Ach, wenn es nur nicht so ein realistisches Orakeln wäre, dass Timur Vermes uns in seinen Briefen von morgen präsentiert. Es ist pure Satire, die beißt und brennt, vor allem, wenn die Zeiten genau in diese Richtung zeigen. Als Erstes wird uns ein Brief an den neuen Bundeskanzler Herrn Merz präsentiert, den er aber erst zur nächsten Wahl lesen soll, wenn Herr Merz schon lange aus dem politischen Geschäft gedrängt wurde und er der AFD die Wege zur Macht geebnet hat. Das ist allerdings so bitter, dass mir der Lacher im Hals stecken blieb. Ganz anders der Brief einer Dame an ihre Versicherung, mit der Bitte die Kosten für einen zerschlagenen Pflegeroboter zu übernehmen. Auf dem Weg zu Vernichtung dieses Teils kann man wirklich in sich hineinkichern. Gut gefallen hat mir auch ein Brief von besorgten Eltern an die Direktorin eines Gymnasiums. Klein Meghan aus der 4b, wird nämlich ständig benachteiligt. Oder man füllt das Formular BBbyDesin aus, um sein Wunschkind schon vor der Geburt zu kreieren.
Ein genialer Querschnitt von KI über Politik, die Unterhaltungsindustrie und auch die Religion bekommt ihr Fett ab. Manchmal bleibt einem die Luft weg, denn einiges ist mehr als vorstellbar. Dennoch nennt man so etwas noch gute Satire. Nur schade, dass kein Brief in die USA verschickt wurde, doch wahrscheinlich kamen dem Autor bei dem Gedanken selbst die Tränen. Sehr lesenswert, wenn Sie den Zeitgeist mit Humor nehmen können.
Autorenfoto: Copyright ® Regina Recht
Timur Vermes wurde 1967 in Nürnberg als Sohn einer Deutschen und eines Ungarn geboren. Er studierte in Erlangen Geschichte und Politik und arbeitete anschließend als Journalist und Ghostwriter. Er schrieb bis 2001 für die Abendzeitung und den Kölner Express und später für mehrere Magazine. Sein 2012 erschienener Roman ER IST WIEDER DA ist eines der erfolgreichsten deutschen Debüts der letzten Jahrzehnte. Es verkaufte sich mehrere Millionen Mal, wurde fürs Kino verfilmt und in Dutzende Sprachen übersetzt. Timur Vermes‘ zweiter Roman DIE HUNGRIGEN UND DIE SATTEN stieg 2018 auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste ein. Beide Romane wurden von Christoph Maria Herbst als Hörbuch eingelesen.
Pressetext Eichborn Verlag: Bissig, böse, lakonisch: In unnachahmlich schwarzhumoriger Manier kehrt Timur Vermes zurück zu seinen Wurzeln
Leben wir schon in der Hölle? Oder kommt die erst noch?
In einer nicht allzu fernen Zukunft ist alles kostenlos … aber nicht umsonst. Künstliche Intelligenz treibt uns in den Wahnsinn, und man kann sie noch nicht einmal richtig anschreien. Das neue große Ding sind Tattooentfernungen. Der Pflegenotstand wurde durch Roboter behoben, aber irgendwie hatten sich das alle anders vorgestellt. Und Attila Hildmann würde gern wieder nach Deutschland zurück, aber Alice Weidel ist in ihrer Regierungs-AfD in Ungnade gefallen …
Timur Vermes präsentiert Briefe und andere Dokumente aus der Zukunft, die unserer Gegenwart den Spiegel vorhalten. Ein schwarzhumoriges Vexierspiel, bei dem einem mitunter das Lachen im Halse steckenbleibt. Unnachahmlich bissig und böse!
Briefe von gestern, die wir gerne schon heute gelesen hätten, Timur Vermes, Eichborn Verlag, gebundenes Buch, Seiten 192, ISBN 978-3-8479-0201-0, Euro 22,00, erschienen Ende Januar 2025.