns die Sachlagen in der Welt zu erklären. Abschließend bleibt mir nur noch zu sagten: Mit einem Buch von Wladimir Kaminer können Sie nie was falsch machen!
Frühstück am Rande der Apokalypse, Wladimir Kaminer, Goldmann Verlag, Taschenbuch, Seiten 224, ISBN: 978-3-442-49587-0, Euro 13,00. Erschienen 19.02.2025.