Damit die Erinnerung nicht verblasst wie die Nummer auf meinem Arm, Albrecht Weinberg und Nicolas Büchse

Am 7.März 2025 wurde Albrecht Weinberg 100 Jahre alt. Einer der letzten Überlebenden von Auschwitz, ein Zeitzeuge des schlimmsten Völkermords, der je passierte. Die organisierte Vernichtung von sechs Millionen Menschen, die aufs Erbärmlichste geschunden, gefoltert und ermordet wurden.

Man kann dieses Buch als wahrer Mensch nicht lesen, ohne immer mal wieder in Tränen auszubrechen. Es ist einfach unglaublich was Menschen, Menschen antun können und das ohne Sinn und Verstand. Auch rechtfertigt kein gegebener Befehl oder noch so verblendete Ideologie solch ein Tun. Jedoch vergisst Albrecht Weinberg auch nicht die Menschen, die verschüchtert heimlich vielen Juden halfen, mit Lebensmittelrationen und Beistand. Aber auch nicht die Täter, die nach Kriegsende davonkamen, die sich sofort wieder ins gemachte Nest setzten und den Hass auf die Juden, die viele selbst nach einem verlorenen Krieg nie ablegten.

Nicolas Büchse hat als erfahrener Journalist die Geschichte von Albrecht Weinberg und seiner Familie niedergeschrieben. Er macht es gut, mit Pausen zwischen den grausamen Beschreibungen der Zeit von Zwangsarbeit und vor allem in den Konzentrationslagern. Denn sonst könnte man es als Leser nicht verkraften. Kaum kann man die Ereignisse lesen, wie konnte man so etwas überleben?

Daher ist es so wichtig die Zeitzeugen und wenn es nur in Büchern ist, wieder zu Wort kommen zu lassen. Eine demokratische Gesellschaft darf nie vergessen, aus welch bitteren Wurzeln sie entstand. Und vor allem die jungen Menschen, wenn Herr Weinberg in Schulen spricht, sind immer wieder interessiert, zu erfahren, was damals wirklich geschah. Für mich ein wichtiges Buch, das in Zeiten von aufstrebenden Diktatoren und Kriegstreibern auf aller Welt umso brisanter und bedeutungsvoller wird.

Autorenfoto: Copyright ® Jesco Denzel

Nicolas Büchse, geboren 1979, studierte in Göttingen und Straßburg Geschichte, Politik und Jura. Er absolvierte die Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg und arbeitete anschließend für das Geschichtsmagazin GEO Epoche und als Redakteur beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Seit 2010 ist er als Reporter für den stern unterwegs, von 2017 bis 2021 leitete er das New Yorker Büro des Magazins, für das er heute als Autor tätig ist. Für seine Reportagen wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er lebt mit seiner Familie in Hamburg. Im Jahr 2022 begleitete er den damals 97-Jährigen Albrecht Weinberg auf dessen letzter großen Reise nach Israel, seitdem sind die beiden miteinander befreundet.

Familie Weinberg ist eine angesehene Familie im ländlichen Ostfriesland. Als Viehhändler ist der Vater geschätzt, man hat gute Beziehungen zu den Nachbarn und lebt wie eine ganz normale Familie. Der kleinste Albrecht geboren 1925 ist gerade mal acht Jahre, als die Nazis die Macht übernehmen. Ab dem Tag wird ihr Leben immer schlimmer, Enteignungen, Verhaftungen, Erniedrigung und Ausgrenzung bestimmen mit einer eigenartigen Hoffnung fortan ihr Leben. Dann folgen die Jahre der Zwangsarbeit, die schon der noch kindliche Albrecht und seine Schwester Friedel leisten müssen. Als der Krieg im vollen Gang ist, wird es immer schlimmer mit Hunger, Kälte, Qual und damit wie Vieh behandelt zu werden. Doch den wahren Schrecken, den Menschen in ihrem Wahn verbreiten können, erleben die beiden Geschwister dann in Auschwitz. Denn dort sind sie weniger wert als ein Stück Vieh und existieren nur noch, um sich zu Tode zu arbeiten, vergast zu werden, oder völlig entkräftet und von eitrigen Hungerödemen überseht, ohne Lebenswillen in die Elektrozäune zu laufen.

Nicolas Büchse hat den Ton gut getroffen, indem er immer wieder in die Jetztzeit zurückkehrt oder von der Emigration in die USA und die Rückkehr nach Deutschland berichtet. Von der Pflegerin Gerda, für die die beiden Geschwistern so etwas wie Familie werden. Über die zaghaften ersten Versuche im hohen Alter über das Unfassbare zu reden, was er, Albrecht, als Kind und junger Mann erlebte. Aber auch über das kleine Glück seine Schwester wiederzufinden und auch seinen Bruder Dieter noch einmal zu sehen. Wen diese Zeilen nicht bewegen, dem ist wohl auch nicht mehr zu helfen. Solche Bücher müssen dringend wieder in Schulen gelesen und besprochen werden, damit es nie wieder in Demokratien zu solchen Verbrechen an der Menschheit kommen kann.

Pressetext von Penguin:

»Die wahre Geschichte von einem Versprechen, das stärker ist, als der Hass und das Vergessen. 116927: Die Nummer, die Albrecht Weinberg noch immer auf seinem Unterarm trägt, mit 99 Jahren, ist mit den Jahrzehnten verblasst. Glasklar dagegen sind seine Erinnerungen. An seine Jugend, das Aufkommen der Nazis, an Freunde, die plötzlich keine mehr waren, daran, wie er seine Familie verlor. Und an Friedel. Seine Schwester, mit der er sich das Versprechen gab, sie würden für immer aufeinander achtgeben. Gemeinsam entkommen sie dem Holocaust und emigrieren in die USA. Jahrzehnte später, als es Friedel schlechter geht, reisen die beiden wieder zurück nach Deutschland. Dort begleitet Albrecht seine Schwester bis zu ihrem Tod und lernt dabei deren Pflegerin Gerda kennen. Erst vor ihr öffnet sich Albrecht und beginnt, Gerda von seinem Leben zu berichten. Er erzählt von seiner Geschichte. Von seinem Glauben an das Gute, trotz allem. Und von dem Versprechen zu überleben. Damit die Erinnerung weiterlebt.«

Damit die Erinnerung nicht verblasst wie die Nummer auf meinem Arm, Albrecht Weinberg und Nicolas Büchse, Penguin, Klappenbroschur, Seiten 288, ISBN 978-3-328-11144-3, Euro 20,00, Neuerscheinung 14. Februar 2025.

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